Flucht, Vertreibung und Mord auch hier

Oberlinxweiler · Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus fand zum ersten Mal eine zentrale Gedenkveranstaltung im Landkreis St. Wendel statt. 150 Gäste waren dazu erschienen.

 Kristine Backes sang in Oberlinxweiler Lieder über das Frauen-KZ Theresienstadt. Foto: Ames

Kristine Backes sang in Oberlinxweiler Lieder über das Frauen-KZ Theresienstadt. Foto: Ames

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"Die Verbrechen der Nationalsozialisten sprengten alle Maße der Grausamkeit", sagte Landrat Udo Recktenwald in der Kulturscheune. Die Frage, warum die Taten nicht verhindert werden konnten, stehe nach wie vor im Raum. Damit die Verbrechen, die auch in unserem Landkreis stattfanden, nicht vergessen werden, fand am 27. Januar - dem Tag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee - erstmals eine zentrale Veranstaltung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in Oberlinxweiler statt.

Heuer jährt sich nicht nur die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 70. Mal. Zehn Jahre zuvor votierten die Saarländer für eine Angliederung ans deutsche Reich. In seinem Vortrag legte Bernhard Planz dar, dass schon schon während des Abstimmungskampfes von 1933 bis Anfang 1935 erste Repressionen gegen Minderheiten, Andersdenkende und vor allem gegen die jüdischen Bürger gab. Diese steigerten sich: Synagogen und Friedhöfe wurden geschändet. Das jüdische Gotteshaus in der Kelsweiler Straße wurde in der sogenannten Reichskristallnacht, am 11. November 1938, in Brand gesetzt. Aus Gesprächen mit überlenden jüdischen Zeitzeugen über das Verhalten der nichtjüdischen Bevölkerung berichtete Planz: "Neben Hilfsbereitschaft in durchaus nicht seltenen Fällen standen Passivität, langsames Abwenden und Übersehen und vereinzelt auch fanatischer Antisemitismus."

Nach der Angliederung des Saargebiets an das Dritte Reich flohen die meisten Juden und Regimekritiker aus ihrer Heimat nach Frankreich, wo sie später die Gestapo aufgriff und in Konzentrationslager deportierte.

Mit dem Leben eines jüdischen Flüchtlings beschäftigt sich das Projekt "Wendalinum wider das Vergessen: Fritz Berl war 1938 der letzte jüdische Schüler des damaligen St. Wendeler Knabengymnasiums. Als 14-Jähriger gelang ihm die Flucht zu seinem Onkel nach Israel. Die Schüler der Projektgruppe zeichneten sein Leben nach und traten in Kontakt mit Berls Nachfahren, die schon zu Besuch nach St. Wendel kamen. Eine Erfahrung, die den jungen Menschen "echte, aufrichtige und vor allem persönliche Betroffenheit erfahren ließ". Für Lehrer und Projektleiter Raphael Groß "eine Erfahrung echter, aufrichtiger und vor allem persönlicher Betroffenheit", die im zahlen- und datenorientierten Schulunterricht so nicht vermittelbar sei.

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Stichwort: Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Dadurch wurde die menschenverachtende Todesmachinerie aller Welt bekannt. Damit die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten nie ein Ende finde, rief Bundespräsident Roman Herzog 1996 den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ins Leben, der 2005 von den Vereinten Nationen zum internationalen Gedenktag erhoben wurde. ame

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