Interview mit Clemens Zimmermann Bauer sucht Information

Saarbrücken · Ein Saarbrücker Workshop geht der Frage nach, was „Landmedien“ auszeichnet.

Noch ist es ein sehr spezieller Forschungsaspekt. Aber ein Workshop des Lehrstuhls für Kultur- und Mediengeschichte der Saar-Uni befasst sich jetzt mit „Landmedien im 20. Jahrhundert“. Wir sprachen mit dem Saarbrücker Historiker, Professor Clemens Zimmermann.

Herr Professor Zimmermann, Thema Ihrer Veranstaltung sind die „Landmedien im 20. Jahrhundert“. Was genau darf man sich unter Landmedien vorstellen? Ist das eine Art „Bäckerblume“ für den Bauern – oder sind es Fachblätter zu Melkmaschinen und Traktoren?

ZIMMERMANN Es sind in der Tat Medien, die sich direkt an die Landbevölkerung wendeten und das heute teilweise noch tun. Wetternachrichten im Radio waren beispielsweise seit den 1920er Jahren schon sehr wichtig für die bäuerliche Bevölkerung – aber auch Ratgeber-Sendungen für Landfrauen. Das sind spezielle Zielgruppensendungen. Und natürlich hatten auch die Zeitungen in Kleinstädten und in ländlichen Regionen ein besonderes Gepräge.

Heute leben wir im globalisierten Dorf. Das Internet erreicht fast den letzten Winkel. Inwiefern sind da spezielle Medien für die Landbevölkerung noch von Nöten? Den Wetterbericht bekomme ich maßgeschneidert für jedes Kuhkaff auf mein Smartphone.

ZIMMERMANN Zunächst muss man das im historischen Rahmen sehen. Etwa beim Zugang zum Kino: So war es für die Landbevölkerung bis in die 1960er Jahre deutlich leichter, ins Kino zu kommen als heute, denn die meisten der kleineren Kinos auf dem Land sind mittlerweile geschlossen. Auch sollte man die Bedeutung des Internets nicht überbewerten. Weiterhin ist die Lokalzeitung, in unserer Region also die Lokalausgaben der Saarbrücker Zeitung, nachweislich eine wichtige Informationsquelle. Menschen orientieren sich keineswegs nur global, sondern sie orientieren sich auch lokal.

Wie unterscheidet sich die Information grundsätzlich, die man Menschen auf dem Land anbieten muss im Vergleich zu den Nachrichten für Städter?

ZIMMERMANN Die lokale Nachricht spielt natürlich für die ländliche Bevölkerung eine deutlich größere Bedeutung als für Städter. Seit den 1920er Jahren verbreitete sich das Radio auch in ländlichen Gebieten, dadurch erhielten die Menschen auf dem Land Anschluss an große Ereignisse, an hochklassige Musik, an den Sport. In den späten 1950er Jahren breitete sich das Fernsehen auf dem Land sogar rascher aus als in Städten. Durch beide Entwicklungen war es nun auch leichter, im Dorf wohnen zu bleiben. Und dann ist es gerade im Saarland so, dass das Gefühl, hier im Saarland zu leben, sehr stark über Medien vermittelt wird. Es ist ja eine sehr dichte Berichterstattung, und ich gehe davon aus, dass das in den ländlichen Räumen sehr stark rezipiert wird, während der aus Mannheim oder Hamburg zugezogene Städter das weniger wahrnimmt.

Da geht es also um Identifikation oder auch Bestärkung des Heimat-Gefühls?

ZIMMERMANN Durchaus, Medien sind eben auch Medien der Heimat, die nicht nur über lokale Ereignisse berichten, sondern es ist eine regionale Identität, die da vermittelt wird. Ich habe das mal so formuliert: Ohne den Saarländischen Rundfunk kann man sich das Saarland als Bundesland gar nicht vorstellen. Also auch zur staatlichen Identität tragen Medien bei. Und in dünn besiedelten Gebieten sind Medien schon deshalb wichtig, damit die Leute dort wohnen bleiben.

Landmedien ganz anderer Natur sind Magazine wie „Landlust“, mit Auflagen zum Teil in Millionenhöhe. Wie erklären Sie sich deren Erfolg?

ZIMMERMANN Bei der „Landlust“ und ähnlichen Zeitschriften handelt es sich um eine attraktive Mischung, bei der die positiven Seiten des Landlebens geschildert werden. Man zeigt die schlichte Schönheit des Landes und harmonische soziale Beziehungen. Dazu kommt das starke Interesse auch bei Städtern für Gartenthemen. Man kann so am imaginierten Land teilhaben, ohne sich den Anstrengungen des Landlebens unterwerfen zu müssen.

In solchen Zeitschriften sieht das Landleben so aus, dass man sich vor perfekt renovierten Klinker-Gehöften den ganzen Tag der Gartenpflege widmet oder im Cottage Kuchen bäckt, ohne offenbar einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen. Das ist meilenweit weg von der Wirklichkeit. Wir erleben ja das Gegenteil, den Zuzug in die Städte und ein Ausbluten mancher Regionen wie etwa der Eifel. Wie kommt diese Diskrepanz zustande?

ZIMMERMANN In der Tat haben wir Gebiete in der Eifel und in den Höhenlagen der Mosel mit solchen Problemen, weil dort Ausbildungsstätten für Jüngere fehlen oder auch Ärzte und Krankenhäuser. Es ist also nicht nur Stadtlust, sondern es sind handfeste Gründe, die Menschen in die Städte treiben. Gleichzeitig entwickelt man aber eine idealisierte Vorstellung vom Land. Das hat aber Tradition. Im 19. Jahrhundert spricht man sogar von der Großstadtfeindschaft, obwohl sich die Landwirtschaft damals stark ökonomisierte. So eine Gegenläufigkeit von demografischen und ökonomischen Entwicklungen einerseits und kulturellen Vorstellungen andererseits, ist nicht neu.

Also eine Art Romantisierung?

ZIMMERMANN Ja, die Agrar-Romantik in neuer Form.

Workshop „Landmedien im 20. Jahrhundert“: 19. und 20. Oktober, Villa Lessing. Lessingstraße 10, Saarbrücken.

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