Kostendruck ist härter als schwere Geburten

St Ingbert · Kinder auf die Welt zu bringen ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Finanziell führen die Hebammen steigende Versicherungsprämien aber an den Rand ihrer Möglichkeiten. Die St. Ingberter Praxis Ringelblume will dennoch weitermachen. Eine neue Praxis verzichtet auf die Geburtshilfe.

 Gaby Lauer und Birgit Schattle-Krächan (von links) haben in der St. Ingberter Ludwigstraße die Hebammenpraxis Ringelblume. Foto: Yvonne Handschuher

Gaby Lauer und Birgit Schattle-Krächan (von links) haben in der St. Ingberter Ludwigstraße die Hebammenpraxis Ringelblume. Foto: Yvonne Handschuher

Foto: Yvonne Handschuher

Unzählige Fotos von Neugeborenen hängen in den Praxisräumen in der St. Ingberter Ludwigstraße 26, ein Babybettchen, ebenfalls mit Fotos versehen, steht im Schaufenster . Matten und bequeme Kissen liegen auf dem Boden des ersten Raumes und laden Schwangere wie frisch gebackene Mütter dazu ein, Platz zu nehmen, sich auf die Geburt vorzubereiten, am Rückbildungskurs teilzunehmen. Die Rede ist von der Hebammenpraxis Ringelblume. Gaby Lauer und Birgit Schattle-Krächan sind die beiden Hebammen , die bereits seit 1988 zusammenarbeiten und die Begründerinnen der Hebammenpraxis Ringelblume sind. Mit großem Idealismus gehen sie nach eigener Aussage jeden Tag aufs Neue ans Werk. Die Sorge um die "explodierte" Haftpflichtversicherung macht allerdings auch vor der 50-jährigen Birgit und der 51-jährigen Gaby nicht Halt. Die beiden Geburtshelferinnen sind sich einig: Wenn sie noch mehr arbeiten müssen, um existieren zu können, hören sie auf. "Wir sind Menschen, die mit Menschen arbeiten und keine Roboter", sagen sie. Fest steht für die beiden Frauen, dass es nicht nur noch für Miete und Haftpflichtversicherung arbeiten. Bedeutet in Zahlen: Früher haben Hebammen laut Gaby Lauer mal 1000 Euro jährlich Haftpflicht gezahlt, mittlerweile sind es 5000 Euro im Jahr. "Es haben schon viele Kolleginnen aufgehört und es werden auch noch einige aufhören. Oder sie machen keine Geburtshilfe mehr, sondern nur noch Vor- und Nachsorge, um die Versicherung zu umgehen", sagt Gaby Lauer.

Diesen Weg schlägt Tina Reidenbach ein. Sie hat in St. Ingbert vor sechs Wochen in der Elversberger Straße ihre Praxis eröffnet. Seit 2003 sei sie in dem Beruf, biete aber nach den Kostensteigerungen, die nach ihren Informationen im kommenden Jahr nochmals erhöhen, jetzt aber keine Geburtshilfe mehr an. "In einer Eins-zu-eins-Betreuung ist das eigentlich nicht mehr machbar", sagt sie. Ihr Angebot, das von Babymassage und -schwimmen bis hin zu Geschwisterkursen reicht, werde jedoch so gut angenommen, dass sie kaum hinterherkommt. Reidenbach: "Es kommen Frauen aus Saarbrücken zur Rückbildung nach St. Ingbert ." Da manche Kollegin unter der aktuellen Entwicklung die Segel strichen, seien viele Frauen derzeit unterversorgt.

Die finanziellen Schwierigkeiten ihres Berufsstandes machen die alteingesessenen Ringelblume-Hebammen traurig. Schließlich gehe es bei einer Geburt um Qualität und Sicherheit - und deswegen sollte es ausreichend Hebammen geben. Beide Frauen arbeiten einige Stunden im Monat angestellt als Hebammen im Nachtdienst im Krankenhaus St. Josef in Dudweiler. "So können wir auch in das System reinschauen und kommen nicht ausschließlich als Hebammen von außen dazu", erklären die Fachfrauen, die als Freiberuflerinnen Schwangere in besagtem Krankenhaus entbinden. Aber nicht nur das: Eine Schwangere bekommt in der Hebammenpraxis Ringelblume das "Rundum-Sorglos-Paket". Von Schwangerenvorsorge und Hilfe bei Beschwerden oder Geburtsvorbereitung, der Wochenbettbetreuung, Stillberatung, dem Angebot von Homöopathie, Akupunktur und Aromatherapie bis hin zur Rückbildungsgymnastik. Zudem bietet eine Physiotherapeutin in den Räumlichkeiten der Ringelblume auch Babymassage an.

Vergangenes Jahr haben Gaby und Birgit 65 Babys zur Welt gebracht. Um sich jeder Schwangeren widmen zu können, möchten sie viel mehr auch nicht annehmen. "Wir machen unseren Beruf von Herzen gern", sagen beide. Sie wollen sich auf die Frauen einstellen können, Ängste nehmen. Das geht nicht, wenn man "wie am Fließband arbeitet, um von dem Beruf leben zu können", betonen sie. Zwar wurden jetzt im August die Verhandlungen zwischen den Hebammenverbänden und den Krankenkassen über die Ausgleichszahlungen für die erneute Haftpflichtprämienerhöhung zum 1. Juli zu einem Abschluss gebracht. Diese Ausgleichszahlungen sind allerdings nur wirksam bis Sommer 2015.

"Wenn das Geld nicht mehr reicht, dann machen wir zu", sagt Birgit Schattle-Krächan. Beunruhigt muss deswegen aber keine der von Gaby und Birgit betreuten Schwangeren oder Neumüttern sein. Momentan kann davon keine Rede sein. Vielmehr wollen die beiden Hebammen in ihren Räumlichkeiten in der Ludwigstraße während ihres Urlaubes Platz schaffen für viele weitere Fotos von Neugeborenen - egal, ob in den Räumlichkeiten oder im Schaufenster , liebevoll dekoriert am Neugeborenenbett.

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