Geräuschloser Auftakt im Parlament

Saarbrücken · Gestern ist der neu gewählte Landtag zusammengetreten. Die Rede des Alterspräsidenten nahm das Plenum stoisch hin.

 Josef Dörr (AfD, l.), der gestern im Landtag die Eröffnungsrede hielt, gratulierte dem wiedergewählten Landtagspräsidenten Klaus Meiser (CDU). Foto: B&B

Josef Dörr (AfD, l.), der gestern im Landtag die Eröffnungsrede hielt, gratulierte dem wiedergewählten Landtagspräsidenten Klaus Meiser (CDU). Foto: B&B

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Die Besuchertribüne war so gut gefüllt wie selten als sich der neue saarländische Landtag gestern zu seiner ersten Sitzung traf. Auch der Medienandrang war groß. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass es dieses Mal einem AfD-Politiker zufiel, als Alterspräsident die Eröffnungsrede zu halten. Bis zuletzt war unklar, was von AfD-Landeschef Josef Dörr zu erwarten war. Der 78-Jährige, der in der Vergangenheit wegen rechtsextremer Kontakte von sich reden machte, ist nicht gerade als Mann gemäßigter Töne bekannt. Auf einem Parteitag 2015 etwa sprach er von einem "Feuersturm", der alles "hinwegfegen und vernichten" würde, "was schlecht ist" im Land.

Seine Rede im Parlament fiel harmloser aus als befürchtet: Dörr betonte, er werde keine Parteirede halten. Stattdessen rezitierte er das Gedicht "Maibach" in moselfränkischer Mundart von Maria Becker-Meisberger, das an das Unglück auf der Grube Maybach 1930 erinnert (siehe Info). Etliche Bergleute seien bei Grubenunglücken gestorben, so Dörr, Zehntausende indirekt durch Gesteinsstaub ums Leben gekommen: "Der Wohlstand wurde teuer bezahlt." Dann sei die "Strukturkatastrophe" eingetreten, das Ende des Bergbaus. Dörr sparte nicht an Pathos, als er die Saarländer dazu aufrief, gemeinsam daran zu arbeiten, das Saarland "nach vorne zu bringen": "Es ist zu hoffen, dass dafür weder Blut noch Tränen gebraucht werden. Aber ohne Schweiß wird es nicht gehen." Die Abgeordneten als "Speerspitzen" müssten dabei ein Vorbild sein.

Die Abgeordneten nahmen Dörrs Rede ohne sichtbare Regung hin. Die etablierten Parteien hatten der Sache im Vorfeld gelassen entgegengesehen. Ganz anders auf Bundesebene, wo nach der Bundestagswahl im Herbst ebenfalls ein AfD-Politiker Alterspräsident werden könnte. Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte kürzlich einen Versuch unternommen, die Geschäftsordnung des Bundestags zu ändern, um das zu verhindern.

Im Saarland entschieden sich CDU, SPD und Linke, die Entscheidung des Wählers zu akzeptieren und auf große Gesten, wie das Verlassen des Saales, zu verzichten. Ihre Reaktionen im Anschluss reichten von "skurril", "wirr", "erträglich" bis zu "einer Parlamentseröffnung unwürdig". Nur vereinzelt erntete Dörr Applaus, von den eigenen Fraktionskollegen und aus dem Publikum. Umso länger wurde für Klaus Meiser (CDU) geklatscht, der im Anschluss einstimmig zum Landtagspräsidenten gewählt wurde, ein Amt, das er bereits seit 2015 innehatte. Meiser rief die Abgeordneten zu einem fairen Umgang untereinander auf und sprach sich für eine "weltoffene und tolerante Gesellschaft" aus. In solch einer Gesellschaft dürfe es "keine Toleranz gegenüber Intoleranz" geben. Der Opposition, die im neuen Parlament einen schweren Stand hat, weil sie formal nicht genug Stimmen hat, um etwa einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, versprach er, dass ihre "Mitwirkungsrechte in vollem Umfang gewährleistet" würden.

Mit der gestrigen Sitzung hat sich der 16. Landtag nun konstituiert: 24 Sitze hat die CDU, 17 die SPD, 7 die Linke und 3 die AfD. CDU und SPD stecken noch mitten in den Koalitionsverhandlungen. Die Landesregierung soll bis Mitte Mai stehen, die Ministerpräsidentin am 17. Mai gewählt werden.

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Maria Becker-Meisberger (1925-1999) war eine in Marpingen geborene Lehrerin und Lyrikerin. In dem Gedicht "Maibach" erinnert sie an die Schlagwetterexplosion auf der Grube Maybach (Friedrichsthal) am 25. Oktober 1930, bei der 98 Bergleute ums Leben kamen. Darunter auch der Vater der damals vierjährigen Maria. Nach ihr ist das "Becker-Meisberger-Institut. Zentrum für Interlinguistik" in Blieskastel benannt. Das Zentrum bemüht sich um die Förderung der Sprache Esperanto, die auch Becker-Meisberger und ihr Mann Günter Becker sprachen.

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