Politischer Aschermittwoch: Saar-Parteien im Schlagabtausch

Schwalbach · Die Flüchtlingskrise und die Stahlpolitik waren tragende Themen beim traditionellen Schlagabtausch der Parteien im Saarland. Man gedachte aber auch der Opfer des Zugunglücks bei Bad Aibling.

 Vertreter der IG Metall übergaben Kanzleramtsminister Peter Altmaier ihre Resolution.

Vertreter der IG Metall übergaben Kanzleramtsminister Peter Altmaier ihre Resolution.

Foto: ROLF RUPPENTHAL

Saar-CDU will "Klartext-Politik"

Kramp-Karrenbauer kritisierte das Vor und Zurück der SPD in der Flüchtlingspolitik

Von SZ-Redakteurin Cathrin Elss-Seringhaus

Schwalbach. Dauer-Nieselregen, die Flüchtlingskrise, das Zugunglück in Bad Aibling, ausgefallene Fastnachtsfreuden - der mentale Energiepegel hing im Vorfeld dieses 45. Aschermittwochtreffens sicher nicht nur bei der CDU in Schwalbach auf Halbmast. Doch die Ministerpräsidentin schaffte mit einem knackig-zackigen Auftritt die Stimmungswende. Sie lieferte keine typische Hau-den-Lukas-Rede, sondern vermittelte Entschiedenheit. Es sei in diesem Jahr ein Tag der ernsten Themen, sagte Annegret Kramp-Karrenbauer vor rund 800 CDU-Anhängern und versprach "Klartext-Antworten", insbesondere auf Flüchtlings- und Integrations-Fragen und zum Bund-Länder-Finanzausgleich. Doch nicht nur Bundeshilfen garantieren für Kramp-Karrenbauer ein zukunftsfähiges Saarland, auch eine gesunde Stahlindustrie. Zusammen mit dem stellvertretenden Landesvorsitzenden und Kanzleramtsminister Peter Altmaier , der den Bericht aus Berlin in Schwalbach übernahm, unterstützt Kramp-Karrenbauer deshalb die Protest-Initiative der Gewerkschaft IG Metall gegen geplante Umweltauflagen der Europäischen Union für die Stahlwirtschaft. Altmaier und sie unterzeichneten gestern eine Resolution, die eine Vielzahl von sichtlich emotional betroffenen Gewerkschaftlern überreichte. Stahl brauche "faire Wettbewerbsbedingungen", so die Regierungschefin.

Beim Stahl-Solidarisierungskurs läuft's harmonisch parallel zum Koalitionspartner SPD . Reibungspunkte gibt es an anderen Stellen, die Kramp-Karrenbauer nicht polemisch aufspießte, sondern subtil offen legte. Auf Bundes-Ebene kippe die SPD-Führung montags, was sonntags verabredet worden sei. Für die CDU hingegen gelte: "Wenn wir im Bund Verschärfungen zustimmen, setzen wir sie im Land auch um"; eine Anspielung auf den Koalitionskrach mit der Saar-SPD um die verschärften Taschengeldregelungen. Ähnlich versteckt und trotzdem deutlich ihre Koalitionspartner-Rüge beim Bund-Länder-Finanzausgleich. Sie warnte, die jetzt gefundene Lösung wieder aufbrechen zu wollen. Wer dies tue, "versündige" sich am Saarland. Anders als bei der SPD unterstützten ausnahmslos alle CDU-Abgeordneten in Berlin den Vorschlag: "Es wäre wünschenswert, wenn dies bei der SPD ebenso passierte."

Fast ohne Seitenhiebe auf den Bundes- und Landes-Partner SPD legte Kanzleramts-Chef Altmaier seine Rede an, richtete einen Appell an SPD und Grüne, der Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten bereits am 26. Februar im Bundesrat zuzustimmen und den Gesetzentwurf nicht bis nach den Wahlen zu verzögern. "Der Stahl gehört zum Saarland"

Rehlinger, Maas und Martin Schulz machten sich für den Industriestandort Saarland stark

Von SZ-Redakteurin Ute Klockner

Rehlingen-Siersburg. Attacken aus Bayern musste Bundesjustizminister Heiko Maas gestern Abend nicht fürchten. Hatte CSU-Chef Horst Seehofer vor drei Jahren scharf gegen den SPD-Saar-Vorsitzenden und das Saarland geschossen, waren alle politischen Schlagabtausche in Bayern wegen des Zugunglücks in Bad Aibling abgesagt worden.

