Baby Angela nach Kanzlerin benannt – Asylantrag abgelehnt

Nauort · Muss die fünfköpfige afghanische Familie Rahmati mit ihrer Tochter Angela zurück in die terror- und kriegsgeplagte Heimat?

 Die aus Afghanistan stammende Nazife Rahmati und ihre Tochter Angela blicken in eine ungewisse Zukunft. Foto: Thomas Frey/dpa

Die aus Afghanistan stammende Nazife Rahmati und ihre Tochter Angela blicken in eine ungewisse Zukunft. Foto: Thomas Frey/dpa

Foto: Thomas Frey/dpa

Das Baby hat große braune Augen und schon zwei Zähnchen. Angela heißt es, so wie Kanzlerin Merkel (CDU). "Mein Vater liebt Frau Merkel. Er hat meine Schwester aus Dankbarkeit so genannt. Frau Merkel hat den Flüchtlingen alle Wege frei gemacht", erklärt der 13-jährige Arian Rahmati in Nauort im Westerwald (Rheinland-Pfalz).

Doch ob die in Deutschland geborene kleine Angela und ihre Familie auf Dauer hier bleiben können, ist ungewiss: Das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (Bamf) hat den Asylantrag der Afghanen abgelehnt. Darüber hatte zunächst die "Rhein-Zeitung" (Koblenz) berichtet.

Die fünfköpfige Familie Rahmati hat große Angst vor einer Rückkehr in ihre Heimat mit Taliban-Terror und Bürgerkrieg. Arian berichtet: "Meine Tante hat Leuten in zerstörten Dörfern geholfen. Aber ihr eigener Mann ist Taliban. Er hat eine Schusswaffe. Er hat meiner Tante mit dem Tod gedroht und meine Mutter geschlagen. Die Taliban haben uns allen mit dem Tod gedroht." Sein elfjähriger Bruder Arman sei seitdem traumatisiert: "Er hat jetzt jede Woche Therapie."

Vater Wahid Rahmati sagt: "Wir sind zu Fuß geflohen. Das hat ein Jahr gedauert." Die damals vierköpfige Familie habe zwischen Afghanistan und Deutschland sieben Länder durchquert und im Wald geschlafen. "Wir haben unsere Wohnung, unser Auto und alles verkauft." Insgesamt habe die Flucht mit Schleusern umgerechnet 40 000 Euro gekostet.

Seit Oktober 2015 lebt die Familie in der 2300-Einwohner-Gemeinde Nauort im Westerwaldkreis. In ihrer Wohnung mit gespendeten Möbeln hat sie sich gemütlich eingerichtet.

Ihr Pate Winfried Freisberg versichert: "Die Familie hat sich sehr gut integriert." Die beiden Jungs besuchen die Grundschule, Arian war sogar schon Klassensprecher. Beide spielen Fußball und haben nach eigenen Worten zahlreiche Freunde. Vater Wahid Rahmati, eigentlich Architekt, arbeitet im Bauhof von Nauort. Viel Unterstützung hat die afghanische Familie von dem ehrenamtlichen Helferkreis "Willkommenskultur" und der Gemeinde Nauort bekommen.

Warum die Ablehnung des Asylantrags? Arian erklärt: "Die haben gedacht, dass Papiere von uns Lügen sind und dass wir was aus einem Buch auswendig gelernt haben." Das Bamf in Nürnberg bittet für Auskünfte zu bestimmten Einzelfällen um einen Antrag auf Entbindung von der Schweigepflicht. Das kann etwas dauern.

Der Nauorter Ortsbürgermeister Frank Herrmann (CDU) zeigt aber ein Bamf-Schreiben. Demnach bedeutet die negative Entscheidung für die Familie Rahmati nicht zwingend die Ausreise aus Deutschland. Weiter heißt es: "Vielmehr kann die Ausländerbehörde vor Ort - im Gegensatz zum Bundesamt - die Integrationsleistungen sowie das bestehende Arbeitsverhältnis würdigen und eine Duldung erteilen. Das Bundesamt kann die Entscheidung der Ausländerbehörde nicht beeinflussen." Dort, in Montabaur, hat Wahid Rahmati jetzt einen Termin.

Das Integrationsministerium in Mainz teilt mit: "Aufgrund der weiterhin unklaren Sicherheitslage in Afghanistan erfolgen Abschiebungen dorthin von Rheinland-Pfalz aus nur im Falle von verurteilten Straftätern und Gefährdern." Seit Jahresanfang seien insgesamt drei Straftäter nach Afghanistan zurückgeführt worden. "Wegen der nach wie vor unklaren Sicherheitslage dort gibt es derzeit keine Pläne, dieses Verfahren zu ändern." Rheinland-Pfalz hat eine rot-gelb-grüne Landesregierung.

Das Baby Angela lacht auf dem Arm seiner Mutter Nazife. Es weiß noch nicht, dass es zum kleinen Spielball der großen Politik geworden ist. Andere Flüchtlinge in Deutschland haben in den vergangenen beiden Jahren ihren Babys aus Dankbarkeit sogar schon den kompletten Namen der Kanzlerin als Vornamen gegeben: Angela Merkel.

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