Babylon ist heute in Oberkirchen

Oberkirchen · Das alte Babylon soll heute Abend auf dem Festplatz in Oberkirchen zu neuem Leben erweckt werden. Dort spielt ab 20 Uhr die Festspieloper Prag Verdis Oper „Nabucco“ unter freiem Himmel.

Nein, Oberkirchen ist nicht der kleinste Ort ihrer Tournee. Da widerspricht Melinda Thompson, die künstlerische Leiterin der Tour-Produktion von Verdis "Nabucco" heftig. "Wir spielen oft in kleinen Orten, wo es eine schöne Umgebung gibt", erzählt sie. Ein historischer Platz, eine Burg, ein Schloss - "dann kommen die Leute von überall her". Und was ist die Attraktion in Oberkirchen? "Die Talbrücke ist vom Festplatz aus zu sehen", sagt Freisens Bürgermeister Karl-Josef Scheer auf SZ-Nachfrage. Und Thompson scherzt: "Vielleicht haben wir dort mal keine Konkurrenz von Burgen und Schlössern, dann sind wir ganz allein die Attraktion." Sie selbst kenne die Gegebenheiten in Oberkirchen nicht, aber sie verlasse sich ganz auf Heike Betz, den örtlichen Veranstalter: "Sie ist seit Jahren unser Partner, sie weiß, was sie tut."

Bei den mehr als 90 Akteuren handelt es sich um Darsteller aus den großen Opern der Tschechischen Republik. Im Sommer haben diese frei, sagt Thompson: "Dann nehmen wir die Crème de la Crème und gehen mit ihnen auf Tour." Große Namen seien nicht dabei, aber großartige Sänger: "Sie sind zufrieden mit ihrer Arbeit, wollen keine Weltkarriere machen."

Die Festspieloper hat also kein festes Opernhaus. Meist spielt sie populäre Opern: "Jeder kennt den Namen Nabucco." Das sei ein großer Vorteil, um nicht nur eingefleischte Opernfans zur Veranstaltung zu locken. Ein Open-Air sei ein guter Einstieg: "Leute, die sich nicht ins Theater trauen, werden zu Fans." Die Atmosphäre sei lockerer, es gehe zum großen Teil auch ums gesellschaftliche Ereignis, nicht nur um die Musik. Aber auch die Musik sei natürlich erstklassig, sagt Thompson. "Nabucco", eine "Oper über Macht und Machtgelüste", habe weit mehr zu bieten als nur den Gefangenenchor, der im dritten Akt in der zweiten Hälfte aufgeführt wird. Vor allem die "tollen Arien" hebt sie hervor. Diese habe Verdi speziell für eine Sopranistin geschrieben, die später seine Frau wurde. "Ich hätte ihn gehauen, nicht geheiratet bei einer so schwierigen Rolle", sagt dazu die ausgebildete Opernsängerin, die unter anderem als Christine im "Phantom der Oper" auf der Bühne stand.

Gesungen wird in italienischer Sprache. Thompson rät den Besuchern - übrigens jeder Oper -, sich vorzubereiten. "Die Macht liegt in der Musik", da würden Ober- oder Untertitel nur dem Erlebnis schaden. Zumal die Texte, gerade bei "Nabucco", oft sehr banal seien. Wer sich noch vor Ort informieren will, dem empfiehlt sie einen Blick ins umfangreiche Programmheft.

Um Oberkirchen am heutigen Freitag ins alte Babylon zu verwandeln, bedarf es einer logistischen Meisterleistung. "Das sind Künstler", sagt Thompson in Richtung der Techniker, die mit einem Sattelschlepper heute Morgen anreisen. "Sie fangen um 8 Uhr auf einem leeren Platz an, bauen ein Theater auf, stellen die Stühle, reißen dann die Karten ab, und um 2 Uhr nachts ist der Platz besenrein." Sie schlafen dann im Nachtbus, und am nächsten Tag machen sie das Gleiche woanders. Die Künstler kommen dann gegen 17 Uhr, machen noch eine kurze Tonprobe und fahren nach der Show ins Hotel irgendwo auf der Strecke zum nächsten Tournee-Ort und schlafen aus.

In Oberkirchen erwarten sie laut Wetterbericht 26 Grad und Sonnenschein - perfektes Wetter für ein Open-Air. Dazu Thompson: "Das hat Oberkirchen für uns gemacht. Dafür danke."

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