Bei aller Liebe

Saarbrücken · Er, Anfang 50, Arzt und allein, sucht Sie, Mitte 20, schön und schlau. Und er ist bereit zu zahlen – für Sex, Urlaube oder ihre Promotion. Immer mehr Männer, die Geld haben und Nähe wollen, suchen auf Internetportalen für „Sugar Daddys“.

Frank Müller (Name geändert) ist der unglücklichste Mensch, den er kennt - sagt er. Der Saarbrücker hat schon häufig gedacht, die Richtige gefunden zu haben, und weil er jedes Mal irrte, sucht er noch immer. Was genau? "Eine schöne, längere Beziehung zu einer jungen Frau, regelmäßige Treffen, Sinnlichkeit, Erotik, Liebe " - schreibt er. Müller ist Anfang 50 und hat ein Profil bei sugardaters.com, einer Webseite, auf der ältere, meist wohlhabende Männer jüngere, nicht ganz so wohlhabende Frauen anschreiben. Ein paar Chat-Nachrichten, Bilderaustausch, in der Regel folgt dann das erste Treffen. Er sucht Liebe , sie will Geld . Müller ist Arzt, kann Faust zitieren, ist aufmerksam, hat Humor - so ein Mann, der müsste doch auch so eine Frau finden, denkt man.

"Eine normale Beziehung ist nicht das, was diese Männer wollen", sagt die Paar- und Sexualtherapeutin Beatrice Wagner. Es sei das Bedürfnis nach Nähe, verbunden mit dem Wissen, diese Nähe nach Belieben wieder abbestellen zu können, die Männer dazu bringt, hierfür zu bezahlen. Gibt man auf sugardaters.com im Suchfenster "Saarbrücken " ein, findet man fast 30 Profile - Tendenz steigend. "Im Unterschied zu einer Beziehung sind die Rollen klar definiert. Im Vergleich mit einer Affäre ist das Verhältnis eines ,Sugar Daddys' zu seinem ,Babe' weniger emotional und somit weniger bindend. Gleichzeitig geht es den Männern aber um mehr als Sex , ist also mehr als der Besuch bei einer Prostituierten", sagt Wagner.

Bislang hat Müller vergeblich nach einer jungen Gespielin Ausschau gehalten. Aus zwei Treffen mit interessierten Frauen habe sich nie etwas ergeben. Müller hat aufgrund seines Berufs wenig Zeit, er möchte keine feste Bindung, keine Verantwortung. Er will: Spaß auf Abruf mit einer jungen, schlanken Frau, gerne unter 30. Im Alltag finde er die aber nicht. Deshalb ist er bereit, einen Deal einzugehen und die Frau "finanziell zu unterstützen". Über eine genaue Summe spricht er nicht. Im Gegenzug wünscht er sich Treffen, einmal pro Woche, in einem Hotel oder in einer seiner zwei Wohnungen in der Stadt, Kurzurlaube.

Dass es paradox ist, Zuneigung und Zärtlichkeit zu erkaufen, weiß er selbst: "Vielleicht ergibt sich irgendwann mehr, wer weiß?" Er ist nicht dumm, wirkt nicht berechnend und auch nicht wie jemand, der nur auf schnellen Sex aus ist. Man hat eher das Gefühl, dass er einsam ist, wenn er sagt, er sei "eigentlich ein Romantiker". Beatrice Wagner sagt: "Frauen sind sich häufig bewusster, dass es sich um ein Geschäft handelt." Viele hätten gar parallel zu ihrem "Sugar Daddy" einen festen Partner. "Sie denken, sie kommen so schnell zu Geld - problematisch ist es spätestens, wenn sie den Ausstieg nicht mehr schaffen." Frank Müller hat schon oft überlegt, sein Profil zu löschen. Stunden, die er vor dem Computer verbracht hat, um Frauen anzuschreiben. Stunden, die er bedauert, weil die Klicks und Nachrichten nicht das gehalten haben, was er sich versprach.

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