Streit um die geeignete Prothese

Lebach · Nach dem Gespräch mit Christine Knobe und ihrer Anwältin Katja Illner hat die SZ sich an die Barmer Krankenkasse gewandt und nachgefragt. In der Stellungnahme heißt es unter anderem, dass eine Bellmann-Vorfußprothese auch mit Silikon-Inlett gefertigt werden könne.

Als 2004 die Mutter von Christine Knobe starb, die sie lange Jahre gepflegt hatte, wollte "man mir etwas Gutes tun". Sie bekam als Asthmapatientin eine Kur in Davos. Dort passierte das Unglück. Ein Bus rollte ihr über den linken Fuß, als sie die Straße auf dem Zebrastreifen überquerte. Sechs Jahre später musste als Folge des Unfalles der Vorfuß amputiert werden. Sie bekam zunächst eine hohe Prothese bis zum Knie, da diese für den Anfang am besten geeignet sei.

Doch die Ärzte in Bad Mergentheim rieten ihr schon damals zu einer Silikonvorfußprothese. Später wurde ihr von der Uniklinik Heidelberg jedoch eine so genannte Bellmann-Vorfußprothese verschrieben. Doch auf diese reagierte sie allergisch. Sie bekam große Blasen, die Haut löste sich ab. "Ich hatte große Schmerzen ", berichtet die ehemalige Krankenschwester, die sich mit ihrer Rechtsanwältin Katja Illner an die Saarbrücker Zeitung wandte. Die 57-Jährige wurde immer wieder vertröstet, das würde ja abheilen.

Vom Orthopäden wurde ihr im Januar 2015 durch Rezept eine Silikonvorfußprothese verordnet. Doch ihre Krankenkasse, die Barmer, lehnte im Mai 2015 die Kostenübernahme von 7300 Euro ab. Der Medizinische Dienst der Krankenkasse schrieb damals, mit der beantragten Versorgung würde "das Maß des medizinisch Notwendigen überschritten". Eine hohe Prothese bis zum Knie sei "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich".

Kasse überschreitet Frist

Gegen diesen Bescheid legte die Anwältin Widerspruch ein. Obwohl für die Bearbeitung des Widerspruchs Fristen von maximal drei Monaten einzuhalten sind, überschritt die Barmer die Bearbeitungsfristen. Die Ersatzkasse benötigte eine Bearbeitungszeit von Mai bis November vergangenen Jahres, um den Antrag dann erneut abzulehnen. Am 9. November 2015 hat die Rechtsanwältin von Knobe gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid Klage beim Sozialgericht für das Saarland eingereicht.

Neben den Schmerzen hat Christine Knobe auch ein Problem mit dem Schuhwerk. Aufgrund der inzwischen seit Jahren fehlenden Prothese stopfte sie sich einen Pantoffel fest mit Watte aus und kann sich mit Hilfe von zwei Krücken so leidlich bewegen. "Das ist aber kein Zustand", merkt sie an. Darunter leiden ihr Rücken, ihre Schultern, die Arme und die Hände, es droht ihr der Rollstuhl, was auch der Orthopäde bestätigte. Mittlerweile haben sich Knochensplitter am amputierten Vorfuß gebildet, weil von Anfang an der Stumpf nicht richtig versorgt worden wäre.

Ende Januar sollte Knobe operiert werden. Doch der behandelnde Arzt will dies nur tun, wenn im Vorfeld geklärt ist, dass die Silikonvorfußprothese genehmigt ist, damit sein Werk, sprich die OP, nicht umsonst sei. Bereits im Juli 2016 hatte das Sozialgericht ein Gutachten in Auftrag gegeben, das positiv für Christine Knobe beschieden wurde.

Doch die Barmer interpretierte es anders. Sie sprach sich trotz gegenteiligem Gerichtsgutachten jetzt plötzlich wieder für eine Bellmann-Vorfußprothese aus, die sie noch im Widerspruchsverfahren wie auch die von Knobe beantragte Silikonvorfußprothese vehement ausschloss. Es könne nicht sicher gestellt sein, dass bei Knobe nicht auch eine Silikonunverträglichkeit bestehe.

Das Gericht forderte daraufhin eine Stellungnahme des gerichtlich bestellten Gutachters zu den Einwänden der Krankenkasse an. Der Gutachter lehnt darin erneut die Bellmann-Vorfußprothese als für Christine Knobe insgesamt ungeeignet ab und spricht sich nochmals deutlich für die Silikon-Vorfußprothese, gegebenenfalls einer Testung auf Silikonunverträglichkeit, aus. Darauf hat die Barmer bis dato noch nicht reagiert.

Operation abgesagt

Christine Knobe läuft die Zeit davon. Die dringend notwendige Operation Ende Januar musste sie jetzt mangels Prothesenzusage schweren Herzens absagen. Sie muss wieder längere Zeit warten, sich mit Krücken und demnächst wohl im Rollstuhl bewegen und Schmerzen erleiden.Die Gutachten von Ärzten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK), die wir als gesetzliche Krankenkasse im Interesse der Versicherten nicht ignorieren können, haben bisher gute Gründe gegen eine Versorgung mit einer Vorfußprothese aus reinem Silikon aufgezeigt. Voraussetzung für eine Vorfußprothese - ganz gleich ob "Prothese nach Bellmann" oder Prothese aus reinem Silikon - ist laut Gutachten der MDK-Ärzte und auch des Gerichtsgutachters die weitgehende Schmerzfreiheit des Fußstumpfes. Diese weitgehende Schmerzfreiheit kann nur nach einer operativen Stumpfrevision erwartet werden, die Frau Knobe bis zum Tag der Klageerhebung ablehnte. Dies hat sich nach Klageerhebung geändert und eine Neubewertung von Frau Knobes Situation aus medizinischer Sicht möglich gemacht.

Neubewertung nach Klage

Als Lösung für Frau Knobe bietet sich daher die Versorgung mit der stabileren Vorfußprothese nach Bellmann an. Durch diese Prothese ist mit einem besseren Gangbild zu rechnen als mit einer Vorfußprothese aus reinem Silikon und damit auch mit einer aus unserer Sicht besseren Versorgung. Frau Knobel ist derzeit im Besitz einer (teilfertigen) Vorfußprothese nach Bellmann aus Kohlefasergewebe. Eine Bellmann-Prothese kann allerdings auch mit Silikon-Inlett gefertigt werden und muss somit nicht zu einer allergischen Reaktion bei Frau Knobe führen. Eine Testung auf eine mögliche Silikonunverträglichkeit vor der Operation ist ohne die vom Gerichtsgutachter angeregte Vorfuß-Testprothese aus Silikon möglich, zum Beispiel durch das Tragen eines Silikonstrumpfs oder mittels eines Silikonpads.

Im Sinne der Versicherten plädieren wir für einen Test auf Silikonunverträglichkeit mittels Silikonstrumpf oder Silikonpad. Zeigen sich keine Auffälligkeiten, sollte die Stumpf revision vorgenommen werden, die Voraussetzung für das Tragen einer Vorfußprothese ist. Zu präferieren ist hierbei die Vorfußprothese nach Bellmann, da sie ein besseres Gangbild und damit auch eine aus unserer Sicht bessere Versorgung erwarten lässt.

Sollten sich nach erfolgter Operation tatsächlich unüberwindbare Probleme mit der Bellmann-Prothese mit Silikon-Inlett ergeben, kommt als Alternative eine Vorfußprothese aus reinem Silikon selbstverständlich infrage.

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