Gute Zahlen dank Pizza und Medizin

Kreisreport 2014 · Der Kreisreport der Arbeitskammer des Saarlandes hat jede Menge Lob und ein wenig Kritik für den Landkreis St. Wendel parat.

 Pizza wird gerne gegessen. Das kommt auch dem Arbeitsmarkt im Landkreis St. Wendel zugute. Foto: Archiv/Dia-saar-de

Pizza wird gerne gegessen. Das kommt auch dem Arbeitsmarkt im Landkreis St. Wendel zugute. Foto: Archiv/Dia-saar-de

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 Der Landkreis rutscht in eine bessere touristische Zukunft, meint die Arbeitskammer. Foto: B&K

Der Landkreis rutscht in eine bessere touristische Zukunft, meint die Arbeitskammer. Foto: B&K

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Wir erläutern auf dieser Seite die wichtigsten Eckpunkte. Enormes Wirtschaftswachstum, geringe Arbeitslosigkeit - das sind die ganz großen Pluspunkte des Landkreises St. Wendel. Daher gibt der Kreisreport der Arbeitskammer dem Landkreis auch überdurchschnittlich gute Noten (wir berichteten). Die Arbeitskammer untersucht in diesem Kreisreport alle fünf Jahre die saarländischen Landkreise aus Sicht der Arbeitnehmer. Schwerpunkte waren in diesem Jahr der Arbeitsmarkt und die Geschlechter-Politik.

Während St. Wendel in Sachen Arbeitsmarkt eine Spitzenposition einnimmt - 4,1 Prozent ist die niedrigste Arbeitslosenquote im Land -, so schneidet der Landkreis in der Geschlechter-Politik schlechter ab. Denn auffällig sei laut Kreisreport die niedrige Anzahl an Vollzeitstellen für Frauen. Von den knapp 16 800 Arbeitsverhältnissen (ohne Beamte) der Frauen seien lediglich 36 Prozent Vollzeitstellen. Eine weitere erschreckende Zahl im Report: 40 Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiten unter der Niedriglohngrenze.

Die geringsten Löhne

Die niedrigen Löhne sieht der Kreisreport ebenfalls als Problem. In St. Wendel verdiene ein Arbeitnehmer im Schnitt 11,1 Prozent weniger als im Land. Der Landkreis habe damit die geringsten Löhne im Saarland. Landrat Udo Recktenwald betont allerdings, dass das "verfügbare Einkommen" dank niedriger Lebenshaltungskosten wesentlich höher sei. Horst Backes, der Geschäftsführer der Arbeitskammer, erhofft sich eine Verbesserung in dieser Hinsicht, sobald der Mindestlohn eingeführt ist.

Die Arbeitskammer kritisiert außerdem das "unterdurchschnittliche" Arbeitsplatzangebot im Landkreis und spricht von einer Arbeitsplatzdichte von 272 je 1000 Personen. Nur im Landkreis Neunkirchen sei das Niveau noch niedriger. "7400 mehr Berufsaus- als -einpendler weisen auf ein erhebliches Arbeitsplatzdefizit hin", heißt es im Report. Aber die Arbeitskammer sieht ein Licht am Ende des Tunnels: Die Beschäftigung habe sich in den vergangenen fünf Jahren sehr dynamisch entwickelt. Die Zahl der sozialversi cherungspflichtig Beschäftigten sei um 7,7 Prozent gestiegen. Dieser Wert sei doppelt so groß wie der gesamte Wert für das Saarland und der höchste unter den Kreisen.

Im Verarbeitenden Gewerbe arbeiten rund 30 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten - leicht überdurchschnittlich im Vergleich zum Saarland. In den vergangenen fünf Jahren sei die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich um 2,7 Prozent gestiegen. Die beschäftigungsstärksten Branchen seien die Medizintechnik und die Nahrungsmittelindustrie - dank der Unternehmen Fresenius in St. Wendel und Nestlé Wagner in Nonnweiler. In diesen beiden Firmen arbeiteten mehr als 40 Prozent aller Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe im Landkreis. Größere Beschäftigungsanteile gebe es noch in der Rüstungsindustrie und in der Branche "Herstellung von Metallerzeugnissen".

