Opfer entschädigen und Unrecht aufarbeiten

Saarbrücken · Neue Beratungsstelle für Menschen, die als Kinder und Jugendliche in der Behindertenhilfe oder Psychiatrie gequält worden sind, ist eröffnet worden.

 Monika Bachmann Foto: Werner Krewer

Monika Bachmann Foto: Werner Krewer

Foto: Werner Krewer

Das Leid vieler Kinder und Jugendlicher, das sie in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in psychiatrischen Einrichtungen erfahren haben, soll gesühnt werden. Hierfür wurde die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" von Bund und Ländern sowie der evangelischen und katholischen Kirchen in Höhe von 288 Millionen Euro ins Leben gerufen. Seit April gibt es auch im Saarland eine Anlaufstelle für Betroffene beim Landesamt für Soziales. Fünf Anträge seien bereits eingegangen, erklärte die Leiterin Anja Wagner-Scheid (CDU) gestern bei einer Pressekonferenz.

"Für mich war es nie zu verstehen, warum im sogenannten Heimkinderfonds Kinder und Jugendliche mit Behinderung ausgenommen waren", erklärte die saarländische Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) über den ersten Hilfsfond. Der Anteil des Saarlandes am Fond beträgt 858 000 Euro. Sollte sich jedoch herausstellen das Geld fehlt, werde über das Vermögen neu verhandelt, so Bachmann. Die neue Stiftung richtet sich nun an Kinder und Jugendliche, die in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis zum 31. Dezember 1975 in der damaligen Bundesrepublik oder in der Zeit vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in der ehemaligen DDR in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in stationären psychiatrischen Einrichtungen untergebracht waren und Leid sowie Unrecht erfahren haben. Die Fälle sollen dokumentiert, wissenschaftlich aufgearbeitet und die Ergebnisse öffentlich zugänglich gemacht werden. "Die Betroffenen können als Anerkennung einmal pauschal 9000 Euro erhalten. Außerdem können sie für entgangene Rentenansprüche bei sozialversicherungspflichtiger Arbeit von bis zu zwei Jahren 3000 Euro und bei mehr als zwei Jahren 5000 Euro erhalten", erklärte Bachmann. Auf ein umfangreiches Beweisverfahren könne verzichtet werden. "Vielmehr wird auf Bundesebene durch wissenschaftliche Arbeit festgelegt, in welchen Einrichtungen dieses Leid und Unrecht stattgefunden haben kann", so die Ministerin. Der Antragsteller muss nur nachweisen, dass er in einer dieser Einrichtungen untergebracht war. "Auch Hausbesuche können von der Beratungsstelle gemacht werden. Die Antragssteller können eine Person ihres Vertrauens mitbringen", ergänzte Wagner-Scheid.

Auch der erste saarländische Antragssteller war bei der Konferenz dabei, möchte allerdings nicht namentlich genannt werden. "Ich habe meine Erlebnisse über Jahre verdrängt", berichtete er. Vor Monaten habe er von der Stiftung gehört, seine Erinnerungen zu Papier gebracht und Einsicht in seine Krankenakte beantragt. "Zwei Monate hat der Antrag gedauert. Ich habe vieles aus der Akte erfahren, das ich nicht wusste, und bin gespannt, wie viele Anträge kommen werden." 19 Jahre war er in Kinderheim und Jugendpsychiatrie untergebracht und habe "vielfaches Leid" erfahren. Im Anschluss war der Einstieg in die Gesellschaft schwierig: "Ich habe versucht einigermaßen durchzukommen und ließ die Finger weg von Drogen und allem, was mir Probleme bereiten könnte."

anerkennung-hilfe.htm

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Die Beratungsstelle ist im Landesamt für Soziales, Hochstraße 67 in Saarbrücken, Tel. (06 81) 99 78 22 26. Sie soll keine Therapie leisten, sondern den Antragssteller bei der Aufarbeitung unterstützen und die Angaben prüfen. Sie ist zuständig für alle Betroffenen, die ihren Wohnort im Saarland haben. Für Menschen, die im Ausland leben, gilt der letzte Sitz der psychiatrischen Einrichtung oder Behindertenhilfe. In jedem Bundesland musste bis April 2017 eine Anlauf- und Beratungsstelle zur Verfügung stehen. Anmeldungen der Betroffenen sind bis zum 31. Dezember 2019 möglich.

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