Infrastruktur-Radtour in Marpingen Radfahrer fordern ihr Recht auf der Straße ein

Marpingen · Zehn Schüler der Gemeinschaftsschule Marpingen erkunden gemeinsam mit Experten die Infrastruktur ihrer Umgebung.

 Die Teilnehmer der Infrastruktur-Radtour versammeln sich nach ihrer Rückkehr vor dem Schulgebäude. Im Vordergrund (von links) ADFC-Experte Justin Klein und der stellvertretende Schulleiter und Sportlehrer Thomas Alt.

Die Teilnehmer der Infrastruktur-Radtour versammeln sich nach ihrer Rückkehr vor dem Schulgebäude. Im Vordergrund (von links) ADFC-Experte Justin Klein und der stellvertretende Schulleiter und Sportlehrer Thomas Alt.

Foto: Jennifer Fell

Seit vier Jahren gibt es das Talentfach Mountainbike an der Gemeinschaftsschule Marpingen. Ein Projekt, das dem stellvertretenden Schulleiter, Geografie- und Sportlehrer Thomas Alt besonders am Herzen liegt: „Radfahren ist Kilmaschutz und Gesundheitsvorsorge. An dieser Schule ist uns beides sehr wichtig, weshalb wir für die Schüler 13 Fahrräder angeschafft haben und das bisher zweistündige Talentfach Mountainbike ab dem kommenden Jahr auf vier Stunden ausbauen. Neben gemeinsamen Radtouren wird es dann auch eine Fahrradwerkstatt geben, wo wir selbst Fahrräder aufbauen. Und es wird theoretische Einheiten rund ums Rad und die berufliche Perspektive, die sich damit verknüpfen lässt, geben.“ Alt berichtet weiter, dass die zwölf bis 15 Plätze, die jährlich für Zehntklässler zur Verfügung stehen, immer rasch von radbegeisterten Schülern belegt seien. Er ergänzt, dass an der Gemeinschaftsschule Marpingen gar die Möglichkeit bestehe, in Klassenstufe zwölf im Seminarfach Transalp an einer einwöchigen Alpenüberquerung teilzunehmen — im Vorfeld eigenständig geplant und organisiert von den Schülern. Auch in diesem Jahr werde man sich Ende August, unmittelbar nach Schuljahresbeginn, wieder auf den Weg machen.

So weit in die Ferne führt die Infrastruktur-Radtour die Schüler an diesem Vormittag nicht. Elf Kilometer geht es in anderthalb Stunden über Landstraßen, Feld- und Waldwege sowie Singletrails in einem kleinen Kurs rund um Marpingen – mit Zwischenstopps an mehreren Stellen. Dazu aufgerufen hat Justin Klein vom Landesverband Saar des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Der 34-jährige Niederländer, der seit drei Jahren im Saarland lebt, hat im Januar die Leitung des Projekts „Stärkung des Radverkehrs im Landkreis St. Wendel“ übernommen. Als Soziologe ist er auf Stadtentwicklung spezialisiert, aber auch an Mikromobilität, Kulturveranstaltungen und Community-Management interessiert.

Im Zuge seines aktuellen Vorhabens konnten sich Schulen melden, um gemeinsame Veranstaltungen zum Thema zu planen. Als erste Schule im Landkreis St. Wendel nimmt nun nun die Gemeinschaftsschule Marpingen teil. Bereits am 7. Juni fand hierzu ein Aktionstag mit dem ADFC statt, bei dem 40 Schüler sowohl die Gelegenheit hatten, einen Workshop zur Wartung von Fahrrädern zu durchlaufen als auch an einem Fahrradkompetenztraining teilzunehmen. Die Radtour, die von Justin Klein, seinem Praktikanten Nils Trabinger und Sportlehrer Thomas Alt begleitet wird, bildet die zweite Etappe des Projekts.

