Auf einmal ist die Angst wieder da

Lebach · Nur noch eine christliche Familie aus dem Irak lebt derzeit in der Landesaufnahmestelle Lebach. Sie klagt, wie andere zuvor auch, über Angst vor anderen Asylbewerbern, unter denen genau jene Islamisten seien, vor denen sie doch geflohen sind. Der Assyrische Kulturverein bittet nun darum, diese Familie rasch in einer Wohnung im Saarland unterzubringen.

 Das Zusammenleben von Flüchtlingen in der Aufnahmestelle Lebach ist nicht immer spannungsfrei. Manchmal kommen mit den Menschen auch die Kriegsfronten nach Deutschland.Foto: Oliver Dietze

Das Zusammenleben von Flüchtlingen in der Aufnahmestelle Lebach ist nicht immer spannungsfrei. Manchmal kommen mit den Menschen auch die Kriegsfronten nach Deutschland.Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Er schläft nicht mehr, er wacht nachts. Der Mann, der Manager war in einem Fünfsternehotel in einer Weltstadt, als Hotelier ausgebildet in der Schweiz, der gut Englisch spricht und das Gespräch ganz geläufig auf Französisch fortsetzt, wenn es stockt. Ein Sohn sitzt dabei, Banker, sagt er, der zweite auch, Koch in einem Fünfsterne-Restaurant.

Nur beiläufig und ganz kurz zeigt der Vater die Brandlöcher von Zigaretten: in seinen beiden Waden, an den Schienbeinen. Sein Hotel war das "Babylon" in Bagdad, geflohen ist seine Familie aus Mossul im Irak, vor dem radikalislamischen IS.

Der Manager, ein assyrischer Christ, besitzt gar nichts mehr, er sitzt jetzt auf der abgenutzten Pritsche in Lebach , in der Landesaufnahmestelle für Asylbewerber. Ein Schock, ein Schock, sagt er immer wieder. Dass er hier in Lebach Syrer trifft, die er als Islamisten einstuft. "Ich erkenne sie sofort." Beleidigt, bedroht hätten diese Mitbewohner der Aufnahmestelle die christliche Familie aus dem Irak.

"Sie haben das deutsche Grundgesetz verflucht, sie haben auf unser Kreuz geschimpft. Ich hörte, wie sie darüber diskutierten, dass man Ungläubigen von hinten die Kehle durchschneide, nicht von vorne", berichtet ein Sohn. "Ich habe gehört, wie einer sagte, er wolle nur seine Familie in Sicherheit bringen und dann selbst in den Dschihad zurückkehren."

Wie andere auch, erleben diese Flüchtlinge , dass die Fronten des Bürgerkriegs, vor dem sie geflohen sind, selbst in der deutschen Unterkunft stehen. Deswegen haben sie Angst.

"Wir haben jetzt alle christlichen Familien aus Lebach in Wohnungen untergebracht", berichtet Charli Kanoun vom Assyrischen Kulturverein in Saarlouis . "Nur noch diese Familie ist da, und sie müsste so schnell wie möglich eine Unterkunft finden."

Seit September ist die Familie da, viel länger als üblich. Sie kam über Italien in die EU. Deswegen soll sie dorthin abgeschoben werden. Sie will aber nicht. Kanoun, dessen Verein schnell helfen könnte, hat Hebel in Bewegung gesetzt.

"Sie haben so viel Schlimmes erlebt. Es wäre einfach ein Gebot der Menschlichkeit, sie hier zu lassen." Roland Theis , dem Generalsekretär der Landes-CDU, dankt er ausdrücklich, weil er sich sofort engagiert habe. Auch Petra Berg , Landtagsabgeordnete der SPD , habe die Assyrer angehört und Hilfe versprochen. Der assyrische Kulturverein, einst nur zur Pflege der eigenen Tradition gegründet, kümmert sich heute stark um die christlichen Flüchtlinge vor allem aus Syrien und Irak. Im Saarland leben die meisten im Kreis Saarlouis .

Die Assyrer betonen immer wieder ihre Bereitschaft, sich bewusst und schnell zu integrieren. Auch der Hotelmanager auf der Pritsche in Lebach sagt: "Wir wollen in Deutschland und für Deutschland arbeiten. Wir sind doch alle" - und er weist auf seine Familie - "gut ausgebildet".

Der assyrische Kulturverein hat über das katholische Dekanat Saarlouis in Saarlouis einen Treffpunkt angemietet.

Da wird geredet, "wir treffen uns mit unseren deutschen Freunden, wir helfen den Flüchtlingen bei den Formalitäten, es gibt eine Tanzgruppe." Und vor allem: zwei Mal in der Woche ein Sprachkurs, den Deutsche ehrenamtlich anbieten.

Weil christliche Flüchtlinge in Lebach kürzlich öffentlich über ihre Probleme mit offensichtlich islamistisch orientierten Asylbewerbern gesprochen hätten, sagt Kanoun, "fürchten wir, dass jetzt keine assyrischen Christen mehr ins Saarland wollen. Obwohl das Problem genauso anderswo existiert."

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