Nach Abschiebung von Flüchtling: Lage spitzt sich zu

Gronig · Hat das Landesverwaltungsamt gegen ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts verstoßen? So sieht es Heike Kugler (Linke). Demnach sei die Abschiebung des syrischen Flüchtlings Mahmoud Alchabou nach Ungarn unzulässig.

 War die Abschiebung eines Syrers rechtens? Anwalt und Politiker bezweifeln es. Symbolbild: Christian Charisius/dpa

War die Abschiebung eines Syrers rechtens? Anwalt und Politiker bezweifeln es. Symbolbild: Christian Charisius/dpa

Viele Menschen haben am Donnerstag ihre Solidarität mit Mahmoud Alchabou bekundet. Der syrische Flüchtling war in der Nacht auf Mittwoch von Polizisten aus seiner Groniger Unterkunft geholt und nach Ungarn abgeschoben worden. Dabei gingen die Betreuer davon aus, dass der 45-Jährige trotz abgelehntem Aufenthaltsrechts vorerst hier bleiben darf. Denn nach monatelanger getrennter Flucht war seine Ehefrau vor drei Wochen auch im Saarland angekommen. Ihr Asylverfahren läuft noch. Durch Mahmouds Abschiebung ist das Paar nun wieder auseinandergerissen.

Schwere Vorwürfe an der "Nacht-und-Nebel-Abschiebung" erhebt Heike Kugler . Die Nohfelder Linke-Abgeordnete im Saar-Landtag bezeichnet diese Praxis als "unmenschlich und Unrecht". Das Berliner Verwaltungsgericht habe Abschiebungen nach Ungarn für unzulässig erklärt, weil das EU-Land für Asylbewerber nicht als sicher gelte. Grundlos würden Antragsteller bis zu sechs Monate inhaftiert.

Am Donnerstag spitzte sich die Lage zu. Michael Pauken, katholischer Pfarrer für Oberthal und Namborn: "Wir haben zurzeit keinen direkten Kontakt mehr mit Mahmoud." Sein Mobiltelefon habe kein Guthaben, so kann er im Ausland nicht angerufen werden. Der Geistliche bemühe sich um eine Lösung: "In Budapest gibt es drei deutsche Pfarrgemeinden. Über sie versuchen wir jetzt, das Telefonguthaben aufzuladen." Das Geld stelle seine Pfarrei und das Bistum Trier bereit.

Unzählige Anrufe hätten Pauken erreicht, unter anderem aus Tholey, wo sich eine Gruppe ebenfalls um Kriegsflüchtlinge kümmert, und ihre Solidarität mit Mahmoud bekundete. Oberthals Bürgermeister Stephan Rausch (CDU ) zeigte sich vom menschlichen Schicksal erschüttert. Umso wichtiger sei es, dass von allen Seiten an der baldigen Rückkehr des Syrers gearbeitet werde. Für die ehrenamtlichen Helfer, die sich um die Integration der Flüchtlinge bemühen, sei solch eine nächtliche Aktion "frustrierend". Rausch lobte Alice Maurer, die sich "wirklich mit Herzblut" für Verfolgte einsetze. Sie hatte auch erst am Morgen nach der Abschiebe-Aktion von Mahmouds Verschwinden erfahren.

Die Behörden haben ihn in das Land abgeschoben, wo er erstmals Boden der Europäischen Union betreten hatte. Internationale Abkommen sehen prinzipiell vor, das dort über Asylanträge entschieden wird. Mahmouds Anwalt Hans Georg Schudell sieht in diesem Fall einen Verfassungsverstoß, weil durch die Abschiebung das verheiratete Paar dauerhaft getrennt wird.

Für die Junge Union (JU) im Landkreis St. Wendel ist die Abschiebung ebenfalls ein Schock. Der Vorsitzende der CDU-Nachwuchs-Organisation, Dennis Meisberger: Für ehrenamtliche Helfer "ist eine solche Nacht- und Nebelaktion, bei der es scheinbar vorher keine Kommunikation mit den Betreuern gab, ein Schlag ins Gesicht". Bestürzt reagierte der Oberthaler Landtagsabgeordnete Hermann Scharf (CDU ). Ihm sei die juristisch schwierige Lage durchaus bewusst. Aber der Groniger Fall bleibe "menschlich ein Schock". Scharf, der sich mit seiner Parlamentskollegin Ruth Meyer (CDU ) für syrische Flüchtlinge stark macht, forderte, dass es "zu einer Überprüfung kommen muss".

Das sei zurzeit der Fall, wie am Donnerstag Katrin Thomas, Pressesprecherin des Innenministeriums, bestätigte. Dabei gehe es auch um die Heiratsurkunde, die zuerst übersetzt werden müsse.

Meinung:

Gefühllos Gesetze befolgt

Von SZ-Redakteur Matthias Zimmermann

Es muss Gesetze für ein geordnetes Miteinander geben. Sonst würde Willkür eine Gesellschaft prägen. Doch Vereinbarungen lassen Spielräume, Interpretationsmöglichkeiten zu, um Härtefälle abzuwehren. Im konkreten Fall der nächtlichen Abschiebung eines Menschen, der vor Krieg und Verfolgung geflohen ist, wurde gedankenlos gehandelt. Da war der reine, nüchterne Paragraf ausschlaggebend. Das hat das Vertrauen zwischen Flüchtlingen und Betreuern zerstört. Noch dramatischer wäre, sollte sich herausstellen, dass Behörden gegen Gesetze verstießen. Im Sinne des Flüchtlings muss rasch sein Fall überprüft werden. Nicht erst in Wochen.

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