Viele Dienstleistungen

Mit rund 15 000 Beschäftigten habe der Dienstleistungssektor einen Anteil von 62 Prozent an allen Beschäftigten im Kreis. Diese Zahl sei in den vergangenen fünf Jahren um zehn Prozent gestiegen. Überdurchschnittliche Beschäftigungszuwächse habe es in den vergangenen fünf Jahren im Gastgewerbe gegeben. Das sei auch auf den im Juli eröffneten Ferienpark am Bostalsee zurückzuführen, auch wenn die meisten neuen Arbeitsplätze, die dort entstanden sind, noch nicht in die Statistik eingeflossen seien. Insgesamt verspricht sich die Arbeitskammer vom Ferienpark "starke Impulse für die Region".

Was die Qualität der Arbeitsplätze angeht, erwartet Horst Backes nicht nur Angebote im Niedriglohnbereich, sondern "sozialversicherungspflichtige, nach Tarifvertrag bezahlte Arbeitsplätze".

Bei insgesamt drei Arbeitnehmern gebe es rund 320 Stellen. Davon seien ein Drittel Vollzeit und ein Drittel Teilzeit (je sozialversicherungspflichtig). Bei einem weiteren Drittel handele es sich um Minijobs, überwiegend in der Gebäudereinigung. Das sei überwiegend darauf zurückzuführen, dass es lediglich zwei An- und Abreisetage bei Center-Parcs gebe, "dadurch kommen die Mitarbeiter nicht auf ihre Stundenzahl", sagt Backes. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass dort nicht nach Tarif gezahlt werde. Und auch Landrat Udo Recktenwald sagt: "Wir fordern die Einhaltung des Tariftreue-Gesetzes ein." Die "harten Gesundheitsfakten", wie es die Arbeitskammer ausdrückt, zeichnen folgendes Bild für den Landkreis St. Wendel: Die Lebenserwartung beträgt für Frauen 81,3 Jahre, für Männer 76,8 Jahre. Die Krankheitszeiten sind vergleichweise hoch; sie liegen zehn Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Hier liege ein auffälliger Diagnose-Schwerpunkt bei den Verletzungen, die einen Höchststand für das Saarland erreichten.

Während die Zahl der Renten wegen verminderter Erwerbstätigkeit auf Saarland-Niveau rangiert, sei bei den Neu-Betroffenen ein positiver Trend feststellbar. Der Anteil an Schwerbehinderten liege signifikant unter dem des gesamten Saarlandes.

Der Kreis St. Wendel hat bereits 2008 einen Pflegestützpunkt eingerichtet. "Sehr vorausschauend", urteilt der Report. Aber weitere Anstrengungen seien notwendig. Denn der Anteil der Pflegebedürftigen liege mit 3700 je 100 000 Einwohnern deutlich über dem Landesdurchschnitt liege. Angesichts einer zu erwartenden Zunahme an Pflegebedürftigen rechnet die Arbeitskammer mit einer Versorgungslücke von rund 550 Beschäftigten im Pflegebereich bis 2030.

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Melanie Mai,MCG,

Volker FuchsDie Arbeitskammer sieht noch Luft nach oben, was die Gewerbesteuer im Landkreis angeht, vor allem bei den Gemeinden, sagt Geschäftsführer Horst Backes: "Hier sind die niedrigsten Hebesätze im Land." Diese Politik verteidigt Landrat Udo Recktenwald. Denn geringe Steuern böten den Firmen Anreize, um sich im Landkreis anzusiedeln. Und umgekehrt. Auch manche Firmen nutzten sie als Druckmittel, um Arbeitsplätze in der Region zu lassen. "Das macht das Thema nicht ganz einfach", sagt Recktenwald. Überdurchschnittliche Gewerbesteuer-Einnahmen sieht die Arbeitskammer in der Kreisstadt St. Wendel und in der Gemeinde Freisen.

Bereits erhöht - von 350 auf 380 Prozent - hat die Stadt St. Wendel den Gewerbesteuer-Hebesatz. Aber dennoch liege er weiter ein gutes Stück unter dem Durchschnitt der saarländischen Gemeinden. Der Report der Arbeitskammer lobt den Landkreis St. Wendel für die höchste Betreuungsquote der Unter-drei-Jährigen im ganzen Land. Im März 2008 befanden sich 307 Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung, was einer Betreuungsquote von 16,7 Prozent entspreche. Bis März 2013 sei die Anzahl annähernd deckungsgleich zum Ausbau auf 517 und somit auf 30,5 Prozent gestiegen. Mittlerweile liegt die Quote gar bei fast 40 Prozent - der Bedarf bei rund 45 Prozent. Verbesserungsbedarf gebe es lediglich bei den Randzeiten, urteilt die Arbeitskammer. Auch bei den Firmen sieht der Report noch Potenzial. So gebe es etwa Betriebskitas oder betriebsnahe Einrichtungen für Unter-Dreijährige noch nicht.