Anders im Saarland: Zeitweise wirkte der 35. Politische Aschermittwoch in der Siersburger Niedtalhalle wie ein Gewerkschaftstreffen. Mehrere hundert Metaller demonstrierten lautstark für die saarländische Stahlindustrie, die durch Billigimporte aus China und einer angekündigten Verschärfung des EU-Emissionshandels bedroht wird.

Rückendeckung bekamen die Gewerkschafter von der Politik. "Der Stahl gehört zum Saarland, zu Deutschland und Europa", rief der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz . Zuvor hatten ihm Vertreter der IG Metall eine Resolution überreicht. Auch Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger griff das Thema auf. Stahl sei "ein Teil der Zukunft unseres Saarlandes. Wir sind gerne bereit, unseren Teil zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beizutragen, aber nicht nur wir alleine und auf Kosten der Beschäftigen", sagte sie. Es dürfe nicht zu einseitigen und wettbewerbsverzerrenden Belastungen der heimischen Stahlindustrie kommen. Im Saarland hingen 22 000 Arbeitsplätze von der Stahlindustrie ab. Was nütze es der Umwelt, den CO2-Ausstoß im Saarland zu verringern, wenn die Produktion nach China verlagert und dort viel umweltschädlicher produziert werde. "Das ist wirtschaftspolitischer Unsinn und ökologischer Irrsinn, das dürfen wir nicht zulassen!", so die Ministerin unter tosendem Applaus der 900 Gäste.

Zentrales Thema war auch die Flüchtlingsfrage. Eine klare Absage erteilte Maas Menschen, die Stimmung gegen Flüchtlinge antreiben: "Flüchtlinge sind keine Täter, sondern Opfer." Auch er wolle, dass die Zahl der Flüchtlinge abnehme, dafür seien aber Obergrenzen und Grenzzäune keine Lösung.

Die Opposition in Land und Bund wurde verschont, der Hauptgegner hieß AfD. Für sie fand Rehlinger deutliche Worte. "Es handelt sich schlicht und ergreifend um eine rassistische, diskriminierende und menschenverachtende Bewegung."
"Schnarchkappen" in der Landesregierung

Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Wallerfangen. Von wem sich die Stahlarbeiter in der Halle die Rettung ihrer Jobs am ehesten versprachen, verriet ein Schild vor dem Eingang der Wallerfanger Festhalle Walderfingia. "Oskar, bitte rette uns ein zweites Mal", stand darauf. Lafontaine ließ sich beim Politischen Aschermittwoch der Saar-Linken nicht lange bitten. Bevor die Kabarettistin Alice Hoffmann ("es Hilde") das Treffen mit einem Sketch über Fremdenfeindlichkeit eröffnete, trug sich Lafontaine in eine Unterschriftenliste der IG Metall zum Erhalt der Arbeitsplätze ein.

"Wir stehen zu euch", rief Lafontaine den rund 40 Stahlarbeitern zu, die sich in ihrer orangefarbenen Arbeitskleidung unter die rund 350 Besucher gemischt hatten und Lafontaine mit "Oskar, Oskar"-Rufen feierten. Lafontaine forderte eine Umverteilung großer Vermögen. Ein Millionen-Vermögen könne man sich nicht erarbeiten, sondern man könne es sich nur bei den Arbeitnehmern "klauen". Die große Koalition im Land bezeichnete er als "Pfeifen-Regierung", die aus lauter "Schnarchkappen" bestehe.

Annegret Kramp-Karrenbauer und Anke Rehlinger könnten auch ein Karnevals-Duo mit den Namen "Das ään unn das anner" abgeben, so Lafontaine. "Das ään", Rehlinger, habe "ein Fledermaus-Haus ohne Fledermäuse" bauen lassen, "das anner", Kramp-Karrenbauer, "eine HTW ohne Studenten". Lafontaine lästerte, es fehle nur noch "eine Fischzucht ohne Fische". Die Saar-SPD, so Lafontaine, habe "Angst, eine Regierung zu bilden. Wir haben eine linke Mehrheit, aber sie fühlen sich wohl im Arm der CDU." Die Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, spottete, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidige die schwarze Null "mindestens so vehement wie Sepp Blatter seine Unschuld". Sahra Wagenknecht sagte: "Die wirklich teuren Flüchtlinge sind die Steuerflüchtlinge." CSU-Chef Horst Seehofer tue das, was er am besten könne: "Er stänkert gegen die Bundeskanzlerin."
Grüner Hofreiter zollt Merkel Respekt für Flüchtlingspolitik

Von SZ-Redakteurin Nora Ernst

Saarlouis. Beim 14. Politischen Aschermittwoch der Grünen in Saarlouis schlug Anton Hofreiter , Vorsitzender der Bundestagsfraktion, eher zornige als bissige Töne an. Vor allem das Gebaren von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU ) in der Flüchtlingskrise erboste ihn. Wie solle dessen Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge denn umgesetzt werden? Solle man etwa mit Gummiknüppeln und Wasserwerfern auf die Flüchtlinge losgehen, sobald man die Obergrenze erreicht habe?

