War der Hunnenring die Burg eines keltischen Fürsten?

Otzenhausen Hunnenring Siedlungsgeschichte Forschung Unversität Mainz

Wo lagen die Schwerpunkte Ihrer Forschung im vergangenen Jahr?Sabine Hornung: Im vergangenen Jahr haben wir uns intensiv mit der Frage nach der Entwicklung des Hunnenrings auseinandergesetzt. Uns ging es darum, zu verstehen, wann die Befestigungsmauern errichtet wurden, wie sie aufgebaut waren und wie sich die Siedlung auf dem Dollberg entwickelt hat. Das ist eine wichtige Grundlage, wenn man darüber nachdenken möchte, welche Funktion der Hunnenring einst hatte und ob er sich mit historischen Vorgängen in Verbindung bringen lässt, die uns durch schriftliche Quellen überliefert werden. Wir waren aber auch im Umfeld des römischen Tempels auf dem Spätzrech bei Schwarzenbach unterwegs. Dort gab es in der Römerzeit um den Tempel herum eine dorfartige Siedlung, deren Größe und Funktion wir mit unseren Begehungen untersuchen wollten. Wir haben auch geomagnetische Untersuchungen durchgeführt, um Hinweise auf mögliche Siedlungsstrukturen zu finden.Ein dritter Forschungsschwerpunkt im vergangenen Jahr beschäftigte sich mit den Steinbrüchen zwischen Sitzerath und Oberlöstern. Dort hat man Buntsandsteinkonglomerat gewonnen. Uns interessierte die Frage, wann man dort Stein abgebaut hat und wofür.Was haben Sie herausgefunden?Hornung: Am Hunnenring selbst haben wir die größten Fortschritte gemacht. Wir hatten das große Glück, bei einer Ausgrabung im Bereich des Vorwalles noch die gut erhaltenen Reste der Wehrmauer vorzufinden, so dass wir jetzt genau sagen können, wie diese etwa sechs Meter breite Mauer ursprünglich aufgebaut war. Zwischen den Steinen waren immer wieder Hohlräume zu erkennen, in denen einst die gitterförmig angeordneten Balken der Wehrmauer lagen. Mit diesen Erkenntnissen wären wir theoretisch in der Lage, die Mauer exakt nachzubauen. In den kommenden Monaten werden wir die Funde bearbeiten, so dass wir dann recht genau sagen können, wann die Mauer des Vorwalles gebaut wurde.Sie haben neue Erkenntnisse über das Alter der Wehrmauern gefunden?Hornung: Bisher hat man immer angenommen, dass alle Wehrmauern des Hunnenrings, die man heute noch sehen kann, gleichzeitig erbaut wurden. Dem war aber ganz sicher nicht so. Alles deutet darauf hin, dass der Vorwall in Wirklichkeit als erstes gebaut wurde und dann erst der obere Wall. Wir haben nämlich in der Mitte der Siedlungsfläche, etwa gegenüber der Schutzhütte, einen Graben entdeckt, der zu einem älteren Nordwall gehörte. Und an diesen älteren Nordwall wiederum schließen die Mauern des Vorwalles an. Wir gehen also davon aus, dass man die dreieckige Befestigung des Hunnenrings um 100 vor Christus einfach ein Stück nach Norden verschoben hat. Der alte Nordwall war dann natürlich im Weg und ist abgerissen worden. Den zugehörigen Graben hat man mit Erde verfüllt. Warum das alles geschah, wissen wir nicht genau. Es ist möglich, dass sich aus den Hängen zwischen Vor- und Hauptwall Steinblöcke gelöst und die Mauern zerschlagen haben. Vielleicht brauchte man aber auch einfach mehr Siedlungsfläche. Die ältere Wallführung schloss ja auch sehr steile Hänge ein, wo eine Bebauung nicht möglich war. Diese neuen Erkenntnisse zur Entwicklung des Hunnenrings sind sicher die spektakulärsten Ergebnisse unser Arbeiten in 2009.Was gibt es neues vom Spätzrech?Hornung: Für die römische Siedlung auf dem Spätzrech können wir aufgrund der neuen Forschungen sagen, dass sie eine Größe von rund 22 Hektar besaß. Das ist größer, als wir zunächst gedacht hatten und bedeutet, dass dort nicht nur Handwerksbetriebe wie Schmiede und Bronzegießerei ansässig waren, sondern dass dort auch eine größere Zahl von Zivilisten gelebt haben wird. Möglicherweise ist dieses Dorf, man spricht von einem vicus, sogar die Nachfolgesiedlung des Hunnenrings, da dort auch noch eine größere Zahl von keltischen Funden gemacht wurde, die zeitlich direkt an die jüngsten Funde vom Hunnenring anschließen.Und was haben Sie im Löstertal entdeckt?Hornung: Ein ganz bemerkenswertes Ergebnis unserer Arbeiten war auch, dass man zwischen Oberlöstern und Sitzerath schon im 4. und 2. Jahrhundert vor Christus, also in keltischer Zeit, Stein abgebaut hat, aus dem Reib- und Mühlsteine zum Mahlen von Getreide hergestellt wurden. Dort gab es wohl eine Werkstatt, welche die keltischen Siedlungen in der Umgebung mit solchen Produkten versorgt hat. Aus dem gleichen Stein, der dort im Umfeld des Schlittchen gewonnen wurde, hat man auch die Umfassungsmauer der beiden Oberlösterner Monumentalgrabhügel erbaut.Muss die Geschichte des Hunnenringes neu geschrieben werden?Hornung: Das muss sie definitiv! Die oben geschilderten Ergebnisse haben einige weitreichende Konsequenzen, zum Beispiel, dass die Siedlung auf dem Dollberg