Eiswasser gegen Muskelschwund

Illingen · Die sogenannte „Icebucket-Challenge“, eine öffentliche Spenden-Aktion, machte in den vergangenen Wochen auf die Nervenkrankheit ALS aufmerksam. Im Saarland sind knapp 200 Menschen von der Krankheit betroffen.

 Paul Schmitt mit seiner Frau Romy. Foto: Thomas Seeber

Paul Schmitt mit seiner Frau Romy. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Dass es so schnell geht, hatte Paul Schmitt nicht erwartet. Mittlerweile kann er sich gerade noch so aus dem Rollstuhl hochziehen und gebeugt stehen, wenn er sich am Esstisch abstützt. Vor einem Jahr konnte er noch laufen. In seinen Gliedmaßen zuckt es alle paar Sekunden. Die Muskelmasse des zuvor athletisch gebauten Kampfsportlers schwindet zusehends. Seit seiner tödlichen Diagnose im Januar 2013 hat er zehn Kilogramm seines Körpergewichts verloren. Aber der stets gut gelaunte Vater und Ehemann aus Illingen verliert seinen Humor nicht: Für die "Icebucket-Challenge" kippte er sich kürzlich einen Kübel Eiswasser über den Kopf. "Eine richtig klasse Sache", findet er. Ihn selbst hat ALS, die Amyotrophe Lateralsklerose, eiskalt erwischt. "Sterben müssen wir schließlich alle irgendwann", scherzt der 49-Jährige.

Sein Internetauftritt paul-gegen-als.de ist zu seiner Lebensaufgabe geworden. Darauf hält er über seinen Gesundheitszustand auf dem Laufenden. Im Januar 2014 schreibt er: "Die Krankheit hat auch meine Sprache erreicht." Immer schwerer fällt es ihm, Sätze hervorzubringen. Da er seine Finger auf der Tastatur nicht mehr so steuern kann, wie er möchte, spricht er die Texte für seine Webseite notdürftig mit einer Software ein und korrigiert Unverständliches im Anschluss. Bis Paul Schmitt seine Sprache verliert, versucht er damit möglichst viel in Bewegung zu setzen. So schreibt er im Internet auch vom Kampf mit seiner Krankenkasse, die "längst nicht alles zahlt". Trotz seiner Behinderung will Schmitt möglichst mobil bleiben. Doch erst nach einer Klage beim Sozialgericht bekam er von seiner Krankenkasse einen Rollstuhl, der seine Krankheit etwas erträglicher macht. Schmitt fühlt sich "nur noch wie eine Nummer, die Geld kostet". Er vermutet, dass die Erforschung der Krankheit ALS nicht lukrativ genug sei: "Ich bin für niemanden gefährlich, mit ALS stecke ich niemanden an", sagt er. Und binnen drei bis fünf Jahren nach der Diagnose wird Schmitt womöglich sterben. Sein Tod ist absehbar, die Ärzte können die Krankheit mit heutigen Mitteln nicht besiegen.

Im Saarland gingen etwa 550 Euro an Spenden beim Landesverband der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) ein. Der Betrag fließt in den Topf des Bundesverbands. Dieser hat bereits 750 000 Euro erhalten, die auf die Icebucket-Challenge zurückzuführen sind und demnach für die Bekämpfung von ALS eingesetzt werden, erklärt Geschäftsführer Horst Ganter. Die DGM fördert unter anderem Forschungsprojekte und unterstützt betroffene Patienten und Angehörige. Die ALS-Ambulanz der Charité in Berlin hat im Zuge der Challenge die Eine-Million-Marke geknackt. Die gemeinnützige Organisation "ALS Association" in den USA - wo die Challenge entsprang - hat schon mehr als umgerechnet 80 Millionen Euro eingenommen, die in Unterstützung und Pflege Betroffener sowie Forschung fließen.

Harald Schäfer, Vorsitzender der Saarländischen Krebsgesellschaft, begrüßt die öffentlichkeitswirksame Aktion. Er merkt jedoch auch an, dass man durch die "Zurschaustellung" der veröffentlichten Videos den Eindruck gewinne, "dass eine primär gutgemeinte Aktion etwas aus dem Ruder läuft".

Zum Thema:

Auf einen BlickALS, die Amyotrophe Lateralsklerose, ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems. Im Saarland sind der Kassenärztlichen Vereinigung 186 gesetzlich Krankenversicherte bekannt, die 2013 mit der gesicherten Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) behandelt wurden.Die "Icebucket-Challenge" ist eine Spenden-Aktion. Spender zeigen auf Videos in sozialen Netzwerken, wie sie sich einen Eimer kaltes Wasser überschütten - als Zeichen ihrer Spende für eine Organisation, die zur Erforschung von ALS beiträgt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort