Lehrwerkstatt für Meister der Kunst

Saarbrücken · Das frühere Bahn- Ausbesserungswerk in Burbach ist ein gutes Beispiel für denkmalschonende Umnutzung. Jetzt zieht die SaarArt aufs Gelände.

Es ist ein Klassiker des Strukturwandels: Wenn die Malocher gehen, kommen die Künstler. Die haben offensichtlich ein Faible für Industrie-Ruinen-Romantik und für Improvisation - und sind unerschrocken. Nicht nur bei der Völklinger Alten Hütte war das so, auch im neuen Quartier Eurobahnhof sorgte zunächst das Kulturzentrum am Eurobahnhof (KuBa) für Belebung, es folgte das Festival Perspectives, zwischenzeitlich läuft der (Vermietungs-)Laden. Diese Positiv-Erfahrung hat es der Saarbrücker Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung (GIU) leicht gemacht, auf Miete zu verzichten, als es darum ging, der SaarArt die Türen einer derzeit leer stehenden Industriehalle in Burbach zu öffnen, auf einer ehemaligen Bahn-Brache. Die GIU hat das ehemalige Ausbesserungswerk am Pfaffenkopf, ein 30 Hektar großes Areal, seit 1999 in einen "Standort für Handwerk und Gewerbe mit individuellem Komfort" verwandelt beziehungsweise ist noch dabei. "Eine kulturelle Bespielung hilft immer, solche Orte, die, nachdem sie ihre ursprüngliche Funktion verloren haben, schnell vergessen werden, wieder ins öffentliche Bewusstsein zu bringen", sagt GIU-Geschäftsführer Jürgen Schäfer.

Dass die Landeskunstausstellung überhaupt an einem nicht-musealen, alternativen Ort auftaucht, erklärt sich nicht durch ein neues Konzept, sondern schlicht durch Raumnot. Bekanntlich befindet sich der übliche Hauptspielort, die Saarbrücker Moderne Galerie, noch im Umbau. Also begutachtete Kuratorin Cornelieke Lagerwaard nach eigener Aussage "alle in Frage kommenden Leerstände" im Saarland und zog dann die Burbacher Option. Der Grund? Es gibt zwei, sagt sie: Licht und Ruhe. "Trotz ihrer Größe ist diese Halle nicht unbehaglich." Keine Selbstverständlichkeit, stammt sie doch aus nationalsozialistischer Zeit (1935/36) und zeigt dies außen auch. Doch im Innern: weiß getünchte Wände, eine unspektakuläre flache Original-Holzdecke und schlichte Fenster. Insgesamt ein eher nüchterner Schuhkarton ohne authentische Anmutung; die Werkbänke sind längst raus. Die als Ausstellungsarchitektur installierten drei Meter hohen Stellwände spalten die Fläche geradezu labyrinthartig auf, bilden Kabinette und nehmen dem 1400 Quadratmeter großen Raum trotzdem nicht die Weite. 30 Künstler finden hier Platz.

Nein, die Lehrwerkstatt ist nicht die Staunen machende industriekulturelle Neuentdeckung, die der Kunst womöglich die Schau stehlen könnte, sondern eine solide funktionierende Ausstellungshalle, freundlich und zeitgemäß. Die Kunst ist nicht der erste Mieter, bereits drei Nutzer hatte die Lehrwerkstatt, zuletzt waren hier sogar Flüchtlinge untergebracht. Generell besitzt das Areal des Ausbesserungswerkes (1906-1997) nicht mehr den Charme des Unfertigen, ist nicht mehr der typische Abenteuer-Spielplatz für Industriedenkmal-Pioniere. Denn längst hat die GIU, die das 30 Hektar große Gelände 1999 erwarb, auf dem einst 1300 Arbeiter beschäftigt waren, tüchtig aufgeräumt; rund 30 Millionen Euro öffentlicher Mittel inklusive EU-Fördergelder flossen in die Modernisierung der Infrastruktur und in die denkmalgerechte Restaurierung des historischen Gebäude-Bestands mit den typischen roten Backsteinfassaden. Er stammt aus der Zeit der Jahrhundertwende und steht unter Ensemble-Schutz, was den Erhalt der Gesamt-Kubatur bedeutet. Und die kann sich wahrlich sehen lassen, als gutes Beispiel für denkmalschonenden Strukturwandel. Warum das "aw Burbach" als besonderer Standort noch nicht so recht bekannt ist im Land, will nicht einleuchten.

Das Herz bildet eine wohl einmalige 40 000 (!) Quadratmeter große Wagenrichthalle, heute von Erschließungsstraßen durchzogen und als aw-Handwerkszentrum vermarktet. Doch zweifelsohne ist das eigentliche Prachtstück, allein schon durch die erhöhte Lage, die Lehrwerkstatt. Wie ein Schloss krönt sie das Areal, thront über der früheren Gleisharfe, die heute ein frei geräumter, weitläufiger Platz ist und an ein Aufmarschfeld denken lässt. Nähert man sich dem Gebäude von dort aus, muss ziemlich steile Treppen hoch. Sie schmiegen sich im Stil eines barocken Doppel-Aufgangs in einen massigen Rund-Vorbau - man darf sich recht klein fühlen und sollte es wohl auch. Oben angekommen liest man dann, in NS-Frakturschrift: "Wer soll Lehrling sein? Jedermann! Wer soll Geselle sein? Wer was kann! Wer soll Meister sein? Wer was ersann!" In diesem Sinne dürfen sich alle 30 Künstler, die Lagerwaard hier versammelt, als Meister sehen.

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Die Landeskunstausstellung "SaarArt" läuft vom 28. April bis 2. Juli an 14 Standorten und der Saarländischen Galerie in Berlin. Es ist bereits die elfte Ausgabe. Gezeigt wird ein Querschnitt durch die hiesige professionelle Kunst-Szene, 90 Künstler sind vertreten. Die Eröffnung findet am Freitag, 28.April, 18 Uhr, in der Lehrwerkstatt in Burbach statt: Matzenberg 171, 66 115 Saarbrücken. www.saarart11.de

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