zu keiner Zeit mehr als zehn Hektar groß gewesen sein kann. Man ging bisher immer davon aus, dass es sich beim Hunnenring um ein Oppidum, also eine stadtartige Siedlung handelte. Nun sind aber die kleinsten anderen Oppida mindestens doppelt so groß, nämlich 20 Hektar und mehr. Auf dem Dollberg haben also deutlich weniger Menschen gelebt, als bisher angenommen und als in den stadtartigen Siedlungen spätkeltischer Zeit üblich. Man muss sich also die Frage stellen, ob der Hunnenring nicht vielleicht eine ganz andere Funktion hatte. Welche?Hornung: In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir schon 2008 nachweisen konnten, dass es dort oben schon 200 Jahre vor Errichtung der Steinmauern, also im 4. Jahrhundert vor Christus, eine befestigte Siedlung gegeben hat. Im Kern des heutigen Nordwalles steckt eine ältere Wehrmauer, die an der Ostflanke des Dollberges sogar noch ein Stück zu sehen ist. Diese Befestigung gehört in die Zeit der Schwarzenbacher Fürstengräber und bringt neuen Schwung in die Diskussion, ob der Hunnenring vielleicht schon in der Frühlatènezeit, konkret im 4. Jahrhundert vor Christus, eine Bedeutung als Fürstensitz innehatte.Welche Bedeutung hat die Siedlung Spätzrech?Hornung: Der vicus auf dem Spätzrech ist eine dorfartige Siedlung aus römischer Zeit, die neuesten Erkenntnissen zufolge rund 22 Hektar groß war und im Vorfeld eines Tempels entstanden ist. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist sie die Nachfolgesiedlung des Hunnenrings. Möglicherweise musste die einheimische Bevölkerung um 50 vor Christus den Hunnenring verlassen, vielleicht als Folge des Gallischen Krieges unter Caesar, da ja ein Teil der Treverer gegen die römische Besetzung rebellierte, und zog ins Tal, wo man eine bessere Anbindung an die für den Handel wichtige Römerstraße hatte. In jedem Falle liegt hier ebenfalls ein bedeutender Schlüssel für unser Verständnis der historischen Entwicklung der gesamten Region.Sie forschen ja nicht nur am Hunnenring direkt, sondern auch in der Umgebung. Im vergangenen Jahr auch im Löstertal. Warum?Hornung: Der Hunnenring wird ja schon seit einiger Zeit erforscht - vor allem, weil seine Mauern nicht zu übersehen sind und ein Denkmal von großer historischer Bedeutung versprechen. Aber schon hier zeigt sich ja durch die neuesten Forschungsergebnisse, dass es oft die unscheinbareren Dinge sind, die uns wirklich neue Erkenntnisse bringen. Und genauso verhält es sich auch mit unseren Forschungen im Umfeld des Hunnenrings. Ein solch bedeutender Ort konnte auch in keltischer Zeit nicht existieren ohne eine Vielzahl von Gehöften im Umland, die Ackerbau und Viehzucht betrieben. Deshalb ist es wichtig, diese Gehöfte zu finden, auch wenn von ihnen heute nichts mehr zu sehen ist. Gräberfelder wiederum können uns wichtige Hinweise auf die ehemalige Bevölkerung geben. Sie verraten uns, wie die Gesellschaft in der Region in keltisch-römischer Zeit aufgebaut war, wie reich man war, über welche Luxusgüter man verfügte. Dass es sich lohnt, auch das Umfeld einer Siedlung wie des Hunnenrings zu betrachten, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass wir bis heute nicht wissen, wo dessen ehemalige Bewohner bestattet waren. Auch das werden wir noch herausfinden müssen. Und dann ist es natürlich wichtig zu verstehen, wie sich die Menschen mit lebenswichtigen Gütern versorgt haben. Damit meine ich nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Eisen für Werkzeuge, Kupfer, beziehungsweise Bronze für Schmuck und Luxusgegenstände, Glas, ebenfalls primär für Schmuck, Ton für die Herstellung von Gefäßen, aber auch zum Hausbau und natürlich Stein, zum Bau der Mauern oder von Gebäuden in römischer Zeit und auch zur Reibsteinherstellung. Wir möchten herausfinden, welche Dinge man importiert hat, und was man selbst herstellen konnte, um mehr über das Leben der Menschen sagen zu können. Dazu darf man nicht ein einzelnes Denkmal betrachten, sondern muss eine ganze Landschaft unter die Lupe nehmen und verstehen. Das ist natürlich nur mit Hilfe zahlreicher naturwissenschaftlicher Methoden möglich. > wird fortgesetzt

Zur Person Sabine Hornung arbeitet am Institut für Vor- und Frühgeschichte der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Sie forscht seit 2006 am Hunnenring und leitet das gesamte Forschungsprojekt der Universität über die Festungsanlage. Hornung hat vor, über das Projekt zu habilitieren. In dieser Arbeit wird es darum gehen, alle Einzelforschungen zu einem historischen Gesamtbild zu verknüpfen. Promoviert hat sie ebenfalls über die Region. Ihre Doktorarbeit beschäftigte sich mit der Hunsrück-Eifel-Kultur, also der Zeit zwischen dem 7. und 3. Jahrhundert vor Christus im Gebiet von Hunsrück und Eifel. vf

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort