Steine erinnern an Nazi-Gräuel

St Ingbert · In St. Ingbert wurden gestern erstmals Stolpersteine zur Erinnerung an die St. Ingberter NS-Opfer und Verfolgten verlegt. Der Stadtrat hat dieses Projekt initiiert, das nun von dem Künstler Gunter Demnig umgesetzt wurde. Die Stolpersteine werden ausschließlich über Spenden finanziert.

 Der Künstler Gunter Demnig verlegt in der St. Ingberter Fußgängerzone einen Stolperstein. Foto: Jörg Jacobi

Der Künstler Gunter Demnig verlegt in der St. Ingberter Fußgängerzone einen Stolperstein. Foto: Jörg Jacobi

Foto: Jörg Jacobi

Acht Stolpersteine an vier Stellen wurden gestern in St. Ingbert verlegt. Mit diesen Steinen erinnert man an die St. Ingberter NS-Opfer und Verfolgten. Der in Köln lebende Künstler Gunter Demnig verlegte nicht nur die Steine, im Kuppelsaal des Rathauses hielt er am Montagabend auch einen Vortrag zu diesem Thema.

Er berichtet, dass inzwischen Tausende Stolpersteine in vielen Orten Deutschlands und in mehreren Ländern Europas - jetzt auch in St. Ingbert , liegen. Für 120 Euro kann jeder eine Patenschaft für die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteins übernehmen. Stadtarchivar Dieter Wirth betont, dass jede Spende willkommen sei - nicht nur der Betrag für einen kompletten Stein.

Gestern wurden Stolpersteine für Erna Kahn (Kaiserstraße 108), Paul Kahn, Klara Kahn (beide Kaiserstraße 136), Jakob Ammann (Spieser Landstraße 2), Herta Löb, Bruno Löb, Inge Löb und Ruth Löb (alle Wittemannstraße 5) verlegt.

Die erste der Gedenktafeln in Messing kam in die Kaiserstraße 108. Patin für diesen Stein ist Maria Müller-Lang, bei der Stadt St. Ingbert für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. "Mein Stein sollte an einem Ort sein, an dem ich oft vorbeikomme. Und ich wollte einen Bezug zu dem Stein haben", so Müller-Lang. Den Bezug zu ihrem Stein, der Erna Kahn gedenkt, hat sie, da sowohl Müller-Langs Großmutter als auch Erna Kahn 1886 geboren wurden.

Auch der St. Ingberter Peter Lang hat einen Bezug zu den beiden Steinen, die er gespendet hat. Er gedenkt Paul Kahn und Klara Kahn, deren Steine sich in der Kaiserstraße 136 befinden. "Meine Großmutter hat vor 100 Jahren der Familie Kahn gedient - und zwar genau in diesem Haus, in der Kaiserstraße 136. Sie hat uns immer viel von Familie Kahn erzählt", berichtet der 73-Jährige. Auch besitzt Familie Lang persönliche Gegenstände der Familie Kahn. "Wir haben einen Teller von Villeroy & Boch, den Familie Kahn meiner Großmutter schenkte", so Peter Lang weiter. Außerdem gibt es ein handgeschriebenes Kochbuch, das die Großmutter von der Familie geschenkt bekam. Ein Gericht daraus heißt "Kartoffelscheißer", wobei es sich laut Lang um eine Art Kroketten handelt und gerade wieder nachgekocht worden sei.

Oberbürgermeister Hans Wagner sagte am Rande der Stolpersteinverlegung: "Es ist wichtig, auch in St. Ingbert an diese schreckliche Zeit zu erinnern, auch für die nachfolgenden Generationen. Wir wollen zeigen, dass so etwas nie wieder passieren darf."

Im Rahmen der Veranstaltung am Montagabend im Kuppelsaal berichtete der OB, dass nach der Volkszählung von 1927 in St. Ingbert damals 77 jüdische Personen lebten. Als letzte Familie waren Elisabeth und Fritz Beer in St. Ingbert zurückgeblieben. Sie waren Mitbesitzer der Lumpensortieranstalt auf der Meß. Beide wurden im Konzentrationslager Auschwitz umgebracht.

Für den Künstler Demnig war St. Ingbert der 975. Standort, an dem er Stolpersteine verlegt. In seinem Wagen lagern Steine, die in anderen Orten, wie beispielsweise in Völklingen, verlegt werden.

Demnig begründete 1990 die Idee zu den Stolpersteinen. Er markierte in Köln die Strecke, auf der Gestapo und SS 50 Jahre zuvor Sinti und Roma zum Abtransport in die Vernichtungslager getrieben hatten. Damals sagte eine ältere Frau zu ihm, dass in der Gegend "gar keine Zigeuner" gewohnt hätten. Das Unwissen brachte ihn auf die Idee mit den Stolpersteinen. Er wollte die Geschichte wieder dorthin bringen, wo sie geschehen war: in den Alltag - und gestern auch nach St. Ingbert .

www.stolpersteine.eu

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HintergrundAls erster Jude hat sich 1811 der 23-jährige Händler Mendel Beer senior in St. Ingbert niedergelassen. 1875 wurde eine Synagoge an der Josefstaler Straße gebaut, die am 14. Januar 1876 eingeweiht wurde. 1886 wurde in St. Ingbert ein jüdischer Friedhof angelegt, davor wurden die Toten in Blieskastel beerdigt. 1936 wurde die Synagoge an die Stadt St. Ingbert verkauft. 1942 wurde der jüdische Friedhof aufgelöst und eingeebnet. 1944 richtete die Stadt eine Luftschutzschule in der Synagoge ein. ywi

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