Dringenden Handlungsbedarf sieht die Arbeitskammer im Ausbau der Gebundenen Ganztagsschulen. Bisher gibt es nur eine im Kreis: die Gemeinschaftsschule in St. Wendel. Freiwillige Ganztagsschulen nutzen im Schuljahr 2013/14 bereits 1497 Schüler. Kevin Wagner, Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes St. Wendel, stellt fest: "Formal scheint St. Wendel im Saarland wirtschaftlich an der Spitze zu stehen - die Steigerung im produzierenden Gewerbe um 31,6 Prozent in den Jahren 2005 bis 2011 spricht Bände - scheinbar." Für den DGB-Kreisverband ist deutlich: "Der statistische Erfolg St. Wendels wird auf dem Rücken der Beschäftigten erreicht." Wenn Landrat Udo Recktenwald darauf hinweise, dass sich sein Landkreis St. Wendel bei den verfügbaren Einkommen sehr weit vorne auf Platz 45 aller Kreise im Bundesgebiet positioniert, entspreche das der Wahrheit. Es entspreche aber auch der Wahrheit, dass diese gute Platzierung nur durch die niedrige Arbeitslosigkeit erreicht werden könne. Denn die Einkommen der Arbeitnehmer sind in St. Wendel besonders niedrig: Die Durchschnittslöhne je Arbeitnehmer lagen 2011 bei 25 488 Euro. Dies war der niedrigste Durchschnittsverdienst im Saarland. Dazu Wagner: "Fast ein Viertel aller Vollzeitbeschäftigten - ohne Auszubildende - im Kreis St. Wendel arbeiten zu Niedriglöhnen. Nur noch 36 Prozent der beschäftigten Frauen haben ein Vollzeit-Arbeitsverhältnis. Und skandalöse 40 Prozent aller sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigten Frauen arbeiten im Kreis St. Wendel unter der Niedriglohngrenze."

Kritisch bewertet der DGB auf Grundlage des Reports auch die gesunkene Qualität von Arbeitsplätzen im Kreis. Wagner: "Den 17 700 sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigten stehen knapp 6500 sozialversicherungspflichtig Teilzeitbeschäftigte gegenüber - hinzu kommen noch 7850 geringfügig entlohnte Beschäftigte." Das Arbeitsplatzangebot in St. Wendel ist im Vergleich zum übrigen Saarland nur unterdurchschnittlich. Mit nur 24 200 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Personen liegt St. Wendel im Ranking nur noch vor Neunkirchen. Zum aktuellen Kreisreport erklärt für die CDU deren Fraktionsvorsitzender im Kreistag, Stefan Spaniol: "Dank richtiger politischer Weichenstellungen stimmen die Rahmenbedingungen für Wachstum und neue Arbeitsplätze." Die saarlandweite Spitzenposition des Landkreises komme deutlich zum Ausdruck: geringste Arbeitslosigkeit, geringste Jugendarbeitslosigkeit, überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, ausgezeichnete Jugendberufshilfe, beste Betreuungsquote und ein Anstieg der Beschäftigung, der doppelt so hoch ist wie im Landesschnitt.

"Interessant ist vor allem auch die klare Aussage des Kreisreports, dass die demografische Entwicklung bei uns vergleichsweise günstig verlaufe. Auch hier wird leider immer wieder fälschlicherweise anderes verbreitet und die Attraktivität unseres Kreises als Wohnregion verkannt." Auch ansonsten stimme die Infrastruktur im Kreis für alle Generationen. So sei auch der landesweit vorbildliche Ausbau der Krippenplätze und die hervorragende Ausstattung der Schulen ein besonderer Kraftakt.

Aus Sicht der CDU tragen auch die politische Kontinuität und die klaren politischen Mehrheitsverhältnisse im Kreistag zu der Erfolgsentwicklung bei. "Im vertrauensvollen Zusammenwirken von Landrat und Kreistag werden die politischen Weichen bei uns schneller gestellt als anderswo. Es kommt zu deutlich weniger Reibungsverlusten."

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