Gedankensprünge am Herd

St Johann · Dietmar Blume und Martin Huber betrachten ihre Zusammenarbeit vor allem als ein Aufeinandertreffen von zwei Individualisten. In ihrer neuen Produktion „Bacon versus Demenz“ findet es in der Küche statt.

 Debatte über Fenchel und Aubergine: Dietmar Blume (links) und Martin Huber bei der Probe zu „Bacon versus Demenz" im Theater im Viertel. Foto: Astrid Karger

Debatte über Fenchel und Aubergine: Dietmar Blume (links) und Martin Huber bei der Probe zu „Bacon versus Demenz" im Theater im Viertel. Foto: Astrid Karger

Foto: Astrid Karger

Eine Kochsendung läuft so ab: Alles ist gut vorbereitet, der geladene Koch kocht und parliert dabei, erläuternd, anekdotisch, möglichst informativ und amüsant. Bei "Bacon versus Demenz", der neuen Produktion des Theaterduos Blume und Huber, ist das ganz anders. Der Moderator, Figurenspieler Dietmar Blume, hat schon Schwierigkeiten, den Koch, "Gedankenschauspielkünstler" Martin Huber, überhaupt an den Herd zu bekommen. Denn der kommt lieber vom Hölzchen aufs Stöckchen und philosophiert. Der "Koch" assoziiert wild zum Thema Frühstücksspeck, irrlichtert vom Bacon (Speck) zu Francis Bacon, dem englischen Philosophen, der im 16. Jahrhundert für den Gedanken der Erkenntnis durch Erfahrung, nicht durch bloßes Nachdenken, eintrat. Der Moderator reagiert wendig, drängt den philosophischen Gast, auf den Punkt und ans Kochen zu kommen, doch dieser spinnt sein Garn unbeirrt weiter.

So erlebt und beobachtet der seit 2006 in Saarbrücken lebende Schauspieler und Regisseur Huber tagtäglich Kommunikation - Gespräche dienen vor allem der Darstellung und Vertiefung des eigenen Gedankens, der andere wird zum Stichwortgeber. Eine weitere Alltagsbeobachtung führt in die Weiten des Internets, das dem Suchenden, der "Bacon" in die Suchmaschine eingibt, völlig leidenschaftslos zahllose Speckfotos neben Gemälden des im 20. Jahrhundert beheimateten Malers Francis Bacon, Fotomontagen von auf Schinken durchs All fliegenden Katzen oder Hosenanzügen aus Schinken präsentiert. Erstaunlich und für Martin Huber Anreiz zu weitschweifenden gedanklichen Spielereien.

Das Assoziative schlägt auch die Brücke zur Demenz. Arno Geiger hat in seinem Roman "Der alte König in seinem Exil" geschildert, wohin Gespräche mit seinem dementen Vater gleiten konnten, für ein Künstlerduo tun sich da Räume auf, "neue Realitäten".

Um mit dem gesellschaftlich relevanten Thema Demenz möglichst behutsam umzugehen, fand das Duo im Figurentheater das geeignete künstlerische Mittel. Konkret in Gemüse, wir sind schließlich immer noch im Kochstudio, Gemüse mit Augen und Stimme. Was die Aubergine so bedrückt, "die Dinge mischen sich", und was der liebevolle Ehepartner Fenchel ihr rät, das bringen Blume und Huber in poetischen Bildern auf die Bühne.

Dietmar Blume und Martin Huber betrachten ihre wiederholte Zusammenarbeit vor allem als ein Aufeinandertreffen von zwei Individualisten, die, aus verschiedenen Ecken der Theaterkunst kommend, erst mal Reibung erzeugen. Blume betont, er sei der Handwerker. Er ist Schiffbauer und wurde in Ostberlin zum Figurenspieler ausgebildet. Im sächsischen Grenzgebiet zwischen Tschechien und Polen betreibt er die Theaterscheune Neugersdorf. Auch als Kopfwerker, wenn man das schon trennen will. Martin Huber war in Graz an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst, auf die Bühne wagt er sich allein oder im Ensemble, er engagiert sich kulturpolitisch im Netzwerk "Freie Szene Saar".

Premiere: 29. November, 20 Uhr, Theater im Viertel, Saarbrücken, Landwehrplatz. Weitere Vorstellungen: 30. November; 6. und 7. Dezember; 18. und 19. Januar; jeweils 20 Uhr.

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