Damit das Leben mit künstlichem Darmausgang kein Tabu bleibt

St Wendel · In Deutschland leben 160 000 Menschen mit einem künstlichem Darmausgang – für viele ein Tabuthema. Das Internetportal Stoma-Welt bietet Unterstützung und Rat für Betroffene und Angehörige. In St. Wendel trifft sich jeden Monat eine Selbsthilfegruppe zum persönlichen Austausch.

 Stoma-Patienten tragen einen Beutel. Foto: Stoma-Welt

Stoma-Patienten tragen einen Beutel. Foto: Stoma-Welt

Foto: Stoma-Welt

Viele neue Gesichter haben sich beim Treffen der saarländischen Stoma-Selbsthilfegruppe im Café Journal in St. Wendel eingefunden. Es dauert nicht lange, bis das Eis gebrochen ist. "Für Menschen mit künstlichem Darmausgang ist es wichtig, sich mit anderen Leuten auszutauschen, die ihre Probleme kennen", sagt Stephan Dausend, Organisator der Treffen, die jeweils am ersten Montag des Monats, um 18 Uhr, stattfinden.

Dausend berichtet von seinen eigenen Erfahrungen vor dem chirurgischen Eingriff: "Nach vielen Jahren mit Schmerzen und Leidensdruck hatte ich mich schließlich für die Operation entschieden." Das Leben mit dem Beutel habe seine Lebensqualität deutlich erhöht. Der Umgang mit dem Stoma im Alltag bereitet vielen anfangs Sorgen. "Nach etwas Übung klappt der Wechsel des Beutels in drei Minuten. Heute sind das nur noch Peanuts für mich", sagt Michael, der seit elf Monaten mit dem Eingriff lebt. Er gehe offen damit um. Manchen fällt dies wegen der allgemeinen Unwissenheit schwer. Mareike (Name von der Redaktion geändert): "Ich habe seit 28 Jahren einen künstlichen Darmausgang. Das war mein Lebensretter. Ich sehe es nicht als Schwäche an, aber das ist meine persönliche Sache." Ihr sei es wichtig, nicht als krank abgestempelt zu werden.

Außer Achtsamkeit bei schwerem Heben sorge der künstliche Darmausgang für keinerlei Einschränkungen in alltäglichen Situationen. Dausend: "Unter der Kleidung ist der Beutel nicht zu sehen. Auch Schwimmen ist kein Problem." Da die Tätigkeit des Darms nicht gesteuert werden kann, habe er stets einen Ersatzbeutel zum Wechseln dabei.

Die Selbsthilfegruppe ist aus dem Internetportal Stoma-Welt hervorgegangen. Dort können sich Betroffene, Angehörige und Interessierte über des Leben mit dem künstlichen Darmausgang informieren. Christian Limpert, Mitbegründer der Stoma-Welt, über die Beweggründe das Portal ins Netz zu stellen: "Wir gründeten die Stoma-Welt im Jahr 2000, weil es damals im deutschsprachigen Internet kaum Informationen über den künstlichen Darmausgang gab." 2003 kam für den direkten Austausch ein Forum hinzu, dessen offener Bereich für alle zugänglich ist. "Es häuften sich die Mails mit konkreten Fragen. Damit alle beantwortet werden konnten, stellten wir das Forum online. Das Angebot stößt seither auf großes Interesse," berichtet Limpert. Es fördere die aktive Teilnahme, da die Diskussion via Internet , über das immer noch mit einem Tabu behaftete Thema, wenig Überwindung koste. Nutzer können sich mit einer kostenlosen und anonymen Registrierung anmelden. Sie erhalten damit auch Zugang zum geschlossenen Bereich, der zum Austausch privater Fragen dient und wo sich die Mitglieder auch persönlich vorstellen können. Für den direkten Kontakt gibt es neben der St. Wendeler Selbsthilfegruppe auch Treffen in Aachen, Dierdorf , Frankfurt-Hoechst und demnächst in Hamburg.

Um eine breitere Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen und die Akzeptanz zu fördern wurde im Mai die Aktion "100 Tage - 100 Momente" gestartet. Bis Ende Juli wird auf dieser Internetseite täglich ein Bild von Stoma-Trägern in alltäglichen Situationen hochgeladen. Da bislang so viele Fotos eingegangen sind sei geplant, die Aktion nach den 100 Tagen in unregelmäßiger Form weiterzuführen. Limpert: "Wir wollen damit darstellen, dass unser Leben mit dem Beutel vor dem Bauch kein großes Ding darstellt."

St. Wendeler Stoma-Selbsthilfegruppe, Stephan Dausend, Mobil (01 57) 7 746 77 79, E-Mail: shg-st.wendel@stoma-welt.de; Stoma-Welt, kostenlose Telefonnummer (08 00) 2 00 32 01 05

stoma-welt.de

100-tage-100-momente.de

Zum Thema:

Auf einen BlickDas Wort Stoma stammt aus dem Griechischen und bedeutet künstlich geschaffener Spalt, umgangssprachlich auch Seitenausgang genannt. Es dient der Ausleitung von Ausscheidungen, die in einem Beutel auf der Bauchdecke gesammelt werden. Krebserkrankungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn oder Unfälle können Ursachen dafür sein, warum ein künstlicher Darmausgang gelegt werden muss. Manchen Patienten müssen operativ große Teile von Dick- oder Dünndarm entfernt werden; im Falle einer CED ist es oftmals möglich, das Stoma nach Heilung der Krankheit wieder zu schließen. ame

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