Vor der Abfahrt gibt es für die ausschließlich männlichen Mountainbiker einen Ausblick auf die Tour, es werden Regeln zum Radeln in einer Gruppe festgelegt. Justin Klein erklärt zudem, was man unter Infrastruktur versteht und weist die Schüler auf die Dinge hin, auf die sie während der Fahrt besonders achten sollen.

An den drei Haltepunkten unterhalten sich die Radfahrer, wie die verschiedenen Wege in den einzelnen Dörfern verknüpft sind und besprechen, wie man das Terrain fahrradfreundlicher gestalten könnte. Klein macht dabei auf vergessene Infrastruktur aufmerksam, die man mit dem Rad neu entdecken und nutzen könne, um sicher und mit Freude von A nach B zu kommen.

Der Sicherheitsaspekt steht dann im Fokus, als es darum geht, die Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen und vorausschauend zu fahren, dabei aber gleichzeitig das eigene Recht als Radfahrer auf der Straße einzufordern. Einen zusätzlichen Stopp verursacht der Defekt am Rad des 16-jährigen Schülers Leander, der sein Gefährt nach einer provisorischen Reparatur aber wieder ins Rollen bringt.

Beim Fazit nach Ende der Tour kommen Teilnehmer und Begleitpersonen zu Wort. Nick (16) sagt, dass er bei dem Ausflug Wege entdeckt hat, die er noch nicht gekannt habe. Der 17-jährige Adrian berichtet, dass ihm im Straßenverkehr Dinge aufgefallen seien, auf die er sonst weniger achte. So habe er Stellen bemerkt, die aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens für Radfahrer schwierig seien. Dieser Einschätzung kann Projektleiter und Fahrrad-Experte Justin Klein nur beipflichten: „In Alsweiler hatten wir eine sehr unübersichtliche Stelle, als wir am Berg in der Nähe der Kirche links abbiegen wollten, es aber Gegenverkehr von verschiedenen Seiten gab. Da muss man sich dann mit den Autofahrern absprechen, aber auch auf seinem Recht als Radfahrer und damit Verkehrsteilnehmer bestehen.“ ADFC-Praktikant Nils Trabinger fügt hinzu, dass sich die Autofahrer überwiegend rücksichtsvoll verhalten hätten, dies aber wohl auch damit zusammenhänge, dass man als große Gruppe eher wahrgenommen werde.

Vielen Autofahrern fehlt jedoch die Perspektive des Radfahrers. Hier hakt der stellvertretende Schulleiter Thomas Alt ein: „Ihr als Beifahrer seid die Multiplikatoren, Ihr müsst Eure Eltern darauf aufmerksam machen, ausreichend Abstand zu Radfahrern zu halten. Und natürlich solltet ihr dies auch im Hinblick darauf, dass Ihr in ein bis zwei Jahren selbst Auto fahren dürft, im Hinterkopf behalten.“ In Bezug auf die Infrastruktur-Radtour ist er voll des Lobes, habe man doch das Radfahren auf vielfältige Art und Weise erlebt. So seien verschiedene Kompetenzen angesprochen worden, beispielsweise Methodik und Kondition. Auch Organisator Klein zeigt sich zufrieden: „Es war eine schöne Balance aus den Komponenten Spaß haben, sportlich unterwegs sein und auf Infrastruktur und Verkehrssicherheit achten. Ich war sehr positiv überrascht, wie engagiert und begeistert die Schüler mitgemacht haben.“

 Haben die Zehntklässler auf ihrer Radtour begleitet (von links): Projektleiter Justin Klein, Praktikant Nils Trabinger und Sportlehrer Thomas Alt.

Haben die Zehntklässler auf ihrer Radtour begleitet (von links): Projektleiter Justin Klein, Praktikant Nils Trabinger und Sportlehrer Thomas Alt.

Foto: Jennifer Fell

Das nächste Projekt plant der ADFC-Mitarbeiter mit der Gemeinschaftsschule Freisen und auch Bewerbungen von Firmen sind gern gesehen, hierzu ist im Juli eine Informationsveranstaltung geplant.

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