Schlaflos in Eiweiler

Eiweiler · Ein Einsatz – zwei Perspektiven. SZ-Redakteurin Sarah Konrad wohnt in Eiweiler und wurde Donnerstagnacht von Blaulicht aus den Träumen gerissen. Sie schildert hier, was sie erlebte. Während flüchtige Einbrecher der einen Journalistin den Schlaf raubten, sorgten sie bei SZ-Redakteurin Evelyn Schneider am Freitagmorgen für einen Adrenalinschub.

Großeinsatz der Polizei in Eiweiler . Der hält nicht nur die Einsatzkräfte, sondern auch Journalisten in Atem.

{rahkv} 5.10 Uhr : Drei Schüsse. Sirenen. Selbst im Halbschlaf war mir klar, was das bedeutet: eine Schießerei. In Eiweiler . Wie Bugs Bunny springe ich aus dem Bett, stürme zur Haustür, renne im Schlabba-Schlafanzug auf die Straße. Blaulicht blinkt zwischen den Bäumen auf der gegenüberliegenden Straßenseite hindurch. "Was da wohl los ist?", frage ich meinen Freund, der mir nachgelaufen ist. Wir lauschen. Stimmen schallen durch die Nacht. Sekunden später ist es wieder ruhig. Verdammt ruhig. Wie immer in Eiweiler . "Das ist in der Nähe der Wirtschaft, etwas weiter rechts. In der Kurve", vermute ich. Wir lauschen weiter. Plötzlich raschelt es im Gebüsch. Eine Katze springt auf die Straße. "Da kommt jemand den Hang hoch. Lass uns reingehen", sagt mein Freund. Auf gar keinen Fall. "Ne, jetzt lass mich doch mal gucken", antworte ich. Wir stehen noch eine Weile da. Es passiert nix.

{rahkv} 8 Uhr : Vom rasanten Aufstehen in Bugs-Bunny-Manier ist nichts mehr übrig. Ich quäle mich aus dem Bett, schlendere in die Küche und gucke aus dem Fenster. Ein Polizeiauto fährt vorbei. Über dem Wald zwischen Eiweiler und Selbach kreist ein Hubschrauber . Ich zücke mein Handy, schnell ein Bild machen. Kann ich vielleicht noch gebrauchen.

{rahkv} 8.30 Uhr : Bling, eine Nachricht von meinem Freund auf dem Handy: "Gerade im Radio gehört. Die Polizei jagt Einbrecher. Die sind heute Nacht in den Wald von Eiweiler geflüchtet. Deshalb hat's da geraschelt. Das waren die Räuber. Garantiert." Was??? Ich kann's kaum fassen. Das bedeutet, ich hätte vergangene Nacht um ein Haar zwei Schwerverbrecher geschnappt. Ich stelle mir vor, wie die Täter den Hang hochkraxeln, ich sie überwältige, der Polizei abliefere und live im Fernseh-Interview von meiner Heldentat berichte. Ein traumhafter Gedanke - bis mir mein Schlabba-Schlafanzug einfällt. Darin hätte ich garantiert keine gute Figur gemacht. Ich sehe mich im weißen, weiten T-Shirt und einer kurzen Fußball-Trikot-Hose vor der Kamera stehen. In dem Moment wird mir klar: Gott sei Dank sind mir die Ganoven entwischt.

{rahkv} 8.45 Uhr: Schnell noch die Tasche geschnappt. Dann geht's los. Der Wechsel von Spät- auf Frühdienst ist immer etwas nervig. Der Wechsel von Sonne auf Grau-in-Grau an diesem Morgen irgendwie deprimierend. Hilft nicht gerade beim Wachwerden. Ich steige ins Auto, starte den Motor. Aus dem Lautsprecher ertönt ein fröhlich klingender Reggae-Beat. Passt nicht, denke ich. Und schalte von CD auf Radio um. "Derzeit läuft die Fahndung bei Eiweiler ", "zwei Täter flüchtig", höre ich Fetzen einer Meldung. Schlagartig bin ich wach. Trete das Gaspedal durch und fahre los. Aber wohin? Gleich nach Eiweiler oder zuerst in die Redaktion? Entscheide mich für letzteres. In Gedanken spiele ich schon mal den Ablauf durch: Polizei anrufen, Fotografen rausschicken, Leser über Facebook informieren. Und das alles möglichst flott, denn 9.30 Uhr steht im Terminkalender ein erstes Telefoninterview. Eigentlich.

