Fröhliche Normalität im Umgang

Gersheim · Sie stellten den Contergan-Skandal in den Mittelpunkt ihrer Arbeit, wollten auch wissen, wie es Behinderten früher erging und sparten die Nazizeit nicht aus: Lohn für die Schüler war ein Preis beim Geschichtswettbewerb.

 Die Klasse 7f2 der Gemeinschaftsschule hat beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gewonnen. Foto: Gabriele Dippel

Die Klasse 7f2 der Gemeinschaftsschule hat beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gewonnen. Foto: Gabriele Dippel

Foto: Gabriele Dippel

Schon zum zweiten Mal haben Schüler der Gemeinschaftsschule Gersheim einen Preis beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gewonnen. Der Wettbewerb wird alle zwei Jahre von der Körber-Stiftung ausgeschrieben und ist der größte historische Forschungswettbewerb für Jugendliche in Deutschland. Unter Federführung von Susanne Torazzina stellte die Klasse 7f2 zum Thema "Anders sein in der Geschichte" mit Unterstützung von Klassenlehrerin Barbara Baumgart und Förderlehrerin Ingrid Wunsch den Contergan-Skandal in den Mittelpunkt ihrer Arbeit.
Mittelpunkt der Arbeit



Die Wahl des Themas, das auch heute nichts an Brisanz verloren hat, war nahe liegend: Die Gemeinschaftsschule Gersheim ist Inklusions-Modellschule. Wie die Schule weiter mitteilt, ist das für die Schulgemeinschaft Normalität. Aber war und ist das überall und schon immer so? Wie ging man früher mit Behinderten um? Dies waren Fragen, mit denen sich die Klasse 7f2 auseinandersetzte, als sie sich für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten mit dem Thema "Anders sein in der Geschichte" anmeldete. Die Schüler begannen zu recherchieren und interessierten sich für alles rund um das Thema "Contergan-Skandal" und vor allem für die Menschen, die durch Contergan geschädigt wurden. Für ihre Recherche haben sie das SZ-Archiv herangezogen, aber auch das Internet. Ebenso wurden Filme und Bücher genutzt, um mehr über das Thema Behinderung zu erfahren.

"Besonders beeindruckend aber waren die Gespräche mit Betroffenen. Drei Menschen, die selbst contergangeschädigt zur Welt kamen, gaben Auskunft über die Folgen, die das Medikament für die ungeborenen Kinder hatte, wenn es ihre Mütter in der Schwangerschaft eingenommen hatten", so die Schule. Christa Franzreb, ehemalige Mitarbeiterin in einem Behindertenheim, habe anschaulich erzählt, wie es Kindern erging, die nicht das Glück hatten, in ihrer Familie angenommen und geliebt zu werden. Die ehemalige Leiterin der Schule für körperliche und motorische Entwicklung in Homburg berichtete über die Anfänge dieser Förderschule in Homburg und über Probleme, die Menschen mit Körperbehinderung auch heute im Alltag noch haben.

Wichtig für die Situation der behinderten Menschen sei auch die Zeit des Nationalsozialismus gewesen. Zwischen 1933 und 1945 wurden solche Menschen wegen ihrer Behinderung gejagt, gefoltert und sogar umgebracht.
Schon vorher gewonnen

Für die Klasse sei aber nicht nur der Preis ein Gewinn. "Eigentlich hatten wir schon vorher gewonnen", so die Betreuerinnen. "Die Klasse hatte gemeinsam an einem für uns und unsere Schule wichtigen gesellschaftlichen Thema gearbeitet. Aber diese Arbeit erschöpfte sich nicht im Wissen. Wir alle hatten Erfahrung gesammelt und viele neue Einsichten gefunden. Und mit der neuen Erfahrung entwickelten sich auch Einstellungen. Waren die ersten Begegnungen mit den behinderten Zeitzeugen noch von vorsichtiger Scheu geprägt, so stellte sich zunehmend eine fröhliche Normalität im Umgang mit unseren Besuchern ein, die sie weniger als Behinderte betrachteten, sondern einfach als Menschen erlebten."

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