Der Politik-Rentner startet neu

St Ingbert · Rainer Hoffmann hat sich aus der St. Ingberter Kommunalpolitik zurückgezogen. Der langjährige Bürgermeister und Jurist will noch seine letzten Fälle abschließen und dann das Rentnerdasein genießen. Mit seiner Frau, Enkel Mika und seinem Hobby, der Fotografie.

 Der St. Ingberter Kommunalpolitiker Rainer Hoffmann vor dem „blau“, das ein bisschen auch sein Kind darstellt. Foto: Jörg Jacobi

Der St. Ingberter Kommunalpolitiker Rainer Hoffmann vor dem „blau“, das ein bisschen auch sein Kind darstellt. Foto: Jörg Jacobi

Foto: Jörg Jacobi

Justitia mit Schwert und Waage steht auf der Fensterbank, daneben ein Foto von Enkelkind Mika. Der Blick hinaus geht auf das winterliche Grün des Gartens in der Rothellstraße. Rechts vom Fenster ein Kreuz aus Metall an der Wand. Auf der schmalen rot lackierten Schreibtischplatte stehen Telefon, Diktiergerät, PC ordentlich in einer Reihe. Es ist ein kleiner länglicher Raum im Obergeschoss des Hauses, in dem Rainer Hoffmann seine letzten Fälle abwickelt. Die Kanzlei in der Ludwigstraße hat er aufgegeben. Seine letzten öffentlichen Ämter vor wenigen Wochen auch. Der 66-Jährige hat Verabschiedungen hinter sich gebracht, im Aufsichtsrat der Stadtwerke, den beiden Bäder- und der Energieservicegesellschaft. In drei der vier Gremien war Hoffmann Vorsitzender. Er spricht gelassen über diese Dinge, mit dem nüchternen Blick des Juristen .

Kann sich aber als Mann des Rechts durchaus ereifern. Dann greift er zu Gesetzestexten und Erläuterungen. Zeigt hier und dort eine Fundstelle mit lauter Stimme, die so gar nicht saarländisch klingt. "Ich bin in Herrensohr geboren", klärt er auf. Seine Frau Doris stammt aus Kirkel. St. Ingbert war somit eine gerechte Lösung für die Familiengründung. Seine sprachliche Herkunft weitestgehend zu verbergen lernte er im Rhetorik-Studium. Jura, Soziologie und Rhetorik waren seine Fächer. Den Rückzug ins Private will er möglichst konsequent durchziehen. "Ein bisschen schwanger geht nicht", sagt der Mann mit dem kantigen Kopf, von weißem Haar umrandet. Ein Schlussstrich, wobei er sich kleine Fluchtwege erhält. Immerhin bleiben noch rund 60 Fälle abzuarbeiten. Und als Dozent an der Fachhochschule für Verwaltung ist der Christdemokrat auch noch zu erleben. Damit nicht genug, ist er Referent auf Fortbildungen für Fachanwälte. Der Schlussstrich lässt Abweichungen zu. Hoffmann sagt auch: "Ich würde jedem empfehlen, nicht ganz von heute auf morgen aufhören."

Rainer Hoffmann ist den St. Ingbertern neben seiner Arbeit als Jurist mit den Schwerpunkten Erbrecht, Verkehrsrecht, Strafrecht und Arbeitsrecht besonders als ehrenamtlicher Bürgermeister und langjähriger CDU-Mann bekannt. Im Stadtrat war er ein Vierteljahrhundert. 15 Jahre war er Beigeordneter und ehrenamtlicher Bürgermeister. 1994 hatte er sich gegen Winfried Brandenburg um das Amt des Oberbürgermeisters beworben. Damals wählte noch der Rat den Verwaltungschef. "Ich habe Flagge gezeigt", sagt Hoffmann dazu. Und ein führender Kopf in CDU-Reihen war er allemal. Umso erstaunlicher, dass er im Gefolge der CDU-internen Auseinandersetzung um die OB-Kandidatur zwischen Georg Jung und Markus Gestier mit seiner Fraktion brach und mit Gestier, dem ehemaligen Fraktionschef, und weiteren Mitstreitern zum Splitter der CDU wurde. Die Unabhängigen Christdemokraten, UCD, sitzen jetzt in der zweiten Legislaturperiode im Stadtrat. Ein Christdemokrat sei er geblieben, versichert Hoffmann. Und berichtet stolz von realisierten Projekten und politischen Erfolgen. Von der absoluten Mehrheit etwa, die die CDU mit ihm als Stadtverbandsvorsitzendem 1999 errungen habe. Vom Bau des St. Ingberter Hallenbades, das er mit anderen Mitstreitern in einer Phase durchsetzte, als rundum die Diskussion um das Schließen der öffentlichen Einrichtungen hochschwappte. Vom Umbau der Stadtwerke zu einer eigenständigen Gesellschaft redet er auch mit Stolz.

Den Bruch mit seinen politischen Weggefährten hat er gleichwohl nicht vergessen. "Die Bitterkeit ist der Enttäuschung gewichen", sagt er heute, Jahre nach den innerparteilichen Querelen um die Frage, wer für die CDU als OB-Kandidat antreten sollte. "Das Schlimmste in der Politik ist, wenn man recht behält." Das breite Hoffmannsche Grinsen wirkt nicht fröhlich, wenn er von dieser Zeit spricht. Auch heute noch betrachtet er das Festhalten an der Kandidatur des alten OB als schweren Fehler. Und er legt Wert auf die Feststellung: "Ich habe meinen Rückzug aus der Kommunalpolitik schon vor den ganzen Streitigkeiten angekündigt."

Die Rentnerjahre möchte der Wahl-St. Ingberter seiner Familie - Enkelkind Mika, Sohn der jüngeren von zwei Töchtern, ist anderthalb - und der Fotografie widmen. Er greift hinter sich in die Regalwand, in der zwischen viel Juristen-Literatur auch einige alte Karl-May-Bände ihren Platz behalten haben, und präsentiert einige Naturaufnahmen. Mit seiner Frau will er reisen, vom Leben jenseits von Beruf und Kommunalpolitik noch etwas haben. Justitia, die Waage erhoben, das Schwert gesenkt, wird ihren Platz auf der Fensterbank sicher behalten.

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