{rahkv} 9.39 Uhr: Meine Kollegin Melanie Mai betritt die Redaktion. Ihr "Guten Morgen" verhallt erstmal ohne eine Reaktion von mir im Raum. Denn mein Telefon klingelt - endlich! Es ist Georg Himbert , Pressesprecher des Landespolizeipräsidiums. Er ist an diesem Vormittag sehr gefragt. Seine Nummer dauerbesetzt. Doch jetzt hat er Zeit für meine Fragen. Was ist passiert? Ich erfahre von dem Einbruch in einen Supermarkt Donnerstagnacht gegen 3 Uhr in Wiesbach. Es gibt drei Täter. Zeugen benachrichtigen die Polizei . Beamte nehmen sofort die Verfolgung der Flüchtigen auf. Die fahren mit einem Geländewagen Typ Audi Q 7 zunächst auf die Autobahn. Diese verlassen sie dann in Richtung Eiweiler . Dort können die Polizisten den Wagen stoppen. Die drei Männer verlassen das Fahrzeug. Einer läuft unmittelbar vor einen Polizeiwagen, wird angefahren und dabei leicht verletzt. Den 39-Jährigen nehmen die Beamten fest. Seine Komplizen rennen in den Wald. Das ist der Beginn einer Großfahndung. Warnschüsse fallen. Polizisten, Hundestaffel und ein Hubschrauber der Polizei in Rheinland-Pfalz suchen das Gebiet ab, während ich mit Georg Himbert telefoniere. Der Polizeisprecher berichtet von einer Einbruchs-Serie im Großraum Illingen. Dort seien Einkaufsmärkte, Tabakläden und Tankstellen überfallen worden. Beute der Diebe: Zigaretten . Der Einbruch in Wiesbach, knapp sieben Kilometer von Illingen entfernt, könnte in diese Serie passen.

Kaum den Hörer aufgelegt, haue ich in die Tasten. Die 40 Zeilen schreiben sich wie von selbst. Schnell online stellen und schon sind unsere Leser erstmal informiert. Das nächste Thema steht an. Meine Kollegin Melanie stellt eine Tasse Tee neben meine Tastatur und lächelt. Ich nehme einen Schluck und atme durch.

{rahkv} 11.15 Uhr: Immer wieder werfe ich einen Blick auf die Facebook-Seite der Polizei Saarland. Ein neuer Post informiert über das Ende der Großaktion in Eiweiler . Das meldet auch SZ-Fotograf Josef Bonenberger, der im Nohfelder Ortsteil unterwegs ist. Kein Hubschrauber mehr in der Luft, vereinzelt Streifenwagen.

{rahkv} 14 Uhr: Erneutes Telefonat mit Polizeisprecher Georg Himbert . Er erklärt, weshalb der Großeinsatz beendet wurde. Der Hubschrauber , ausgestattet mit einer Wärmebildkamera, habe beim Überfliegen des Waldstücks keine Personen wahrnehmen können. Hier ist der Einsatz zu Ende, Fahndung und Ermittlungen laufen aber weiter. Wie Himbert berichtet, wird der Audi auf Spuren hin untersucht. Im Kofferraum wurden drei Säcke voll mit Zigaretten gefunden. Die stammen aus dem Wiesbacher Supermarkt. 15 Taten gehen seit April wohl auf das Konto des Einbrecher-Trios. Der 39-jährige Täter, den die Polizei verhaften konnte, ist nach Auskunft von Himbert noch im Krankenhaus. Er muss behandelt werden. Noch in der Klinik werde er vernommen.

{rahkv} 16 Uhr: Absprache mit dem Kollegen in Saarbrücken. Auswahl der Fotos. Und die Frage im Raum: Passiert noch was bis Redaktionsschluss?

{rahkv} 18.30 Uhr: Mit gemischten Gefühlen verlasse ich die Redaktion. Der Spätdienst hält die Stellung. Montag bin ich wieder im Dienst. Ob die Täter bis dahin gefasst sind?

{rahkv} 19 Uhr : Feierabend. Jetzt geht's heim nach Eiweiler . Was mich dort wohl erwartet? Die Täter sind weiterhin auf der Flucht. Meine Chancen stehen also gar nicht so schlecht, doch noch zur Heldin zu werden. Heute Abend ziehe ich jedenfalls den guten Schlafanzug an. Nur zur Sicherheit... <

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