Eine Arbeit und ein neues Leben für Adelheid

Dillingen · Wer krank oder eingeschränkt ist, hat schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wer dazu noch älter als 50 ist, fast keine mehr. Adelheid Schäfer hat es trotzdem geschafft, wieder eine Arbeit zu finden.

 Adelheid Schäfer arbeitet wieder: in der Wohnbereichsküche des Senioren-Palais. Foto: Seeber

Adelheid Schäfer arbeitet wieder: in der Wohnbereichsküche des Senioren-Palais. Foto: Seeber

Foto: Seeber

Adelheid Schäfer kommt meistens eine halbe Stunde zu früh. Wenn sie ihren Wohnbereich betritt und die rote Schürze umbindet, strahlt sie über das ganze Gesicht. Jeden der 44 Bewohner in ihrem Bereich des Senioren Palais Dillingen kennt sie mit Namen, auf dem Flur wechselt sie mit jedem ein paar freundliche Worte. "Ich arbeite gerne und ich zeige das auch", betont die Hauswirtschaftshelferin, und das sieht man ihr an.

Schäfer ist eine Arbeitnehmerin, wie man sie sich nur wünschen kann. Und dennoch hatte sie jahrzehntelang keine Chance mehr. Bis zu diesem Tag im Februar, als sie tatsächlich einen Arbeitsvertrag in Händen hält: "Ich hatte das Gefühl, zum ersten Mal verliebt zu sein", erinnert sie sich, "das muss man sich mal vorstellen: Mit 53 Jahren bietet man mir nochmal eine Arbeit an! Das ist ein neues Leben."

Über 50 Jahre alt, langzeitarbeitslos und schwerbehindert - nur eines dieser Merkmale macht die Vermittlung in einen festen Job schon sehr schwierig, in der Kombination ist sie fast unmöglich. So wie für Schäfer: Die gelernte Apothekenhelferin konnte nach gut 20 Jahren Familienzeit in ihrem Beruf keinen Fuß mehr fassen. "Mit Computern und alles anders, das konnte ich alles nicht mehr."

Dann wurde Schäfer krank, Depressionen, Borderline, mehrere Operationen. Sie schlug sich mit Aushilfsjobs durch: Zeitarbeit, Putzhilfe, Zeitungsausträger. Doch eigentlich hatte sie andere Pläne: "Ich wollte mit älteren Menschen arbeiten, die Hilfe brauchen. Denen möchte ich Freude vermitteln, so lange ich kann." Doch hörte sie immer wieder: "Schwerbehindertenausweis? Nein, danke!"

Im Herbst erhielt die Dillingerin dann eine Einladung vom Jobcenter : Ein neues Projekt, mal wieder. "Ich hatte Zweifel, ob das diesmal was ist." Doch dann trifft sie auf ihren neuen Coach, der ihr das Projekt "Aktion Arbeit und Beruf" (siehe Info) vorstellt. "Das hat mich direkt angesprochen", sagt Schäfer, "ich wollte ja Fuß fassen. Und die Frau hat gleich gemerkt: Die will!"

Schon eine Woche später hat sie den ersten Termin, erzählt, was sie bisher im Leben gemacht hat, wo sie gerne arbeiten möchte, von Stärken und Schwächen. "Endlich hat mir mal jemand zugehört - das hat mir richtig gut getan", schwärmt Schäfer. Und sie schreibt die erste Bewerbung in ihrem Leben. "Ich war immer eher der Typ: Hier bin ich, das kann ich", schmunzelt sie. Die Bewerbung gibt sie deshalb auch lieber persönlich ab im Senioren-Palais. Und schon zwei Tage später sitzt sie im Bewerbungsgespräch.

Nach ihrem Ausweis fragte Peter Kerber gar nicht. Der Heimleiter des privaten Pflegeheims Senioren-Palais hat noch nie negative Erfahrungen mit schwerbehinderten Angestellten gemacht, versichert er. Von seinen 148 Mitarbeitern sind dies insgesamt neun - eine vorbildliche Quote. "Man muss nur den Mut aufbringen, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen", meint er. "Es kommt auf die Stelle und auf die Person an - wenn das passt, gibt es keinen Grund, Schwerbehinderte nicht zu beschäftigen", rät er anderen Arbeitgebern.

Meinung:

Vorurteile mal ausblenden

Von SZ-Redakteurin Nicole Bastong

Wer sieht, mit welchem Eifer und mit welcher Freude eine Frau wie Adelheid Schäfer ihre Arbeit macht, fragt sich unweigerlich: Warum hat es so lange gedauert, bis sie eine Chance bekam? Natürlich schrecken Faktoren wie Alter, Einschränkungen und längere Arbeitslosigkeit ab. Doch Bereiche wie die Altenpflege und bald auch andere suchen händeringend Personal. Warum also nicht die Vorurteile mal ausblenden und es mit jemandem versuchen, der nicht auf den ersten Blick ideal erscheint? Heimleiter Kerber wird für seinen Mut reich belohnt.

Und noch etwas wird aus dieser Erfolgsgeschichte deutlich: Mit einer passgenauen und engagierten Betreuung gelingt auch eine Jobvermittlung, wenn andere sie schon abgeschrieben haben.

Zum Thema:

Auf einen BlickDas Projekt "Aktion Arbeit und Beruf" der Agentur für Arbeit Saarland und der saarländischen Jobcenter soll 300 schwerbehinderte, ältere Langzeitarbeitslose dauerhaft in Arbeit bringen. Gefördert wird es vom Bundesarbeitsministerium mit 1,41 Millionen Euro. Ziel ist es, bis Ende 2018 gerade kleine Unternehmen mit schwerbehinderten Arbeitssuchenden zusammenzubringen. Fünf Coaches begleiten beide Seiten intensiv. 94 Arbeitslose werden seit November vom Kooperationspartner Dekra betreut. Im Saarland waren im März rund 1900 Schwerbehinderte arbeitslos, 570 davon waren älter als 50 Jahre. Etwa 1600 Unternehmen im Saarland sind verpflichtet, Schwerbehinderte zu beschäftigen; nur drei Viertel tun es. nic

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