Kanzlerin im Anmarsch

Saarlouis · Wenn die Kanzlerin eine Stadt besucht, heißt das für die Sicherheitskräfte immer höchste Wachsamkeit. Wie schützt man die mächtigste Frau der Welt? Wir durften der Polizei Saarlouis über die Schulter schauen.

 Mit dem Eintreffen der Kanzlerin im Foyer des Theaters war für die Sicherheitskräfte ein wichtiges Etappenziel erreicht. Foto: bub

Mit dem Eintreffen der Kanzlerin im Foyer des Theaters war für die Sicherheitskräfte ein wichtiges Etappenziel erreicht. Foto: bub

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Vollsperrung nach einem Verkehrsunfall in der Metzer Straße. Und das genau in dem Moment, als die Wagenkolonne von Angela Merkel anrollt. Die Polizisten in der Saarlouiser Inspektion bleiben ruhig. Einsatzleiter Christian Zimmer und seine Kollegen sind zwar für die Sicherheit der Kanzlerin verantwortlich, doch von Hektik ist bei ihnen keine Spur. Dabei wird der Gefährdungsgrad der deutschen Kanzlerin als hoch eingestuft. Eine deutlich zweistellige Zahl an saarländischen Polizisten und mehrere Spürhunde sind im Einsatz, als Merkel ihren Besuch des Neujahrsempfangs im Theater am Ring antritt. Personenschützer kontrollieren die Anfahrt der Kanzlerin zusätzlich - und können die Straßensperrung doch nicht verhindern. "Mit so etwas müssen wir rechnen. Zwischenfälle wie dieser sind eingeplant", sagt Zimmer. In einen Stau zu geraten, stehen zu bleiben, das wäre zu gefährlich. Aus dem Grund wählt die Wagenkolonne spontan eine andere Route. Die Fahrt geht weiter.

Zimmer und sein Team bleiben wachsam. Sie verfolgen die Anreise der Kanzlerin vom Flughafen Ensheim nach Saarlouis ganz genau. Dazu haben sie sich in die Befehlsstelle im zweiten Stock der Dienststelle zurückgezogen. "Diesen Raum besetzen wir nur bei Großereignissen, etwa beim Public Viewing auf dem Großen Markt", verrät Zimmer. Neben ihm sind noch fünf weitere Einsatzkräfte anwesend - teils in Zivil, teils in Uniform. Sie notieren den Ablauf des Geschehens und halten Kontakt zu Polizisten , die draußen unterwegs sind. Auf neun kleinen und zwei großen Bildschirmen verfolgen sie das Einsatzprotokoll, aktualisieren es regelmäßig.

Ein Funkgerät rauscht. "Alles wie besprochen", ertönt eine verzerrte Männerstimme. "Ok, verstanden", antwortet Zimmer. Ansonsten ist es ruhig. Doch die langweilig wirkende Stille ist es, was sich das gesamte Team wünscht. "Es ist gut, dass alles nach Plan läuft. Wir haben viel Arbeit in die Koordination des Einsatzes gesteckt."

Aber wie genau sieht diese Arbeit aus? Wie schützt man die mächtigste Frau der Welt? Die Beantwortung dieser Frage führt meist zu Polizeisprechern, die nicht sprechen, sondern schweigen. "Absolute Verschlusssache", heißt es immer wieder. Auch Zimmer rückt nur zögerlich mit Details raus. Für die Organisation des Besuchs und für die Sicherheit der Kanzlerin seien mehrere Behörden verantwortlich. Das Landespolizeipräsidium hat das Sicherheitskonzept mit Merkels Personal in Berlin abgestimmt. Mehrere Wochen habe das gedauert, sagt Zimmer. Der Besuch der Kanzlerin sei eben kein alltäglicher Einsatz. "Personen dieser Gefährdungskategorie besuchen Saarlouis eher selten." Ein weiteres Konzept der Polizei : Sie versucht, jeglichen Trubel zu vermeiden und die Anreise der Kanzlerin möglichst unauffällig zu gestalten.