Kanzlerin Merkel zollte er hingegen Respekt dafür, dass sie eben diese Obergrenze ablehnt. Dass Deutschland voriges Jahr aber nicht "einmal ein paar 100 Millionen Euro" aufbrachte, um den Hunger in den Flüchtlingslagern in Syriens Nachbarländern zu bekämpfen, rügte er sehr scharf. Bei einem Haushaltsüberschuss von 12 Milliarden Euro, sei dies das Mindeste was Deutschland tun könnte.

Die Rede von Landeschef Hubert Ulrich war indes bereits stark vom anstehenden Landtagswahlkampf geprägt. Sein Fazit gestern Abend: Die Große Koalition habe keinerlei Schwerpunkte gesetzt, ein Regierungswechsel sei dringend notwendig. Sie habe kein Zukunftsbild, ganz im Gegenteil: Die Koalition setze die Zukunft des Landes aufs Spiel, indem sie etwa die Universität des Saarlandes in Saarbrücken kaputt spare. Besonders scharf schoss der Landeschef gegen "Umweltminister-Darsteller" Reinhold Jost (SPD ), dessen Handeln mit seriöser Umweltpolitik nichts zu tun habe. "So stelle ich mir Umweltpolitik in Entenhausen vor", sagte Ulrich.

Luksic: Kramp-Karrenbauer, die "Schuldenkönigin"

 Auch Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützte das Ansinnen der Stahl-Arbeiter.

Auch Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützte das Ansinnen der Stahl-Arbeiter.

Foto: ROLF RUPPENTHAL
 Sahra Wagenknecht, Bundestagsfraktions-Chefin der Linken, in Wallerfangen. Foto: BuB

Sahra Wagenknecht, Bundestagsfraktions-Chefin der Linken, in Wallerfangen. Foto: BuB

Foto: BuB
 Der Betriebsratschef der Dillinger Hütte, Michael Fischer (l.), überreichte Anke Rehlinger und Martin Schulz (r.) eine Uhr.

Der Betriebsratschef der Dillinger Hütte, Michael Fischer (l.), überreichte Anke Rehlinger und Martin Schulz (r.) eine Uhr.

Foto: BuB
Bundesjustizminister und SPD-Landeschef Heiko Maas nahm sich die Flüchtlingspolitik vor: „Grenzzäune sind keine Lösung.“

Bundesjustizminister und SPD-Landeschef Heiko Maas nahm sich die Flüchtlingspolitik vor: „Grenzzäune sind keine Lösung.“

Foto: BuB
Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter sprach gestern Abend in Saarlouis.

Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter sprach gestern Abend in Saarlouis.

Foto: bub


Dillingen. Ob Merkels Flüchtlingspolitik oder Steuerverschwendung im Saarland: Die Saar-FDP hat gestern Abend bei ihrem Aschermittwochstreffen im Dillinger Lokschuppen kräftig mit der politischen Konkurrenz in Bund und Land abgerechnet. Vor rund 130 Gästen nannte der FDP-Landesvorsitzende Oliver Luksic die Asylpolitik der Kanzlerin "platten Zweckoptimismus, der Deutschland und Europa ins Chaos gestürzt hat". Scharf schoss er auch gegen die Ministerpräsidentin: "AKK tritt als bescheidene Hausfrau auf. Für nächstes Jahr ist an der Faasend Schuldenkönigin angesagt." Mit Hohn quittierte Luksic die "verschlampte Steuer-CD" und die Affäre um das Flüchtlingsheim in Mettlach.

Klare Kante zeigte er auch gegenüber der AfD, die wie die FDP 2017 in den Saar-Landtag einziehen will: "Die halbwegs Vernünftigen haben die Partei verlassen. Wenn solche Leute so viel Zuspruch bekommen, läuft was schief im Land." faa

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