Rat und Hilfe für Menschen in prekären Lebenssituationen

St Wendel · Der Pflegestützpunkt St. Wendel war der erste im Land – und wird als Erfolgsmodell gesehen. Was sich dahinter verbirgt, darüber sprach SZ-Redakteurin Melanie Mai mit Pflegeberaterin Judith Lermen.

Pflegestützpunkt - was genau ist das überhaupt?

Judith Lermen: Der Pflegestützpunkt ist ein kostenloses und neutrales Beratungsangebot, das im Zuge der gesetzlichen Pflegereform im Landkreis St. Wendel eingerichtet wurde. Es richtet sich an kranke, pflegebedürftige und behinderte Menschen und deren Angehörige .

Vor sechs Jahren ist der St. Wendeler Pflegestützpunkt als Pilotprojekt gestartet. Welche Erkenntnisse hat man aus der Pilot-Phase gewonnen?

Lermen: Die Ergebnisse unserer Arbeit bestätigen, wie wichtig unser Engagement ist. Wir erreichen gesetzlich vorgegebene und vereinbarte Ziele, die Stabilisierung der medizinischen, pflegerischen und sozialen Versorgung in der eigenen Häuslichkeit, die Verhinderung oder Verkürzung von Krankenhausaufenthalten sowie die Verhinderung und Hinausschiebung von Heimpflege. Die betroffenen Menschen erreichen uns täglich. Sie nehmen die Pflegeberatung an.

Was sind die Haupt-Probleme, mit denen sich die Bürger an Sie wenden?

Lermen: Meist wenden sich Personen an uns, die in eine akute Pflegesituation geraten sind oder die aufgrund einer länger bestehenden Pflegesituation massiv belastet sind. Die Anfragen beziehen sich auf Leistungen des Sozialversicherungssystems oder auf Entlastungsangebote.

Wie gehen die Pflegeberater konkret vor?

Lermen: Gemeinsam mit den Angehörigen analysieren die Pflegeberater den Hilfebedarf und suchen Wege, um die häusliche Versorgung gemäß dem gesetzlichen Auftrag ambulant vor stationär zu ermöglichen. Ein Großteil unserer Beratung findet in der Häuslichkeit statt.

Sie sagen, Heimaufenthalte können zum großen Teil verhindert werden. Was sind die Alternativen - und wie hoch sind die Kosten für diese Alternativen?

Lermen: In Krisensituationen haben Angehörige oft den Eindruck, dass die stationäre Versorgung unumgänglich ist. Oftmals stellt sich im Beratungsgespräch heraus, dass mit Hilfe entsprechender Unterstützungsleistungen ein Verbleib in der Häuslichkeit über einen längeren Zeitraum ermöglicht werden kann. Pflege ist teuer, egal ob ambulant oder stationär. Kosten richten sich nach individuellem Pflege- und Unterstützungsbedarf. Pflegeberater informieren auch über die möglichen Finanzierungen dieser Angebote.

In welchen Fällen gibt es hingegen keine andere Möglichkeit als das Pflegeheim?

Lermen: Wo Sicherheit zu Hause nicht gewährleistet ist. Eine Heimunterbringung ist unvermeidbar, wenn ambulante Maßnahmen nicht ausreichend sind, um die Sicherheit zu Hause zu gewährleisten. Oft ist dies bei demenziell erkrankten Menschen im fortgeschrittenen Stadium erforderlich, wenn keine Pflegeperson vorhanden ist. Besteht eine Pflegesituation schon Jahre hinweg, gelangen Angehörige oftmals an ihre Belastungsgrenze. Hinzu kommt auch das Älterwerden der Pflegepersonen oder deren Erkrankung. In solchen Fällen ist der Wechsel in die stationäre Pflege im Interesse des gesamten Familiensystems sinnvoll.

Es wird allgemein als positiv angesehen, dass ein Heimaufenthalt verhindert werden kann. Warum? Ist denn ein Heim keine gute Lösung?

Lermen: Die meisten Menschen wollen im Alter in ihrer eigenen Häuslichkeit verbleiben. Dies entspricht auch dem Grundgedanken der Sozialgesetzgebung - ambulant vor stationär. Dies heißt aber nicht, dass das Heim keine gute Lösung ist. Pflegeheime leisten einen wertvollen Beitrag in unserem Pflegesystem, wenn der Verbleib in der eigenen Häuslichkeit nicht mehr möglich ist. In der Regel ist die stationäre Versorgung teurer als die ambulante und oftmals reicht die Leistung der Pflegekasse und der eigenen Rente nicht aus. Dann muss Sozialhilfe beantragt werden. Zur Zeit erhält jeder dritte im Heim Sozialhilfe . Mit steigender Tendenz.

Die Menschen werden immer älter, neutrale Anlaufstellen für Pflegebedürftige werden also immer wichtiger. Welche Entwicklung erwarten Sie? Und wie sollte die Zukunft des Pflegestützpunktes St. Wendel aussehen?

Lermen: Eine Zunahme von Anfragen ist zu erwarten aufgrund des demografischen Wandels und der Zunahme von Singlehaushalten. Die Zahl der hochbetagten alleinlebenden Menschen stellt uns vor immer größere Herausforderungen. Wir erleben die Lebenswirklichkeit der Menschen hautnah. Dies ist wichtig bei der Frage des künftigen Bedarfes, so dass der Pflegestützpunkt in Zukunft sowohl in Einzelfalllösungen als auch in Fragen der Weiterentwicklung des Angebotes eine wesentliche Rolle spielen wird.Das Thema Pflege ist so umfassend, dass nicht alle Fragen beantwortet werden können. Individuelle Beratung gibt es daher am Donnerstag, 24. Juli, am SZ-Lesertelefon. Zwischen 10 und 12 Uhr werden die Pflegeberater Thomas Krampe und Margarethe Klein den Hörer abheben und alle Fragen beantworten. Anonym natürlich.

Das Lesertelefon ist erreichbar unter folgenden Nummern: (0 68 51) 9 39 69 55 und (0 68 51) 9 39 69 51.

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