Alter als Geschenk wahrnehmen

Bliesen · Die Menschen werden immer älter. Doch was fangen sie mit einem verlängerten Lebensabend während des Rentendaseins an? Der den 70 Besuchern im Bliesener Gemeindezentrum gezeigte Dokumentarfilm „Sputnik Moment – 30 gewonnene Jahre“ von Regisseur Lukas Schmid und Produzentin Barbara Wackernagel-Jacobs soll Mut und Hoffnung machen. Dafür bedarf es jedoch eines Perspektivwechsels, worüber in Bliesen diskutiert wurde.

 Peter Springborn (VdK Sozialverband), Saar-Sozial-Staatssekretär Stephan Kolling, Moderator Uwe Jäger, Filmproduzentin Barbara Wackernagel-Jacobs, Landrat Udo Recktenwald und der Vorsitzende des Landesseniorenbeirats, Gerhard Ballas (von links) traten zur Diskussion an. Foto: Frank Faber

Peter Springborn (VdK Sozialverband), Saar-Sozial-Staatssekretär Stephan Kolling, Moderator Uwe Jäger, Filmproduzentin Barbara Wackernagel-Jacobs, Landrat Udo Recktenwald und der Vorsitzende des Landesseniorenbeirats, Gerhard Ballas (von links) traten zur Diskussion an. Foto: Frank Faber

Foto: Frank Faber

Der Film "Sputnik Moment - 30 gewonnene Jahre" von Regisseur Lukas Schmid und Produzentin Barbara Wackernagel-Jacobs hat eine klare Botschaft: Die gewonnenen Lebensjahre sind ein Geschenk und eine zivilisatorische Errungenschaft, die von der Gesellschaft genutzt werden sollten. Pro Tag gewinnen die Menschen vier Stunden an Lebenszeit dazu. Doch wie verändert sich deren Lebensplanung, wenn sie im Alter von 50 noch rund 30 gesunde Jahre vor sich haben? Wie wollen sie umgehen mit dieser gewonnen Zeit?

Zum Film: Darin berichten Wissenschaftler aus Deutschland und den USA, aber auch ältere Menschen von ihrer Sicht auf das Älterwerden . Sie machen die Potenziale des Alters sichtbar und zeigen: Die heutigen älteren Frauen und Männer sind im Durchschnitt gesünder, besser ausgebildet und vitaler als frühere Generationen. Beispiele zeigen, wie vielfältig das Älterwerden heute aussehen kann, und dass nicht alle tatkräftigen Menschen tatsächlich früh in den "Stand der Ruhe" versetzt werden wollen.

Klaus Lauck, der Seniorenbüroleiter des Landkreises St. Wendel, will hinterher wissen, wo denn die laut Filmtitel gewonnen 30 Jahre eigentlich hergekommen. "Gemessen an den letzten 100 Jahren, gewinnen die Menschen eine Lebenswartung von 30 Jahren dazu", antwortet Filmproduzentin Wackernagel-Jacobs. Bei Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung zu Zeiten Bismarcks habe die Lebenserwartung 50 Jahre betragen. Wackernagel-Jacobs will mit dem Film anregen, die rechtlichen und organisatorischen Bedingungen zu verbessern, damit ältere Menschen sich mit ihren Fähigkeiten noch besser in die Gesellschaft einbringen können. "Bewusst ist das Thema Rente im Film nicht angesprochen worden", erklärte die 66-Jährige während der anschließenden Podiumsdiskussion. Allerdings sei bei der Aussicht auf ein Mehr an Lebensjahren nicht nur ein individuelles Umdenken gefragt, auch die Politik sei gefordert.

Rente oder Weiterarbeiten?

Die älteren Menschen müssten individuell bestimmen können, ob sie mit der Arbeit aufhören oder weitermachen, wobei der Schutz der Rente bestehen bleiben müsse. "Es bedarf eines Perspektivwechsels". Mit 50 könne man ebenso gut noch einmal eine neue Karriere beginnen wie mit 30 Jahren. "Mehr Flexibilität wäre hier eine große Chance", meint Wackernagel-Jacobs. Dazu müssen, so der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU ), zunächst starre Strukturen aufgelöst und flexible Arbeitszeitmodelle geschaffen werden. "Das Potenzial müssen wir nutzen, und wir können viel durch den Wissenstransfer mit älteren Menschen lernen", ist Staatssekretär Stephan Kolling (CDU ) überzeugt. Viele Menschen im Alter zwischen 63 und 65 Jahren müsse man motivieren, damit sie nicht in ein mentales Loch fallen, so Peter Springborn, der Geschäftsführer vom Sozialverband VdK Saarland. "Die andere Seite der Medaille ist aber das zunehmende Problem mit der Altersarmut", spricht Springborn Klartext. Besonders für Menschen im Alter ab 65 Jahren ist laut des Statistischen Bundesamts das Armutsrisiko gestiegen, weil sie sich das Leben nicht mehr leisten können. "Es wäre besser, die Altersgrenze für die Rente mit 63 Jahren abzuschaffen", prognostiziert Springborn. Wackernagel-Jacobs plädiert für eine Lösung zwischen Arbeit und persönlicher Aufgabe. "Wir müssen die Menschen vor schlechten Arbeitsbedingungen schützen, aber nicht vor der Arbeit", lautet dazu ihr Appell.

Zum Thema:

Hintergrund Als Sputnik Moment bezeichnet man die politisch-gesellschaftliche Reaktion in den USA und Westeuropa auf den Start des ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik 1 am 4. Oktober 1957 durch die Sowjetunion. Der Sputnikschock löste eine Krise in der Selbstwahrnehmung der US-Amerikaner aus. Diese waren in ihrem Selbstverständnis Einwohner der technologisch fortschrittlichsten Nation der Erde. Als Folge davon erlangten Forderungen nach einer grundlegenden Reform des Bildungssystems schnell eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Die SPD-Politikerin Barbara Wackernagel-Jacobs war in den 1990er-Jahren Staatssekretärin und Sozialministerin in den Kabinetten von Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt . Seit dem Regierungswechsel 1999 übernahm sie die Saarbrücker Filmproduktionsgesellschaft Carpe diem und arbeitet seither als Produzentin von Dokumentarfilmen zu politischen und kulturellen Themen. frf

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