Mit Spannung den Römern nachgespürt

Nonnweiler · Osamah Al-Saadi möchte mithelfen, die Zerstörungen in seiner Heimat durch islamistische Terrormilizen zu beseitigen. Dafür eignet er sich in Deutschland Spezialwissen an. Davon profitiert auch das Saarland.

 Mit Hilfe dieses Steuergerätes durchleuchten die Wissenschaftler den Boden auf der Suche nach Mauerresten eines Gebäudes aus der Römerzeit. Fotos: B&K

Mit Hilfe dieses Steuergerätes durchleuchten die Wissenschaftler den Boden auf der Suche nach Mauerresten eines Gebäudes aus der Römerzeit. Fotos: B&K

Traumhaft schön lag der Gutshof einst auf dem sonnenbeschienenen Hochplateau oberhalb der Prims. Noch heute ist die Aussicht auf der Flur Spillert bei Nonnweiler fantastisch. Wenngleich inzwischen die nahe Autobahn A 1 die Landschaftsästhetik beeinträchtigt. Darüber hinaus hat es Nieselregen statt Sonnenschein. Und noch etwas ist anders: Ließ der Betrachter zur Römerzeit seinen Blick womöglich von einer zum Gutshof gehörenden Terrasse ins Tal wandern, steht er heute auf einer schlichten Kuhweide. So wie der Iraker Osamah Al-Saadi an diesem Morgen. Für einen Blick über die Landschaft ist er zu beschäftigt. Sein Interesse gilt der Tiefe.

Von der Ansiedlung aus der Römerzeit ist gute 1700 Jahre später nichts übrig. Oberirdisch. Ein paar Zentimeter unterhalb der Graswurzel sind aber noch immer Mauerreste des einstigen Gehöfts zu finden. Die macht derzeit ein dreiköpfiges Team des geophysikalischen Instituts der westfälischen Wilhelms-Universität Münster sichtbar. Auf dem Computermonitor, nicht im aufgegrabenen Erdreich. Die Kuhweide selbst bleibt, anders als bei den ersten Grabungen im Vorjahr auf dieser Flur, unversehrt. Wobei im November ohnehin kein Hornvieh mehr auf der Weide grast.

Al-Saadi leitet die wissenschaftliche Exkursion, die gummibestiefelt und in roten, hell- oder auch dunkelblauen Regenmänteln über die Wiese stapft. Zwei Studenten der Geophysik , Laura Maria Schmidt und Dominik Harpering, begleiten den Wissenschaftler aus dem Irak, der Ohrenschützer, Handschuhe und eine dicke Wollmütze trägt. In seiner Heimat sind es jetzt 20 Grad und mehr, während die Quecksilbersäule in Nonnweiler nur mit Mühe über den Gefrierpunkt klettert. Ein nahe dem Boden aufgespannter Schirm schützt einen Metallkasten vor dem sanften Nieselregen.

Besuch von der Uni Bagdad

Vom Kasten aus laufen orangefarbene Kabel zu acht schmalen, weißen Plastikleisten mit je sechs Sensoren . Mit ihren roten Griffen sehen diese wie große Schraubenzieher aus. Alle 48 Sensoren sind mit dem Metallkasten verkabelt und im Abstand von je 25 Zentimetern gleichmäßig angeordnet. Wie der von der Uni Bagdad entsandte Doktorand Al-Saadi erklärt, handelt es sich bei dem beschirmten Ding um ein Steuergerät. Das wiederum sendet über die Sensoren Stromstöße in den Boden. Und es zeichnet auf, was an anderer Stelle von dem eingeleiteten Strom ankommt. Stück für Stück leuchten die drei Wissenschaftler so den historischen Grund und Boden durch.

Seit zwei Jahren ist Al-Saadi nun in Deutschland, um an der Uni Münster zu promovieren. Geophysik ist sein Fachgebiet. Genauer gesagt erforscht er die physikalischen Eigenschaften der Erdkruste - in Nonnweiler mittels Geoelektrik, also durch das Messen von elektrischer Spannung und Stromstärke an der Erdoberfläche. Bis 2018 will er seine Doktorarbeit beendet haben und in seine Heimat zurückkehren.

Im Irak möchte er mit dem Wissen, das er sich im Saarland und an der Uni Münster angeeignet hat, beim Wiederaufbau helfen. "Die Terroristen haben im Irak sehr vieles zerstört", berichtet der Geowissenschaftler, "sie wollten unsere Kultur zerstören und alle kulturellen Dinge, alle guten Dinge. Aber ich hoffe, dass deren Zeit nun bald zu Ende sein wird", setzt der 37-Jährige auf die derzeit laufende Offensive der irakischen Armee im Norden seiner Heimat . "Wir wollen doch nur in Frieden und in Sicherheit leben."

So wie wohl die meisten Menschen - auch die Kelten zu ihrer Zeit. Doch da waren die Römer vor, deren bauliche Überreste noch heute vielerorts in der saarländischen Scholle zu finden sind. Mehr als 385 Funde gibt es allein rund um den Hunnenring.

"Im Gallischen Krieg hatten die Kelten etwa eine Million Opfer zu beklagen", erzählt Thomas Fritsch, leitender Archäologe der Grabungsgesellschaft Terrex, von der Eroberung des Keltengebietes durch den späteren Alleinherrscher Julius Caesar . Acht Kilometer rund um den Ringwall Otzenhausen misst der Radius, innerhalb dessen die Terrex nach Überresten untergegangener Kulturen sucht - nach keltischen, römischen sowie gallo-römischen. Das, was Al-Saadi und seine Helfer jetzt erforschen, fließt in die Arbeit der Terrex ein. "Das liefert uns wichtige Anhaltspunkte, wo sich weitere Grabungen lohnen. Und das spart uns enorme Kosten und Arbeit", sagt Fritsch.

Gewinn für alle Seiten

 Osamah Al-Saadi beobachtet eingehende Daten. Er hofft, dass die Technologie, in Nonnweiler zu archäologischen Zwecken eingesetzt, in seiner Heimat helfen kann, Überreste von Terroristen zerstörter Kulturgüter aufzuspüren. Hinten: die Studenten Laura Maria Schmidt (links) und Dominik Harpering.

Osamah Al-Saadi beobachtet eingehende Daten. Er hofft, dass die Technologie, in Nonnweiler zu archäologischen Zwecken eingesetzt, in seiner Heimat helfen kann, Überreste von Terroristen zerstörter Kulturgüter aufzuspüren. Hinten: die Studenten Laura Maria Schmidt (links) und Dominik Harpering.

Bis zum Ende der Woche sind der Iraker und seine Studenten noch im Saarland, dann geht es zurück nach Münster. "Dort werden sie die zigtausend Messdaten durch den Computer jagen und wir werden sehen, was sie zutage gefördert haben", berichtet Fritsch von einer Win-Win-Win-Situation. Denn es gibt drei Profiteure: Die Terrex bekommt wichtige Erkenntnisse frei Haus geliefert. Die Geophysiker um Al-Saadi lernen ihre Geräte für archäologische Arbeiten zu nutzen und der Irak selbst wird von dem Wissen, das sich der Familienvater hier aneignet, spätestens ab 2018 profitieren - wenn er helfen wird, die von Terroristen zerstörten archäologischen Schätze wieder aufzupolieren.

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