Arbeitskampf im Nahverkehr

Kreis Saarlouis · Alle Räder stehen still, wenn des Fahrers Arm das will – das galt gestern für Busse der Kreisverkehrsbetriebe Saarlouis (KVS). Die KVS wurden wie alle kommunalen Verkehrsunternehmen im Land ganztägig bestreikt.

 Mit einem querstehenden Bus blockierten KVS-Mitarbeiter die Aus- und Einfahrt des Betriebshofs in Saarlouis.Location:Saarlouis

Mit einem querstehenden Bus blockierten KVS-Mitarbeiter die Aus- und Einfahrt des Betriebshofs in Saarlouis.Location:Saarlouis

Foto: rup

Kalt erwischt wurden gestern alle, die mit den KVS im Kreis Saarlouis fahren wollten. Den ganzen Tag bis 24 Uhr - ob noch länger, blieb bis heute Morgen unklar - wurde der Betrieb bestreikt. Die KVS-Belegschaft beteiligte sich am landesweiten Warnstreik. Das ärgerte Schüler auf dem Weg zum Mathe-Abi (siehe unten), aber nicht nur die.

Schulkinder ausgesetztChrista Büch aus Saarwellingen ist eine der ersten Anruferinnen bei der SZ gestern Morgen. "An die Kunden denkt da keiner", ärgert sie sich, "da krieg ich echt 'nen Hals." Die Umstände, die sie allen machen oder Verdienstausfälle wären den Streikenden wohl völlig egal. Und unangekündigt gehe das schon überhaupt nicht.Auch Ursula Rech ist höchst verärgert. Aus Düppenweiler, Ortsteil der Gemeinde Beckingen, der aber von den KVS versorgt wird, fuhr der Schulbus bis Diefflen. Mit Umsteigen zur Gemeinschaftsschule Nalbach war dann aber nichts - Streik. "Mein Sohn ist 15, aber da sind doch auch Kleinere dabei. Die kann man doch nicht einfach aussetzen", empört sich Rech über den unangekündigten Ausstand.

Geht es nach Wolfgang Robert, dem Betriebsratsvorsitzenden der KVS, müsste es auf diese beiden Beschwerdeführerinnen acht Kunden mit Verständnis geben. "Acht von zehn Leuten haben Verständnis", rechnet er angesichts der Kundenreaktionen hoch. Etwas Proteste habe es nur wegen des Mathe-Abis gegeben - "das haben wir nicht bedacht". "Inakzeptabel" ist das Angebot der Arbeitgeber am Montag für Robert gewesen. Deshalb habe die Tarifkommission den Warnstreik ausgerufen. "Ohne Vorankündigung, damit die Arbeitgeber das nicht mit Töchtern und Subunternehmern aushebeln", begründet der Betriebsratsvorsitzende das Vorgehen. Kundenproteste kann er nachvollziehen, aber die meisten hätten eben doch eher Verständnis, meint er.

KVS-Chef "total befremdet"Das geht Andreas Michel dem Geschäftsführer der KVS allerdings völlig ab. "Total befremdet" ist er, denn die Gewerkschaftsseite habe das Arbeitgeberangebot am Montag für verhandlungsfähig erklärt, und mit kommendem Dienstag sei auch schon der nächste Termin vereinbart gewesen. Die Auswirkungen nennt Michel "gravierend". "Ein, zwei Stunden Warnstreik über Mittag" könne er ja noch verstehen, aber unangekündigt einen ganzen Tag - Michel: "Das find ich schon sehr bedenklich, zumal wir keinen Witzbetrag angeboten haben." Auftragsunternehmer, deren Busse die KVS-Mitarbeiter blockiert haben, würde die KVS bezahlen müssen. Michel erwägt, die Streikenden dafür in Regress zu nehmen.

