Bedrohen uns Masern auch hier?

St. Wendel · Sorge herrscht zurzeit vor einer Masern-Epidemie. SZ-Mitarbeiterin Christina Bieg hakte beim Chef des Kreisgesundheitsamtes, Andreas Kramer, nach, wie's in der Region um den Impfschutz bestellt ist.

SZ: Stichwort Masern : Wann gab es den letzten Fall von Masern im Landkreis St. Wendel?

Andreas Kramer: Den letzten bestätigten Masernfall im Landkreis St. Wendel gab es im Jahr 2011. Dieser ist ohne Komplikationen verlaufen, es hat sich auch niemand im Landkreis angesteckt.

Wie kommt es zur Masernwelle - auch bei Erwachsenen?

Kramer: Beim aktuellen Masern-Ausbruch in Berlin waren anfangs vornehmlich Asylsuchende betroffen, von denen die meisten aus Bosnien und Herzegowina oder Serbien stammten. Mittlerweile treten Erkrankungsfälle allerdings überwiegend in der übrigen Berliner Bevölkerung auf, insgesamt sind knapp 60 Prozent der Erkrankten Erwachsene . Etwa 90 Prozent der Erkrankten sind nicht geimpft.

Wie sieht es mit dem Impfschutz hier aus?

Kramer: Die Einschulkinder sind zu 93 Prozent zweimal gegen Masern geimpft. Bei jüngeren Erwachsenen gibt es aus verschiedenen Gründen Impflücken. Bei älteren Erwachsenen (vor 1970 geboren) besteht meist nach Erkrankung der Kindheit lebenslange Immunität.

Wo liegt die Gefahr?

Kramer: Die Masern sind eine hochansteckende, mit Fieber und Ausschlag einhergehende Infektionskrankheit, die mit schweren Komplikationen wie Lungenentzündung oder verschiedenen Gehirnentzündungen einhergehen kann. Aus der Todesursachenstatistik ergibt sich, dass in Deutschland in den vergangenen Jahren etwa ein Todesfall pro 1000 Masernerkrankungen aufgetreten ist. Das ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Was sollte beachtet werden?

Kramer: Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt, alle Kinder ab dem Alter von elf Monaten (erste Impfung) und ein zweites Mal ab dem Alter von 15 Monaten, spätestens bis zum zweiten Geburtstag, gegen Masern impfen zu lassen. Dies erfolgt meist in Kombination mit Mumps , Röteln und Varizellen. Darüber hinaus sollten sich auch alle Erwachsenen, insbesondere diejenigen, die nach 1970 geboren wurden und bislang nicht an Masern erkrankt waren, impfen lassen. Diese einmalige Impfung erfolgt normalerweise mit einem gutverträglichen Kombinationsimpfstoff gegen Masern , Mumps und Röteln (MMR-Impfstoff). Im Fall eines Masernausbruchs könnte es auch für vor 1970 Geborene sinnvoll sein, sich impfen zu lassen, beispielsweise, wenn man einen möglichen Masernkontakt hatte und nicht mehr weiß, ob man in der Kindheit an Masern erkrankt ist.

Eine weitere hoch ansteckende Krankheit ist die Kinderlähmung . Doch Vorsicht - hier täuscht der Name, denn auch Erwachsene können sich damit anstecken, wenn sie nicht dagegen geimpft sind.

Gibt es im Landkreis Fälle von Kinderlähmung ?

Kramer: Der Landkreis St. Wendel ist wie ganz Deutschland seit über 20 Jahren poliofrei. Die letzte erworbene Polio-Erkrankung durch einen Wildvirus trat 1990 auf. Danach kam es deutschlandweit noch zu ein bis zwei durch die Schluckimpfung verursachte Polio-Erkrankungen jährlich, bis 1998 auf einen inaktivierten Polioimpfstoff umgestellt wurde, bei dem das nicht mehr passieren kann.

Sollte also weiter geimpft werden?

