Droht Ehrenamtlern bei Flüchtlingshilfe Kollaps?

Oberthal · Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in der Region schlagen Alarm. Denn ihnen stünden zu wenige professionelle Ansprechpartner zur Seite. Und die wenigen seien wegen der großen Zahl Kriegsvertriebener überfordert.

 Die Zahl der Menschen, die wegen Krieg aus ihrer Heimat fliehen, steigt. Wie hier auf dieser Aufnahme, erreichen Flüchtlinge auch das St. Wendeler Land. Aber die ehrenamtlichen Helfer gelangen an die Grenze des Machbaren. Symbolfoto: Holger Battefeld/dpa

Die Zahl der Menschen, die wegen Krieg aus ihrer Heimat fliehen, steigt. Wie hier auf dieser Aufnahme, erreichen Flüchtlinge auch das St. Wendeler Land. Aber die ehrenamtlichen Helfer gelangen an die Grenze des Machbaren. Symbolfoto: Holger Battefeld/dpa

Sie wollen helfen, Notleidenden beistehen. Doch allmählich zehren die Anforderungen an ihren Kräften. Ehrenamtler, die sich im St. Wendeler Land um Kriegsflüchtlinge kümmern, sind Tag und Nacht im Einsatz. "Ich habe um zwei die letzte Nachricht bei Facebook versendet, war heute Morgen um acht wieder online", berichtet Marion Lambert, die sich im Netzwerk aufreibt.

Die engagierte Frau der Flüchtlingsarbeit in Theley ist eine derer, die pausenlos beschäftigt sind, Neuankömmlinge zu versorgen, mit ihnen Behörden abzuklappern, Arzttermine wahrzunehmen. Auf eigene Kappe.

Eines der größten Probleme: "Es fehlt an Wohnungen", nennt Oberthals Pfarrer Michael Pauken. Hier seien Helfer gefordert, private Kontakte spielen zu lassen, da viele Gemeinden ihre Kontingente ausgeschöpft hätten.

"Aber bei 70 Asylbewerbern, die monatlich im Landkreis St. Wendel ankommen, sind wir völlig überfordert." Auch die wenigen Hauptamtlichen bei der Caritas gerieten an ihre Grenzen.

Weiteres Problem: die Sprachbarriere. Yasmin Breuer, im Schaumberger Land bei der Flüchtlingshilfe : "Wir haben kaum Übersetzer ." Was Claudia Maringer-Both zum Verhängnis geworden sei. In einer Klinik, zu der die Güdesweilerin einen Flüchtling gebracht hatte, sei ihr klargemacht worden: "Es ist Ihre Aufgabe, einen Dolmetscher mitzubringen." Breuer, türkischstämmig, gehört wegen ihrer Sprachkenntnisse zu den wenigen Übersetzer-Bindegliedern zwischen Helfern und vom Krieg Traumatisierten. Das führe zu Schwierigkeiten bei Arztterminen, wenn es um medizinische Eingriffe geht. Inken Ruppenthal aus Steinberg-Deckenhardt bestätigt: "Wir handeln oft einfach auf eigenes Risiko." In rechtlicher Grauzone.

Eine ernste Schieflage sieht Monika Müller aus Gehweiler für Schulen. "Sie sollen Kinder aufnehmen. Aber Lehrer sind nicht vorbereitet." Das birge Konfliktpotenzial. Hier müsste es geschultes Personal geben.

Dann die psychischen Belastungen - bei Flüchtlingen und Betreuern. Die Oberthalerin Alice Maurer machte solch eine Erfahrung. "Ein Syrer hatte Angst vor der Abschiebung. Ich sagte, dass er keine haben müsse. Dann wurde er nachts von der Polizei abgeholt." Unvermittelt. Breuer reagiert mächtig verstimmt. Als Vertreterin des Flüchtlingsrates wisse sie: "Das Saarland hat die rigoroseste Abschiebepraxis." Trotz Bedenken, nach Bulgarien und Ungarn abzuschieben, werde bei uns so streng wie in keinem anderen Bundesland abgeschoben. Mit Blick auf diese Schwierigkeiten fordert Pauken: "Der Staat muss mehr Geld bereitstellen. Die Ehrenamtlichen wollen weitermachen, aber sie brauchen professionelle Hilfe." So benötige jede Gemeinde genügend feste Ansprechpartner, Sozialarbeiter , die sich in der Materie auskennen. > A 1, A 3: weitere Berichte; A 3: Meinung

Meinung:

Das geht nicht mehr lange gut

Von SZ-RedakteurMatthias Zimmermann

Langsam ist das Maß an Zumutbarem voll. Weg mit Sonntagsreden über Willkommenskultur und Lobeshymnen aufs Ehrenamt. Wer sich um Verfolgte kümmert, braucht professionelle Unterstützung. Zu dürftig: Ansprechpartner beim örtlichen Bauamt, die freiwilligen Flüchtlingshelfern zur Seite stehen. Zusätzlich muss weiteres Fachpersonal wie Sozialarbeiter her. Ein gedruckter Leitfaden reicht nicht.

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