Junge Frau sehnt sich nach normalem Gehen

St Ingbert/Dillingen · Amina Zerizgi aus Eritrea kann seit einem zehn Jahre zurückliegenden Unfall in ihrer Heimat ihr rechtes Bein nicht benutzen. Im Kreiskrankenhaus St. Ingbert wird ihr mit modernstem medizinischen Standard geholfen.

 Chefarzt Josef Mischo (r.), Dr. Klemens Bieringer und Aminia freuen sich über die gut verlaufene Operation. Foto: Jörg Jacobi

Chefarzt Josef Mischo (r.), Dr. Klemens Bieringer und Aminia freuen sich über die gut verlaufene Operation. Foto: Jörg Jacobi

Foto: Jörg Jacobi

Die junge Frau aus Eritrea kann sicher einiges wegstecken. Ihr rechter Unterschenkel zeugt davon. Ihn umschließen drei Ringe. Sie sind untereinander mit diagonal verlaufenden Teleskopstangen verbunden, an der Konstruktion fixierte Nägel gehen durch die Haut in die Knochen. Das futuristische Gestell - der Taylor Spatial Frame (TSF) - verrichtet beinahe Wunder nach den Worten des behandelnden Arztes Klemens Bieringer. Es verlängert und richtet den Unterschenkel der 18-Jährigen, der nach einem Trümmerbruch vor zehn Jahren mit verschiedenen Fehlbildungen so verheilt war, dass die junge Frau das rechte Bein nicht benutzen konnte.

Amina Zerizgi heißt die afrikanische Patientin, die für die spezielle Behandlung aus ihrer Heimat nach St. Ingbert ins Kreiskrankenhaus gekommen ist. Über ihre Tante in Frankfurt und eine Eritreerin, die in Saarbrücken lebt, kam der Kontakt zur "Initiative Hilfe für Einzelschicksale International" zustande. Die Initiative mit Sitz in Dillingen kümmerte sich darum, dass Zerizgi ihr Heimatland verlassen konnte, und zahlte einen Flug nach Frankfurt. Aus dem ostafrikanischen Staat überhaupt rauszukommen, ist nach den Worten von Zerizgis Onkel Adem Abderuhman alles andere als einfach. Beim Pressegespräch bringt Zerizgis Saarbrücker Dolmetscherin Akberet Debessai die Situation in ihrer Heimat auf den Punkt: Wer in dem kleinen Land geboren sei, der habe ganz unverschuldet großes Pech gehabt. Amina Zerizgi hingegen hatte neben ihrem starken Willen auch das Glück, Unterstützung zu finden. Die Dillinger Initiative nahm sich ihr an und fand im Kreiskrankenhaus einen medizinischen Partner. Die Klinik trägt die Kosten der Behandlung. Der Hersteller stellte seine Spezialschiene (rund 15 000 Euro teuer) günstig zur Verfügung, wie Chefarzt Dr. Josef Mischo sagt. Dr. Mohammed Ghodstinat, Vorsitzender der Initiative, weiß das Engagement zu schätzen. Ohne die Unterstützung wäre eine solche Hilfsaktion nicht zu finanzieren, meint er.

Ärzte wollten amputieren

Mitte Januar und Anfang März wurde Zerizgi operiert. Ihr Bein macht gute Fortschritte, sagt Oberarzt Bieringer. Der Chirurg und Sektionsleiter der Endoprothetik im Kreiskrankenhaus erläutert die Vorgeschichte detailliert: "Amina ist mit acht Jahren in ihrer Heimat von einem Auto angefahren worden. Die Ärzte vor Ort wollten das Bein amputieren. Aber sie wehrte sich dagegen." Der Bruch heilte mit Fehlstellungen im Schienbeinkopf und im oberen Sprunggelenk, das versteift ist. Auch das Knie sei "völlig instabil" gewesen. Die Mutter habe Amina einige Jahre zur Schule getragen, bis sie ihr zu schwer wurde. Nun versuchen die Mediziner, ihr ein normales Gehen zu ermöglichen. Der rechte Unterschenkel ist um 6,5 Zentimeter verkürzt. Vor der OP haben die St. Ingberter Mediziner die Fehlstellung vermessen und einen Korrekturplan ausgearbeitet. Der TSF dehnt den Knochen pro Tag einen Millimeter auf und bringt ihn in die gewünschte Position, während sich neue Knochensubstanz bildet. Eine "komplexe Korrektur" sei dies, sagt Bieringer. Der Chirurg bedient sich dabei auch des Computers, um das Gestänge zu justieren: "Das System erlaubt Berechnungen, wo wir zu welchem Zeitpunkt drehen."

Unter chirurgischen Aspekten ist die Behandlung der jungen Frau aus Eritrea eine Herausforderung. Aber auch im täglichen Umgang müssen beide Seiten lernen. Da die Patientin kein Hocharabisch spreche, sei die Verständigung schwierig, sagt der Arzt. "Wir haben ein kleines Wörterbuch aus dem Internet heruntergeladen. Und das Pflegepersonal ist sehr erfinderisch." Seitens der Dillinger Initiative ist zudem Sarvenaz Shad regelmäßig im Krankenhaus und hilft der jungen Afrikanerin. Oberarzt Bieringer ist zuversichtlich. Etwa ein halbes Jahr wird Amina Zerizgis Behandlung dauern. "Sie ist ein starkes Mädchen", sagt er.

Spenden bitte an die Initiative Hilfe für Einzelschicksale, Kontonummer 224 50 777 2 bei der KSK Saarlouis, BLZ 593 501 10. Info bei Mohammed Ghodstinat, Telefon (0 68 31) 70 14 20.

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