Neues Gutachten zu RAG-Plänen Welche Folgen hätte ein Grubenwasseranstieg?

Saarbrücken · Ein neues Gutachten sieht keine Gefahr für das Trinkwasser. Nur für das Scheidtertal lässt sich eine Verunreinigung nicht völlig ausschließen.

 Tagesanlage Luisenthal: Im Dezember 2016 hatte die RAG mit den Abrissmaßnahmen im Luisenthal begonnen. Archivfoto: Becker & Bredel

Tagesanlage Luisenthal: Im Dezember 2016 hatte die RAG mit den Abrissmaßnahmen im Luisenthal begonnen. Archivfoto: Becker & Bredel

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Ein neues Gutachten zur geplanten Grubenflutung hat die Diskussion um die Sicherheit des Trinkwassers neu aufflammen lassen. Der Bergbaukonzern RAG plant, das Grubenwasser in den Wasserprovinzen Reden und Duhamel zunächst auf -320 Meter steigen zu lassen. Im zweiten Schritt soll es dann bei 190 Metern über Null in die Saar fließen. Für die erste Phase hat die RAG nun beim Oberbergamt den Antrag gestellt. Seit Montag sind die Planungsunterlagen und zwei Gutachten, die die Landesregierung in Auftrag gegeben hatte, öffentlich einsehbar.

Der Hydrogeologe Professor Jürgen Wagner sieht in seinem Gutachten keine Gefahr für das Trinkwasser: „Stoffliche Veränderungen in den wasserwirtschaftlich genutzten Gebieten wird es in dieser Grubenwasseranstiegs-Phase nicht geben.“ Durch die erste Phase sei für die Gebiete, die der Trinkwassergewinnung dienen, „keine erkennbare nachteilige Beeinflussung“ zu erwarten.

Für das Scheidtertal kann er dies jedoch nicht mit Sicherheit sagen, da dort das Gestein Auffälligkeiten aufweist – und genau das sorgt nun in der Öffentlichkeit für Diskussionen. Wagner hält es zwar für äußerst unwahrscheinlich, dass das Grundwasser dort beeinträchtigt werden könnte, kann es aber „nicht gänzlich ausschließen“. Deshalb empfiehlt er weitere Messungen während des Monitorings, das den Wasseranstieg begleiten würde – und zwar in den Gebieten der Trinkwasserversorger KEW Neunkirchen (Kasbruch, Hirschberg), Stadtwerke St. Ingbert, Sulzbach und Saarbrücken sowie Energis (Spiesermühlental).

Aus Sicht der saarländischen Grünen ist eine Genehmigung des RAG-Antrags vor diesem Hintergrund undenkbar. „Eine Gefahr für das Trinkwasser muss zu 100 Prozent ausgeschlossen werden“, sagte die stellvertretende Landesvorsitzende Barbara Meyer-Gluche. Dies sei auch immer die Position der Landesregierung gewesen. Jetzt müsse sie zu ihrem Wort stehen.

Auch die Wasserversorger sehen die neuen Erkenntnisse mit Sorge: „Wir sind bislang davon ausgegangen, dass eine Verunreinigung für das Grundwasser völlig ausgeschlossen werden kann. Das ist offenbar nicht mehr der Fall“, sagte Martin Bock, Geschäftsführer des Verbands der Energie- und Wasserwirtschaft des Saarlandes (VEW Saar). Sollte die erste Phase genehmigt werden, müsse es auf jeden Fall ein Monitoring des Grundwassers geben, sagte Bock.

Bis 15. November liegen die Pläne der RAG, Wagners Arbeit und ein weiteres Gutachten in den 30 betroffenen Gemeinden, in denen rund 600 000 Menschen leben, aus. Bürger können bis zum 15. Januar schriftlich Einwendungen erheben. Auch der VEW Saar will in dem Verfahren eine Stellungnahme abgeben.

Wagner hat in seinem Gutachten auch andere Risiken unter die Lupe genommen. So kommt er zu dem Schluss, dass ein Anstieg auf -320 Meter zu Erschütterungen, Bodenhebungen und Ausgasungen führen würde. In der ersten Phase werde es insbesondere im Bereich des Bergwerks Saar Erschütterungen geben, die aber „bei weitem nicht die Intensität haben, die beim früheren Abbau auftraten“, heißt es in dem Gutachten. Würde man die Gruben nicht fluten, würden Erschütterungen laut Wagner zwar seltener auftreten, sie wären aber stärker und zeitlich nicht vorhersehbar.

Auch mit Bodenhebungen von drei bis elf Zentimetern ist Wagner zufolge zu rechnen. Während des Anstiegs des Wassers sei zudem das Risiko von Ausgasungen am höchsten. Nach der Flutung gehe die Gefahr jedoch zurück. Bei den Ausgasungen könnten gefährliche Stoffe wie Radon oder explosive Methan-Luft-Gemische freigesetzt werden. Wagner hält eine Überwachung für notwendig, vor allem für größere versiegelte Fläche wie Straßen und Plätze. Außerdem sollte ein „schubladenfertiger Maßnahmen- und Alarmplan“ ausgearbeitet werden, empfiehlt der Geologe.

Den Grünen geht das Gutachten in diesen Punkten nicht weit genug. Wagner hatte sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit der Frage befasst, welche Auswirkungen auf das Grund- und Trinkwasser zu erwarten wären. Weitere Risiken wie Ausgasungen, Bodenhebungen und Erschütterungen nahm er nur ergänzend mit auf. Die Grünen fordern deshalb eigene Gutachten zu diesen Fragen. „Neben der Trinkwasserproblematik muss die Landesregierung auch die anderen Gefahren endlich mit der notwendigen Ernsthaftigkeit behandeln“, sagte Meyer-Gluche.

Grundsätzlich hält Wagner eine Flutung der Gruben für sinnvoll – sofern keine Gefahr für das Trinkwasser besteht. Denn die Pumpen, die derzeit das Grubenwasser an die Oberfläche bringen, verbrauchen viel Energie. Wagner hat berechnet, dass der Kohlendioxid-Ausstoß, den man innerhalb von zwölf Jahren für das Pumpen benötigt, dem von 65 000 Autos entspricht.

Die Unterlagen der RAG und die beiden Gutachten sind in den 30 betroffenen Gemeinden ausgelegt und unter www.uvp-verbund.de abrufbar.

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