Wenn Steine Geschichten erzählen

Nonnweiler · Sie arbeiten Hand in Hand. Sie bringen Informationen ans Tageslicht. Informationen über eine römische Siedlung auf einer Primsterrasse. Besuch beim ersten internationalen Grabungs camp in Nonnweiler.

Flammen schlagen aus den Fenstern und dem Dach. Das Gebäude brennt lichterloh. Plötzlich kracht es zusammen. Die Menschen, die auf der Primsterrasse gelebt und gearbeitet haben, verlieren auf einen Schlag ihr Hab und Gut. Zurück bleibt die Ruine eines römischen Gutshofes.

Gut 1700 Jahre später: Vorsichtig kratzen Ausgräber die Erde von Steinen, fegen die Krümel mit einem Handbesen in eine Schaufel. Sie suchen seit Montag nach den Überresten der Siedlung auf der Primsterrasse auf der Gemarkung Spillert in Nonnweiler . Und sind direkt fündig geworden.

Schon am dritten Tag der Grabung steht für den Archäologen Michael Koch fest: Hier stand im 3. Jahrhundert nach Christus ein römisches Gebäude, vermutlich ein Bauernhof, der durch einen Brand zerstört wurde. Darauf weisen Holzkohlenstücke hin, aber auch Steine, Nägel und Ziegelreste mit Brandspuren. Alles Funde der ersten beiden Ausgrabungstage.

Funde, die die 18 Teilnehmer des ersten internationalen Grabungscamps zur Archäologie am Nationalpark Hunsrück-Hochwald aus dem Boden geholt haben. Zwei Wochen lang graben die Freiwilligen in der Flur Spillert. Sie übernachten in Zelten auf dem Gelände des Hochwälder Tennisclubs. Veranstalter des Camps sind die gemeinnützige Grabungsgesellschaft Terrex und die Europäische Akademie Otzenhausen. Betreut werden die Ausgräber von den beiden Archäologen Thomas Fritsch und Michael Koch. Die Teilnehmer kommen aus ganz Deutschland und Luxemburg. Unter ihnen sind Archäologen , Studenten und interessierte Laien.

Fritsch und Koch stellten gestern einer Besuchergruppe, angeführt von Bildungsminister Ulrich Commerçon , das Grabungscamp vor.

380 Fundstellen aus der Kelten- und Römerzeit gibt es in einem Umkreis von nur acht Kilometern um den Hunnenring, der größten Festung der Kelten überhaupt, sagte Fritsch. Eine davon liege auf Spillert auf einem kleinen Plateau oberhalb des Primstales. Dabei handele es sich vermutlich um einen Gutshof, auf dem Landwirtschaft und Viehzucht betrieben wurde. In der Region habe es ein Netz von solchen Höfen gegeben.

Drei Pavillonzelte spenden auf der bisherigen Ausgrabungsfläche auf einer Wiese am Waldrand Schatten. Direkt unter der Grasnarbe haben die Ausgräber viele Steine gefunden, bearbeitete und unbearbeitete, aber auch Ziegel- und Schieferstücke. Zeugen des Einsturzes des Hauses. Dazwischen Nägel, Keramikscheiben, ein Stück eines Mühlsteines aus Eifeler Basalt, Rötelsteine, sogar einen kleinen Bergkristall. Und Mauerfundamente.

Der Ausgrabung vorausgegangen war eine geomagnetische Vermessung des Geländes durch das geophysikalische Instituts der Universität Münster. Diese ergab konkrete Hinweise, wo die Forscher graben müssen.

In den kommenden Tagen arbeiten sich die Ausgräber weiter in die Tiefe vor, verbreitern aber auch die Fläche: "In der Hoffnung, was Schönes zu finden", so Michael Koch.

Und auch um mehr über das Leben der Menschen rund um die Festungsanlage zu erfahren, so Thomas Fritsch. Seien es die Kelten , die Römer oder auch die Zeiten des Übergangs beider Epochen.

Unterstützt wird das Camp in Nonnweiler auch durch den Tennisclub Hochwald und den Freundeskreis keltischer Ringwall sowie die Gemeinde Nonnweiler . "Das Grabungscamp bringt Laien und Archäologen zusammen", unterstreicht Michael Koch ein weiteres Ziel des Projektes. Im kommenden Jahr plane man parallel ein Grabungscamp in Luxemburg und in Nonnweiler .

Vor einigen Wochen grub er noch in der Ägäis, , heute gräbt er in Nonnweiler . Stefan Müller, 26, aus Rappweiler ist einer von 18 Teilnehmern des zweiwöchigen internationalen Grabungscamps. Er hat klassische Archäologie und Ägyptologie in Trier studiert und ist jetzt Doktorand in Heidelberg. Zu dem Projekt in Nonnweiler kam er zufällig: "Michael Koch, Projektleiter der Europäischen Akademie in Otzenhausen, war mein erster Leiter damals bei einem Projekt. Durch den Kontakt hat es sich jetzt zufällig ergeben, bei diesem Camp mitzumachen." Auch wenn von insgesamt zwei Wochen erst zwei Tage vergangen sind, haben die Helfer schon erste Entdeckungen gemacht. "Wir sind noch ganz am Anfang. Bis jetzt haben wir kleinere Ziegel- und Keramikfunde zu verzeichnen und konnten erste Teile einer Mauer freilegen", erklärt Müller.

Auch Désirée Joerg, 24, aus Monzelfeld ist begeistert von dem Camp. "Die Ausgrabungen sind sehr spannend. Das Wichtigste ist die Praxiserfahrung, die man hier als Student sammeln kann", so Joerg. Studiert hat sie in Trier. Nachdem sie ihren Bachelor im Bereich Antike Welt abgelegt hat, studiert Joerg klassische Archäologie sowie Geschichte. Sie hat schon an einem Ausgrabungsprojekt in Xanten teilgenommen. Für ihre weitere Zukunft strebt sie wie Müller eine Promotion an. "Was nach dem Studium genau passiert, kann man nicht so genau sagen, von einem Job im Museum bis zur Leitung eines eigenen Projektes ist alles möglich. Eine Promotion sollte man allerdings auf jeden Fall anstreben."

Die 20-jährige Julia Becker aus Aachen hat Archäologie in Köln studiert: "In den ersten Tagen haben wir schon vielversprechende Funde gemacht." Wie die anderen Studenten nimmt sie vor allem wegen der Praxiserfahrung während des Studiums am Camp teil und das die gesamten zwei Wochen.

Neben Studenten , sind aber auch Laien bei den Ausgrabungen mit von der Partie. So zum Beispiel Mark Westfall, 52, aus Offenbach, für den eine solche Ausgrabung eine Premiere ist. Aufmerksam auf das Camp wurde er über eine Facebookgruppe. Mit der Teilnahme hat er sich einen Wunsch erfüllt: "Ich habe mich schon immer sehr für solche Projekte interessiert und auch immer schon viel gelesen. Nach diesen zwei Tagen kann ich nur sagen, dass es sich absolut gelohnt hat. Es ist schon anstrengend, man merkt abends natürlich, dass man den ganzen Tag etwas gemacht hat, aber das ist es wert." Nicht alle Bewerber konnten sich glücklich schätzen, teilnehmen zu dürfen. So gibt es eine Warteliste, da die zu bearbeitende Fläche nicht mehr als 18 Leute gleichzeitig zulässt.

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