„Es gibt keinen Ausgabenrausch“

Saarbrücken · Die IHK will weniger Schwimmbäder und Sporthallen im Saarland. Doch der Landessportverband entgegnet: Viele Bäder seien schon dichtgemacht worden, und die Hallen seien stark ausgelastet.

Die Verteilungskonflikte zwischen Land, Kreisen und Kommunen haben sich derart verschärft, dass man langsam den Überblick verliert, wer gerade mit wem Ärger hat: Die Kommunen und Landkreise wollen mehr Geld vom Land, gleichzeitig wollen Städte und Gemeinden, dass die Landkreise mehr sparen, die wiederum im Clinch mit dem Land liegen. Und alle drei zusammen - Kommunen, Kreise und Land - wollen mehr Geld vom Bund. Zuletzt hatten die Beratungsgesellschaft PwC und die Industrie- und Handelskammer jedoch deutlich stärkere Einsparungen der Kommunen gefordert.

Die Ausgangslage ist schnell beschrieben: Die Kassenkredite, die den Kommunen eigentlich nur zur Überbrückung kurzfristiger Finanzengpässe dienen sollten, steigen seit Jahren rasant an (siehe Grafik). Längst werden sie eingesetzt, um laufende Ausgaben zu bezahlen. "Beängstigend" nannte Innenministerin Monika Bachmann (CDU ) dies unlängst. "Das kann so nicht bleiben." Ein Gutachten soll bis Ende des Jahres Auswege aus der verfahrenen Situation aufzeigen.

Für den Saarländischen Städte- und Gemeindetag (SSGT) ist jetzt schon klar, dass die Ursache für die Misere nicht bei den Kommunen selbst zu suchen ist. "Es gibt in den Kommunen weder einen kollektiven Ausgabenrausch noch ein chronisches Missmanagement", sagte Geschäftsführerin Barbara Beckmann-Roh. Die hohe Verschuldung habe im Kern zwei Ursachen, erklärte SSGT-Vizepräsident Klaus Lorig (CDU ):

Zum einen würden die Städte und Gemeinden trotz ihrer seit Jahren ohnehin schon nicht ausreichenden Finanzausstattung zur Sanierung des Landeshaushalts herangezogen. Seit 2005 hätten die Kommunen über 500 Millionen Euro an das Land verloren. Im Jahr 2015 verlange das Land den Kommunen weitere 51 Millionen Euro ab.

Zum anderen bekämen die Kommunen vom Bund, vom Land und mittlerweile auch von der Europäischen Union immer mehr Aufgaben übertragen, ohne dass ihnen die Kosten dafür erstattet werden. Als Beispiel nennen Lorig und Beckmann-Roh den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, die Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen, die Ganztagsbetreuung an Schulen, die Inklusion oder die Erhöhung von Standards im Sozialbereich, die oftmals mehr Personal erforderten.

Lorig sagte, die Kommunen sähen sich gleichwohl "selbstverständlich" in der Pflicht, "auch Entscheidungen zu treffen, die schmerzlich sind und nicht allen gefallen, die aber im Interesse unserer nachfolgenden Generationen zur Vermeidung eines nicht mehr beherrschbaren Schuldenberges unausweichlich sind".

Der von Land und Kommunen gemeinsam beauftragte Gutachter Martin Junkernheinrich hat ermittelt, dass den Kommunen jedes Jahr 155 Millionen Euro fehlen. "Diesen Lückenschluss können die Gemeinden nicht aus eigener Kraft, schon gar nicht allein durch Einsparungen schaffen", betonten Lorig und Beckmann-Roh. Ohne externe Finanzhilfen und eine Altschuldenhilfe seien alle Bemühungen letztlich vergeblich.

Während sich die Kommunen eine Klage gegen das Land offenhalten, machen die Landkreise nun Nägel mit Köpfen. Der Landkreistag hat Sozialminister Andreas Storm (CDU ) aufgefordert, die Kürzung von Ausgleichszahlungen für die Sozialhilfe in Höhe von 3,82 Millionen Euro für das laufende Jahr bis zum 26. September zurückzunehmen; die Kürzung sei rechtswidrig. Andernfalls würden die Kreise klagen, schrieb der Vorsitzende des Landkreistages, Udo Recktenwald (CDU ), an Storm. Das Sozialministerium widersprach: Der Grund für die Ausgleichszahlungen an die Landkreise sei entfallen, weil der Bund die Kosten seit 2014 komplett übernehme.

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Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Die Kommunen haben ja Recht: Sie brauchen eine Teilentschuldung, der Bund muss sich stärker an den Sozialausgaben beteiligen und ihre Finanzen gehören zu 100 Prozent in den Länderfinanzausgleich. Es kann auch nicht sein, dass das Land sich auf Kosten der Kommunen saniert. Aber man darf auch die Frage stellen, ob die Kommunen wirklich schon alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um ihr Defizit zu senken. Aufgabe des Landes wäre es, endlich einmal zu klären, wie viele Bäder, Kultur- und Eventhallen, Stadien oder Zoos das Saarland wirklich braucht - und für alles darüber hinaus den Kommunen nichts mehr zu zahlen. Davor schrecken CDU und SPD (noch) zurück - wohl aus Angst, es sich mit den eigenen Bürgermeistern zu verscherzen.

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