EVS-Austritt: Rat macht den Deckel drauf

St Ingbert · St. Ingbert kehrt dem Entsorgungsverband Saar den Rücken und übernimmt als Paragraph-3-Kommune ab kommendem Jahr die Abfallentsorgung in eigene Verantwortung. Der Schritt wurde am Donnerstagabend im Stadtrat drei Stunden lang kontrovers diskutiert.

 St. Ingbert wird ab 2016 seine Abfallpolitik komplett selbst in die Hand nehmen und auch die Müllfraktionen vom Wertstoffhof selbst vermarkten. Foto: Oliver Bergmann

St. Ingbert wird ab 2016 seine Abfallpolitik komplett selbst in die Hand nehmen und auch die Müllfraktionen vom Wertstoffhof selbst vermarkten. Foto: Oliver Bergmann

Foto: Oliver Bergmann

Um 21.20 Uhr stand es nach fast drei Stunden Diskussion fest. Oberbürgermeister Hans Wagner resümierte mit reichlich Sarkasmus: "Damit treten wir aus mit allen Konsequenzen. Gut gemacht." UCD und SPD hatten in der Stadtratssitzung am Donnerstag versucht, den Austrittsbeschluss aus dem Entsorgungsverband Saar (EVS) zu revidieren, scheiterten aber mit ihren Anträgen. Auch Wagners Vorstoß für ein weiteres Jahr im Verband fand kein Gehör. CDU , Familien-Partei, Grüne und "Wir für St. Ingbert " blieben dabei: Die Stadt verlässt den EVS im Bereich der Abfallentsorgung und nimmt ab 1. Januar die Sache komplett selbst in die Hand als Paragraph-3-Kommune (Die SZ berichtete). Als Abfuhrkommune fährt sie den Müll schon jetzt im Auftrag des Verbands ab. Künftig ist sie für alles andere wie Abrechnungen und Gebührensatzungen auch verantwortlich.

Zum Auftakt der Diskussion hatte Wirtschaftsprüfer Markus Hafner den Räten anhand einer Simulation vorgestellt, wie sich ein Austritt finanziell auswirken dürfte. Er betonte, die überörtliche Zuständigkeit bleibe beim EVS. St. Ingbert muss also auch weiterhin dem EVS Restmüll und Biomüll andienen. Die Simulation bezog sich auf das Jahr 2014 und verblüffte auf den ersten Blick. Denn während der Wirtschaftsprüfer von einem "leicht positiven Ergebnis" innerhalb des EVS ausging, errechnete er ein Defizit von weit über 200 000 Euro unter eigener Verantwortung. Hafner erläuterte den Räten, der St. Ingberter Fuhrpark sei "vergleichsweise teuer", an anderer Stelle (etwa Sperrmüll- und Holzentsorgung) könne die Stadt günstiger arbeiten als im Verband. Entscheidend allerdings war für ihn der Blick in die Zukunft. Der EVS hat eine deutliche Gebührenerhöhung beim Verwiegen ab 2017 angekündigt. Diese Erhöhung eingerechnet würde die Stadt in Eigenregie ein Plus von 600 000 Euro erwirtschaften. Oder anders gesagt: St. Ingbert könnte nach Hafners Rechnung mit moderaterer Gebührenanhebung gut leben. Zudem laufen die Dienstleistungsverträge zwischen Stadt und Verband Mitte kommenden Jahres aus, wie der grüne Beigeordnete Adam Schmitt betonte. Schmitt als Wortführer der Austrittsbefürworter sieht finanzielle Risiken bei einer Neuverhandlung.

Für die Koalition steht deshalb fest: Um beim Verwiegen zu bleiben und eine Gebührenexplosion zu vermeiden ist der Austritt richtig. Das sieht aber längst nicht jeder so. OB Wagner machte sich für eine Verschiebung des Schrittes stark, weil St. Ingbert derzeit bei einem Eigenkapital-Minus des EVS neben anderen Ablösesummen auch dafür Geld zahlen muss. Kommunen, die in fetten Jahren den Verband verließen, haben ein Stück vom Kuchen bekommen. Beim EVS stünden die Zeichen zudem auf Konsolidierung. Dunja Sauer, SPD , nannte die Simulation nicht tragfähig. Zu viele Fragezeichen beim Projekt Austritt sah Markus Gestier, UCD. Der Bürger werde hinterher die Zeche zahlen. Für ein Verschieben des Austritts machte sich auch Andreas Gaa, FDP , stark. Sven Meier, SPD , sprach von 1,2 Millionen Euro Austrittskosten. Eine Privatisierung von Teilbereichen sei zu befürchten.

Anders die Koalition. Schmitt betonte, der EVS sei nur "mäßig reformbereit". Die Risiken ab Mitte 2016 wolle man mit dem Weg zur Paragraph-3-Kommune ausschließen. Markus Monzel (CDU ) sprach von einer seriösen Faktenbasis. Der Rat nehme das Heft des Handelns in die Hand. Roland Körner, Familien-Partei, erläuterte, die Hoffnungen auf bessere Konditionen innerhalb des EVS hätten sich zerschlagen, nun gewinne man neue Chancen.

Auf SZ-Anfrage hieß es beim Verband, man respektiere den Schritt und bleibe als Dienstleister gesprächsbereit.

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