Hausarzt zieht sich aus dem Dorf zurück

Niederkirchen · Niederkirchen verliert eigene Praxis. Mediziner gibt wirtschaftliche Gründe an. Betroffene fürchten um Versorgung vor Ort.

 Niedergelegt: Schon bald wird es in Niederkirchen keinen Hausarzt mehr geben. Archivfoto: Stephan Jansen/dpa

Niedergelegt: Schon bald wird es in Niederkirchen keinen Hausarzt mehr geben. Archivfoto: Stephan Jansen/dpa

13 Jahre war Dr. Stefan Michaely für seine Patienten im Ostertal da - der Hausarzt für Niederkirchen. Doch damit ist am 1. Juli Schluss. Der Mediziner schließt seine Praxis. Für viele Menschen in dem St. Wendeler Stadtteil ein herber Verlust, wie auch schon der Ortsrat während einer Sitzung postulierte. Doch trotz dessen Einsatzes gegen das Ende der ärztlichen Versorgung vor Ort scheint der Entschluss unumkehrbar.

Seit einiger Zeit bereitet Michaely seine Patienten auf den Wegzug vor. Er wechselt zu einer Gemeinschaftspraxis ins wenige Kilometer entfernte Oberkirchen zu den Kollegen Feidt und Lenthe, mit denen er bereits seit einigen Jahren kooperiere. Seinen Entschluss, Niederkirchen zu verlassen, begründet Michaely mit "wirtschaftlichen Gründen". Dabei gibt er die Schuld an seiner Notsituation der Gesundheitspolitik der Regierung und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Sie seien dafür verantwortlich, dass "die wirtschaftliche Situation von Einzelpraxen insbesondere auf dem Land stetig geschwächt wird".

Die Kassenärztliche Vereinigung im Saarland spielt den Ball zurück, ohne auf Vorwürfe einzugehen. Deren stellvertretender Vorstandsvorsitzende Dr. Joachim Meiser: "Die individuellen und persönlichen Gründe für die jetzige Verlagerung des Praxissitzes sind eine individuelle Entscheidung des Arztes und zu respektieren." St. Wendels Landrat Udo Recktenwald (CDU) wird da expliziter: "Das Problem liegt sicherlich auch darin begründet, dass viele Ärzte angestellt sein wollen, um einen geregelten Arbeitstag zu haben und Familie und Beruf besser zu vereinbaren." Dazu passe ein rund um die Uhr verfügbarer Hausarzt nicht.

Trotz des Wegzuges versichert Michaely, dass die hausärztliche Versorgung "in gewohnter Weise fortgeführt" werde - allerdings vom neuen Standpunkt aus. Und genau das bezweifeln Lokalpolitiker. Recktenwald gibt indirekt Schützendeckung, ohne einen speziellen Ort zu nennen: "Aus meiner Sicht gehört jedoch zum Beispiel ins Ostertal ein Hausarzt." Nicht jeder könne in die Kreisstadt fahren. Niederkirchen ist Teil des Ostertales, aber auch weitere Dörfer gehören dazu, in denen es ähnlich prekäre Situationen bei der Arztversorgung aus Sicht der Bewohner gibt.

Dies stellt Meiser anders dar. Er sieht "kein Versorgungsproblem". Seine Begründung: "Im Umkreis von zehn Kilometern befinden sich 15 Praxen, die in der Lage sind, Patienten zusätzlich zu versorgen." Darüber hinaus zähle er 17 Hausarzt- und "etliche Facharztpraxen" in St. Wendel, die von Niederkirchen aus "nur acht Kilometer entfernt sind". Zwar bedauere die Kassenärztliche Vereinigung den Verlust der Praxis in dem betroffenen Stadtteil, verweist aber gleichzeitig auf ein gut ausgebautes Straßen- und Nahverkehrsnetz. Dies ermögliche Patienten, auch andere Orte für einen Arztbesuch problemlos zu erreichen.

Abermals Widerspruch aus Niederkirchen, in erster Linie, was ältere Menschen betrifft, von denen viele in ihrer Mobilität eingeschränkt seien. Um dieses Problem anzugehen, kündigt Landrat Recktenwald noch im ersten Halbjahr eine Gesprächsrunde dazu an. Daran sollen unter anderem Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung, Bürgermeister des St. Wendeler Landes sowie Experten des Kreisgesundheitsamtes teilnehmen. Diese Runde zur ärztlichen Versorgung sei Teil des bereits ins Leben gerufenen Projektes "Dorf Zukunft", das auch vom Bund gefördert wird.

Indes sei der politische Druck des Landratsamtes, wo sich Ärzte niederlassen, überschaubar. Recktenwald: "Über direkte Einflussmöglichkeiten verfügt der Landkreis zunächst nicht." Dabei erklärt Joachim Meiser von der Kassenärztlichen Vereinigung, dass seine Institution "schon in der Vergangenheit das Gespräch mit allen Bürgermeistern und Landräten des Landes gesucht" habe, um die Versorgung mit Hausärzten im ländlichen Raum zu gewährleisten. Dazu solle auch die öffentliche Infrastruktur angepasst werden. Dabei spielt Meiser den Ball an die Politik vor Ort zurück, die für solche Maßnahmen verantwortlich ist.

Auch wenn der scheidende Mediziner Michaely künftig Hausbesuche "für die Patienten, die aus Krankheitsgründen das Haus nicht mehr verlassen können", für Niederkirchen zusichert, bleiben die Menschen skeptisch. Denn dieser Rückzug aus ihrer Sicht ist nicht der erste in der Region. Doch Meiser bleibt dabei, dass der Landkreis mit Haus- und Fachärzten "noch gut versorgt" sei.

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