Kramer: So lange die Kinderlähmung nicht weltweit ausgerottet ist, besteht das Risiko der Wiedereinschleppung, insbesondere durch Bürgerkriegsflüchtlinge. Ende 2013 kam es in Syrien zu einem Polioausbruch. Die Impfquote gegen Polio liegt in unserem Landkreis aktuell bei den Einschulkindern bei 96 Prozent. Die steigenden Flüchtlingszahlen sollten dennoch für alle Eltern Anlass sein, den Impfstatus ihrer Kinder zu überprüfen. Für Erwachsene empfiehlt die Stiko Auffrischimpfungen, wenn ein erhöhtes Risiko besteht, zum Beispiel durch die Arbeit in Gemeinschaftsunterkünften, in denen Flüchtlinge oder Asylbewerber aus Ländern mit Poliorisiko leben.

Darum ist eine Grippewelle so brisant

Menschen sollen in dieser Zeit Händeschütteln vermeiden

Kindergärten, Pflegeheime, Krankenhäuser - prinzipiell überall, wo viele Menschen zusammenkommen, fühlen sich Viren zuhause. Bei einer Grippewelle sollten Menschen einige Ratschläge beachten.

Stichwort Grippewelle: Warum gibt es regelmäßig neue?

Andreas Kramer: Die echte Grippe wird durch Influenzaviren hervorgerufen. Diese sind genetisch sehr variabel, die vorherrschenden Viren können sich von Jahr zu Jahr unterscheiden. Sie kommen nicht nur bei Menschen, sondern auch bei verschiedenen Säugetieren wie Pferden oder Schweinen und bei Vögeln vor und können deswegen nicht ausgerottet werden.

Lohnt eine Impfung?

Kramer: Zur Grippeimpfung geraten wird insbesondere älteren Menschen über 60 Jahren und Menschen, die chronische Lungen-, Herz-Kreislauf-, Nierenkrankheiten oder Diabetes haben. Bei diesen treten im Vergleich zur gesunden Bevölkerung gehäuft schwere Verläufe und Komplikationen wie Lungenentzündungen auf. Auch Frauen, die während der Influenzasaison schwanger sind, sollten sich impfen lassen. Dem Risiko einer Ansteckung sind auch Personen in Berufsgruppen ausgesetzt, die häufig Kontakt zu anderen Menschen haben, zum Beispiel Altenpfleger, Busfahrer, Bankangestellte oder Kindergärtner. Wer in der Altenpflege oder im Gesundheitswesen arbeitet, kann durch die eigene Impfung vermeiden, die ihm Anvertrauten anzustecken und zu gefährden.

Wie viele Menschen im Landkreis sind aktuell infiziert?

Kramer: In den vergangenen vier Wochen wurden uns 64 laborbestätigte Grippeerkrankungen gemeldet. Da aber längst nicht alle Patienten zum Arzt gehen und selbst dort nicht alle Patienten mit Influenza-Symptomen getestet werden, gehen wir von einer hohen Dunkelziffer aus. Erkrankte sind etwa vier bis fünf Tage ab Auftreten erster Symptome ansteckend. Eine längere Dauer ist aber möglich, vor allem bei Kindern.

Kann man sich auch ohne Impfung schützen?

Kramer: Die wichtigste vorbeugende Maßnahme ist die Grippeimpfung, auch wenn die Schutzrate der Impfung wegen der raschen Veränderung der Grippeviren nicht immer optimal und auch bei älteren Menschen schwächer ist. Dennoch ist die Impfung gerade bei diesen besonders wichtig, da sie vor allem bei Älteren wesentlich dazu beitragen kann, Komplikationen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle zu verringern. In bestimmten Situationen kann die Verordnung von Medikamenten gegen Grippeviren erwogen werden, deren Wirksamkeit ist jedoch insgesamt nicht überzeugend.

Gerade bei einer starken Grippewelle sollten im öffentlichen Leben grundlegende hygienische Regeln streng beachtet werden: das Vermeiden von Händereichen, Anhusten und Anniesen.

In der Familie sollten Erkrankte soweit wie möglich von anderen Familienangehörigen räumlich getrennt werden, insbesondere während des Essens und nachts. Wichtig ist auch eine gute Händehygiene. Vor allem besonders gefährdete Personen, zum Beispiel Säuglinge, alte Menschen, Patienten mit geschwächter Infektabwehr, chronisch Kranke, sollten von erkrankten Personen ferngehalten werden.

Zum Thema:

Auf einen BlickHaus- und Fachärzte sind Ansprechpartner für Impfungen . redAuskunft beim Gesundheitsamt des Landkreises St. Wendel, Telefon (0 68 51) 8 01 53 01.

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