Auf der Schwelle der Erinnerung

Völklingen · Im Beisein von rund 100 Bürgern ist gestern eine so genannte Stolperschwelle vor dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte verlegt worden. Sie soll an die Zwangsarbeiter in der Hütte während der NS-Zeit erinnern.

 Frisch eingesetzt glänzt die Stolperschwelle aus Messing auf dem Boden vor dem Haupteingang des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Foto: Becker & Bredel

Frisch eingesetzt glänzt die Stolperschwelle aus Messing auf dem Boden vor dem Haupteingang des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Rund 100 Bürgerinnen und Bürger haben gestern Nachmittag verfolgt, wie Gunter Demnig mit Mörtel und Maurerkelle vor dem Haupteingang zum Weltkulturerbe Völklinger Hütte eine Stolperschwelle ins Pflaster einbrachte. Mit dem Riegel aus Messing wollen der Kölner Aktionskünstler und das Aktionsbündnis Völklingen an die Opfer der Zwangsarbeit bei den Röchlingschen Eisen- und Stahlwerken in der Nazizeit erinnern. "Unter den 219 toten Frauen und Männern, die ihre letzte Ruhestätte in der Ausländergedenkstätte des Völklinger Friedhofs haben, befinden sich auch 35 Kleinkinder", erklärte Hubert Kesternich vom Aktionsbündnis in seiner Ansprache. Die meisten dieser Opfer seien zwischen 1942 und 1944 bei den Röchlingschen Eisen- und Stahlwerken beschäftigt gewesen. "Sie starben an Krankheiten, Hunger, Arbeitsunfällen, Misshandlungen, Kriegseinwirkungen und den Folgen der Ausbeutung, die ihnen auf diesem Werk widerfuhr", so Kesternich.

Mitglieder des Aktionsbündnisses lasen in der Feierstunde anschließend die Namen der Opfer und - soweit vorhanden - deren Geburtsort und -datum vor. Die meisten der Männer und Frauen waren demnach erst um die 20 Jahre alt, als sie hier für die Fortsetzung des Krieges Frondienste leisten mussten. Musikalisch begleitete der Chor "Les Amis du Chant" aus Petite Rosselle die Verlegung mit der Friedensbotschaft "Schalom Salam".

Unter den Besuchern befanden sich viele bekannte Gesichter, in vorderster Reihe etwa der Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, während Völklingens Oberbürgermeister Klaus Lorig und Weltkulturerbe-Direktor Meinrad Maria Grewenig die Versammlung aus einigen Metern Distanz verfolgten.

"Ich hab nichts gegen die Ziele, nur den Ort halte ich nicht für würdig", wiederholte Grewenig gegenüber unserer Zeitung seine bekannte Position. Kontroversen hat der Künstler Gunter Demnig , der europaweit nach eigenen Angaben bereits 48 000 Stolpersteine zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit verlegte, schon öfter erlebt. "Aber in dieser Form", sagte er, "eigentlich noch nicht". "Befremdlich" fand er, "dass diese Vergangenheit im Grunde geleugnet werden sollte, ein anderer Ort gefunden werden sollte, wo es nicht wehtut". Selbst wenn gelegentlich Mülltonnen auf der Schwelle stehen sollten, so findet Demnig den Ort am Haupteingang zum Weltkulturerbe genau richtig. Dass Besucher mit ihren Füßen auf die Stolperschwelle treten, sei der Würde der Opfer nicht abträglich. "Die Leute sollen ja drüber gehen, damit die Schwelle blank bleibt", bekräftigte Demnig.

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Auf einen BlickZur Erinnerung an die Opfer des Nazi-Terrors sind gestern in Völklingen acht Stolpersteine angebracht worden: auf dem Heidstock, zwei in Fürstenhausen, in Geislautern und in Völklingen selbst, drei davon in der Poststraße. Vor dem Haupteingang der Völklinger Hütte wurde eine Stolperschwelle verlegt. Auch St. Ingbert hat gestern acht Stolpersteine bekommen: zwei in der Kaiserstraße, an der Ecke Spieser Landstraße/Am Mühlwald und in der Wittemannstraße. pam

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