Eine Rektorin sagt Au revoir

Niederkirchen · Die Schule sei ihre zweite Heimat gewesen, und so nimmt Hildegard Thiel wehmütig Abschied. Zum einen von der Grundschule Niederkirchen, die sie lange leitet. Zum anderen vom Schuldienst selbst.

 Hildegard Thiel (Mitte) inmitten ihrer Schüler bei der Abschiedsfeier an der Grundschule Niederkirchen. Foto: Kristin Schumacher

Hildegard Thiel (Mitte) inmitten ihrer Schüler bei der Abschiedsfeier an der Grundschule Niederkirchen. Foto: Kristin Schumacher

Foto: Kristin Schumacher

Bücher stapeln sich in den Regalen, von Kinderhand gemalte Bilder zieren den Schrank, Fotos an der Wand erinnern an einen Schullandheim-Aufenthalt in La Hoube (Frankreich). Das Büro von Hildegard Thiel ist vollgepackt mit Erinnerungen. 26 Jahre war sie Schulleiterin an der Grundschule in Niederkirchen . "Das ist mehr als Silberhochzeit", sagt sie und lächelt. Es ist der letzte Schultag vor den Sommerferien. Der letzte Schultag der engagierten Lehrerin. "Die Schule hier war meine zweite Heimat ", gesteht die 65-Jährige. "Ich kann mir mein Leben ohne Schule gar nicht vorstellen."

Ihr Beruf war für sie immer Berufung. Kurz vor dem Abitur stand für sie fest, dass sie Lehrerin werden wollte. Im Alter von 22 Jahren kam sie in den Schuldienst. Ihre Stationen: Sotzweiler, Namborn und Nikolaus-Obertreis in St. Wendel. Dann folgte Niederkirchen . "Als ich hierher kam, kannte ich das Ostertal gar nicht." Schnell habe sie aber die Menschen kennen und lieben gelernt.

"Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen": Dieses Zitat von dem französischen Schriftsteller Guy de Maupassant baute Hildegard Thiel in ihre Abschiedsrede ein. Es beschreibe treffend einer ihrer Grundsätze im Leben. Und es gibt Hinweis auf eine große Leidenschaft der 65-Jährigen: Frankreich. Sprache, Land und Leute - ihre Begeisterung dafür hat sie gerne den Schülern mitgegeben.

Bei der Abschiedsfeier am Donnerstag kamen viele Wegbegleiter Thiels nach Niederkirchen . "Die Kinder haben die Feier so schön gestaltet, die Kolleginnen seit Wochen alles vorbereitet", schwärmt die Schulleiterin lächelnd. Ein Gottesdienst, Tänze, Lieder, vor allem aber auch viele warme Worte gehörten dazu. Auch an diesem Freitag haben sich viele Bekannte aus 43 Jahren Schuldienst gemeldet. Wertschätzung, die gut tue.

In den vielen Jahren Schuldienst habe es auch einige Herausforderungen gegeben. Denen sie sich gerne gestellt habe. "Wenn man beim Jammern stehen bleibt, passiert nichts", sagt die angehende Rentnerin. Deshalb habe sie immer in die Hände geklatscht und die Kollegen motiviert, weiterzumachen. Kraft dafür habe sie immer aus ihrem Beruf selbst, der Religion, den Menschen in ihrem Umfeld und ihrem lebensfrohen Naturell geschöpft. Es seien diese vier Säulen gewesen, die sie durch 43 Jahre als Lehrerin getragen haben.

Auf einem Tisch in ihrem Büro liegt eine DIN-A 3 große selbstgebastelte Karte zum Abschied. Sie stammt von Thiels Schulfamilie. "Das Wort sagt aus, wie viel Vertrauen in unserer Schulgemeinschaft steckt." Alle, die in der Schule mit der 65-Jährigen zusammengearbeitet haben, haben unterschrieben. Über den Namen ist jeweils eine bunte Perle aufgeklebt. Eine Kette mit den gleichen farbigen Kugeln trägt Hildegard Thiel um den Hals. "So habe ich sie alle bei mir", sagt sie und strahlt.

In der nächsten Woche wird sie damit beginnen, das Büro auszuräumen. Offiziell ist sie noch bis zum 31. Juli im Dienst. Für die Stelle als Schulleiter gibt es bereits eine Nachfolgerin. Diese wird Thiel noch einarbeiten.

Danach will es die Lehrerin ruhig angehen lassen. "Ich muss erst mal im Ruhestand ankommen." In der neu gewonnenen Freizeit möchte sie mehr lesen und wandern. Als Mitglied im Vorstand des Vereins zur Förderung von Städtepartnerschaften will sie sich weiterhin insbesondere für den Austausch mit Frankreich einsetzen. Hildegard Thiel geht mit dem berühmten weinenden und lachenden Auge aus dem Schuldienst. Und es wird wohl noch etwas Zeit brauchen, bis sie im neuen Leben fern des Lehrerpults angekommen ist. "Es wird ein seltsamer Moment sein, wenn ich schließlich die Schlüssel abgebe."

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