So läuft der Flugverkehr in Ensheim uneingeschränkt weiter, als Merkel um 16.45 Uhr landet. Straßensperrungen gibt es nicht. Genauso wenig wie Scharfschützen, verplombte Versorgungsschächte oder versiegelte Gullys. Nur der Platz direkt vorm Theater am Ring ist abgesperrt. Dort dürfen während der Veranstaltung keine Fahrzeuge parken.

"Ich denke, Angela Merkel trägt blaue Kleider", wirft einer der Polizisten ein und unterbricht so die Stille. "Ich tippe auf Grün", entgegnet ein anderer. Doch um eine Wette über die Farbe abzuschließen, bleibt keine Zeit. Wieder meldet sich die verzerrte Stimme aus dem Funkgerät: "Wir sind am Dreieck Saarlouis ." Das heißt, Merkel wird in wenigen Minuten in der Stadt ankommen. Wo genau möchte Zimmer nicht verraten, nur so viel: "Sie trifft sogar früher ein als geplant."

Erleichtert lehnt sich der Einsatzleiter zurück. Die erste Etappe ist geschafft. Um 18 Uhr wird die Kanzlerin ihre Rede halten und gegen 19 Uhr wieder weiterfahren. "Wenn die Straßensperrung der einzige Zwischenfall bleibt, bin ich zufrieden", sagt der Polizeioberrat und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: "Dann werden wir auch den restlichen Abend ohne erhöhten Puls überstehen." Die Ankunft der Kanzlerin wird Timo Flätgen wohl verpassen. Denn während Angela Merkel aus ihrer Limousine steigt, durch das Theater schreitet und sich hinter dem Rednerpult aufstellt, ist der Landesgeschäftsführer der CDU Saar noch voll im Treiben. "Ich muss mich unter anderem darum kümmern, dass unser Orchester zur richtigen Zeit den Einmarsch spielt", erklärt der 35-Jährige, der den Ablauf des Neujahrsempfangs mit koordiniert hat. Zu dem haben sich neben Merkel auch Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer , Kanzleramtschef Peter Altmaier , Saarlouis Bürgermeisterin Marion Jost und der frühere Ministerpräsident Peter Müller angekündigt. "So viel Prominenz begrüßen zu dürfen, ist schon etwas Besonderes", sagt der adrett gekleidete Mann. Um den Hals trägt er ein Band, an dem ein Schild mit der Aufschrift "Organisation" baumelt.

Damit alles glatt läuft, schuften er und sein Team schon seit mehreren Stunden. Sie haben Tische aufgebaut, die Bühne dekoriert, Banner aufgehängt und die Platzierung der Gäste festgelegt. Das sei eine Herausforderung gewesen, berichtet Flätgen und erklärt: "Die Kanzlerin wird ihre Rede im Theatersaal halten. Dort haben wir nur 650 Sitzplätze. Es kommen aber 1000 Gäste." Um die alle unterzubringen, sind die Organisatoren in den Festsaal des Theaters ausgewichen. Auf einer Leinwand soll dort das Programm des Neujahrsempfangs live übertragen werden. "Angela Merkel hat den Wunsch geäußert, im Festsaal eine kurze Ansprache halten zu dürfen, bevor sie weiter in den Theatersaal geht." Sie wolle sich möglichst unter die Gäste mischen. "Ansonsten hat die Kanzlerin keinerlei Ansprüche gestellt", verrät Timo Flätgen. Die Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern sei völlig unkompliziert gewesen.

Timo Flätgen Foto: Konrad

Timo Flätgen Foto: Konrad

Foto: Konrad

Flätgen ist zuversichtlich, dass auch abends alles nach Plan laufen wird. "Wenn erst mal alle Gäste sitzen und das Programm beginnt, haben wir den Löwenanteil geschafft", ist er überzeugt. Und dann - so hofft der Geschäftsführer - wird auch er die Gelegenheit haben, einen Blick auf die Kanzlerin zu erhaschen.

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