Nur 40 Cent im Jahr vertelefoniert

Hirstein · Mobiltelefone machen ihm den Garaus: dem öffentlichen Fernsprecher. Darum fristen viele von ihnen über Jahre ein fast ungenutztes Dasein. Deshalb verschwinden sie sukzessive. Auch im St. Wendeler Land.

 Das Münztelefon an dieser Haltestelle in Hirstein ist verschwunden. Damit kann auch Michelle Bonenberger von hier aus nicht mehr anrufen. Foto: Bonenberger & Klos

Das Münztelefon an dieser Haltestelle in Hirstein ist verschwunden. Damit kann auch Michelle Bonenberger von hier aus nicht mehr anrufen. Foto: Bonenberger & Klos

Foto: Bonenberger & Klos

Es ist kein neues Phänomen, und den meisten wird's kaum auffallen. Geschweige denn werden sie den silberfarbenen Kasten mit Ziffern vermissen, wenn er verschwindet. Denn wer kramt noch im Portmonee Münzen zum Vorschein, um sie im Apparatschlitz zu versenken? Oder greift nach einer Karte, um das öffentliche Gerät in Gang zu bringen?

Telefonzellen haben an den meisten Orten ausgedient. Das Mobiltelefon kratzt vehement an deren Existenzberechtigung. Wegen rapide gesunkener Tarife sind Handys allgegenwärtig und praktisch. Selbst wenn kein Guthaben mehr vorhanden ist: Der Notruf ist von Gesetzes wegen frei.

Keine Telefonzelle mehr

So trifft es weitere Standorte des offensichtlichen Auslaufmodells: In Hirstein stand bis vor wenigen Tagen noch der Kasten mit pinkfarbenem Hörer an der Haltestelle. Nun ist er weg. George-Stephen McKinney von der Pressestelle der Deutschen Telekom hatte angekündigt, dass sein Unternehmen das Telefon bis Jahresmitte abbaut. Die Demontage ging schneller vonstatten. "Die Zustimmung der Kommune dazu liegt uns schriftlich vor." Damit erteilte die Gemeinde Namborn ihren Segen.

In ganz Namborn gibt es keine Telefonzelle mehr, heißt es aus dem Rathaus. Die letzten öffentlichen Telefone standen in Baltersweiler, Furschweiler, Hofeld-Mauschbach und eben in Hirstein . Doch laut Telekom-Sprecher McKinney hatte deren Betrieb längst nichts mehr mit Wirtschaftlichkeit zu tun. McKinney: "Die Telekom darf Städte und Gemeinden wegen eines Abbaus ansprechen, wenn auf deren Gebiet extrem unwirtschaftliche öffentliche Fernsprecher mit einem Umsatz von weniger als 50 Euro im Monat stehen." In Hirstein waren's zuletzt 40 Cent - im Jahr. Für den Telekom-Sprecher ein "klares Indiz dafür, dass der Wunsch der Bevölkerung auf Grundversorgung an dieser Stelle nicht mehr besteht".

Geräte an Bahnhöfen rentabel

Der einstige Monopolist führe keine Regionaldaten, wo zurzeit im St. Wendeler Land Münz- oder Kartenfernsprecher im Einsatz sind. Bundesweit seien es rund 30 000. Durch Strom, Standortmiete, Wartung entstünden Kosten. Allein für die Reparatur wegen Schäden durch Zerstörungswütige gebe das Unternehmen jährlich eine Million Euro aus. Ein Vergleich: Nach Telekom-Angaben verfüge jeder Bürger über mehr als ein Mobiltelefon.

Dennoch werde es in absehbarer Zeit öffentliche Telefone geben, wo sich die Geräte tragen, beispielsweise an Bahnhöfen, Flughäfen und Messegeländen. Zu diesen Orten zählt Namborn nicht, weswegen die Gemeinde nun Niemandsland in Sachen Telefonzelle ist. >

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 Ganz altes Modell: Schick der 70er. Diese Zellen sind längst weg. Archivfoto: dpa

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Stichwort Erinnerungen an den öffentlichen Münzfernsprecher: Die St. Wendeler Zeitung sucht Geschichten ihrer Leser, die sie mit Telefonzellen verbinden. Aus dem Urlaub, daheim ohne eigenen Anschluss, wenn das Kleingeld nicht reichte und das Gespräch mit der Freundin mittendrin gekappt wurde. Oder auch Erlebnisse mit dem Festnetz zuhause: Stand die Familie adrett daneben, wenn Frischverliebte auf Distanz via Leitung miteinander säuselten? Die Redaktion freut sich auf Zuschriften, eventuell auch auf Bilder. Wer telefoniert mit Wählscheibe? Gibt's das überhaupt noch? Zuschriften: Saarbrücker Zeitung, Mia-Münster-Straße 8, 66606 St. Wendel; Fax: (0 68 51) 9 39 69 59; E-Mail: redwnd@sz-sb.de; Internet ist auch möglich. hgn facebook.com/saarbrueckerzeitung.wnd

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