Schüler erscheinen pünktlich zur Mathe-Prüfung


Kreis Saarlouis. "Hurra, hurra der Bus fährt nicht" dürften die meisten Kinder und Jugendlichen in Abwandlung des Hits von der brennenden Schule singen, wenn ein Streik der kommunalen Bus- und Bahnbetriebe herrscht. So ein Pech aber auch, den Klassenraum nicht erreichen zu können . . .An einem Tag wie gestern gilt das für eine Gruppe junger Leute aber nicht: Diejenigen, die zum schriftlichen Abitur in Mathematik anzutreten hatten, waren dem Vernehmen nach wenig erfreut, die Fahrt in die Prüfungsräume umorganisieren zu müssen. Allerdings: Es sieht danach aus, dass es im Landkreis Saarlouis nochmal gut gegangen ist, wie eine Nachfrage bei vier unserer Gymnasien ergab.

Karina Weber, Schulsekretärin vom Geschwister-Scholl-Gymnasium, berichtet: "Bei uns waren alle rechtzeitig da." Sie hat allerdings ein paar mehr Autos als an sonstigen Tagen gesehen. Das bestätigt Hilde Rupp. "Unsere Abiturienten waren alle pünktlich da." Die Schulsekretärin vom Johannes-Kepler-Gymnasium in Lebach findet das angesichts des großen Einzugsgebiets des JKG bemerkenswert. Aber es seien ja ohnehin viele der Schüler motorisiert.

"Eigentlich keine Meldung von Verspätungen", sagt auch Martina Jeibmann, Schulsekretärin des Max-Planck-Gymnasiums Saarlouis. Die Abiturienten hätten erfolgreich andere Möglichkeiten gefunden, zum Abi zu kommen. Und Anneliese Hoffmann, Schulsekretärin am Albert-Schweitzer-Gymnasium Dillingen bestätigt den Trend: "Keine Probleme, alle waren pünktlich da." Dass es dieses Jahr zum ersten Mal um 9 Uhr statt früher um 8 mit den Prüfungen losging, hat - da sind sich die guten Seelen der Gymnasien einig - sicherlich auch dazu beigetragen, dass alles glatt ging. pum

pro

Nur so wirkt's

Von SZ-Redakteur Mathias Winters

Kaum ein Arbeitgeber ist in einer so komfortablen Situation wie die kommunalen Verkehrsbetriebe - zumindest was die überwiegende öffentliche Wahrnehmung betrifft: Du kriegst so 'nen Hals, wenn Bus oder Bahn, auf die du angewiesen bist, nicht fahren. Da ist es schnell vorbei mit dem Verständnis für Arbeitnehmer, im Grunde Kollegen, die für ihr Recht streiten.

Wenigstens ankündigen müssten die das doch, oder? Hört sich gut an, lässt aber Streikwirkung sehr schnell verpuffen. Ein Knäuel von Subunternehmertum, Töchtern und Auftragsvergabe ermöglicht Arbeitgebern, Streikaktionen auszuhebeln. Waffengleichheit in Arbeitskämpfen ist von außen oft kaum neutral zu beurteilen. "Nur so wirkt's", war das Motiv, den Warnstreik nicht anzukündigen. Nachvollziehbar.

contra

So geht's nicht

Von SZ-Redakteurin Margret Schmitz

Bei allem Verständnis für Streiks - so geht es nicht. Natürlich sind bei Arbeitskämpfen immer andere Menschen betroffen, und natürlich sind die Auswirkungen unangenehm und ärgerlich. Aber wenn die Busfahrer erst mitten in der Nacht unmittelbar vor Beginn ihren Ausstand ankündigen, ist das einfach zu kurzfristig. Viele sind schließlich auf das öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Sie haben Termine, müssen zur Arbeit, in die Schule, zum Arzt. Und nicht immer lässt sich so kurzfristig eine Fahrgemeinschaft oder ein Auto organisieren. Die Abiturienten, die gestern ihre Mathe-Prüfung schreiben mussten, hatten jedenfalls eine Menge - unnötigen - Stress. Andere standen an Haltestellen und wollten umsteigen - vergeblich. Es kann nicht sein, dass ein Streik so überraschend über die Bürger hereinbricht.

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