„Es lag am strategischen Ungeschick der SPD“

Der Saartalk ist ein gemeinsames Format von Saarländischem Rundfunk und Saarbrücker Zeitung. Diesmal stellten sich der Politikwissenschaftler Uwe Jun, die Journalistin Susanne Höll und der Meinungsforscher Stefan Merz den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. SZ-Redakteurin Nora Ernst hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

Uwe Jun, Susanne Höll und Stefan Merz im Gespräch mit SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. foto: Dietze

Uwe Jun, Susanne Höll und Stefan Merz im Gespräch mit SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. foto: Dietze

Herbst: Wie lautet Ihre Kurzzusammenfassung der Landtagswahl im Saarland?

JUN Es war mal wieder eine Landtagswahl, in der der Amtsbonus der Ministerpräsidentin sehr wirksam wurde (…). Außerdem haben wir erlebt, dass eine Koalitionskonstellation nicht zog, was aber auch am strategischen Ungeschick der SPD lag, weil sie diese Konstellation strategisch und inhaltlich nicht vorbereitet hatte. (…)

Klein: Das Interesse an der Wahl im Saarland war groß. Wie schätzen Sie die Bedeutung für die Bundespolitik ein?

MERZ Es war eben der Auftakt zu diesem Superwahljahr. Aber ich glaube, die bundespolitische Brille wird fast ein bisschen überschätzt. Ich glaube, dass die Landespolitik ganz klar im Vordergrund stand. Sonst hätte die SPD ein anderes Ergebnis erzielen müssen, weil Martin Schulz durchaus auch im Saarland populär ist. Aber es stand ganz klar die Ministerpräsidentin im Vordergrund und die exzellente Bilanz der Landesregierung.

Herbst: Martin Schulz' Dominanz im Wahlkampf war sehr stark. Ist es damit automatisch auch eine große Niederlage für ihn? (…)

JUN Ich würde sagen, es ist keine große Niederlage für ihn. Sicher hatte die SPD sich mehr erhofft, und sie hatte sich Rückenwind erhofft von dieser Landtagswahl. Dieser Rückenwind ist jetzt nicht eingetreten. Da hofft man jetzt auf Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Aber Schulz stand nicht zur Wahl, und daher würde ich sagen, für ihn persönlich ist es jetzt kein Rückenwind, aber auch kein Rückschlag.

Herbst: Das Wahlergebnis fiel anders aus als Ihre Umfragen. Entscheiden wirklich so viele Wähler in allerletzter Minute?

MERZ Das ist in der Tat so. Unsere letzten Zahlen wurden ja zehn Tage vor der Wahl erhoben. Aber in unserer Nachwahlbefragung haben tatsächlich 30 Prozent der Wähler gesagt, sie haben sich entweder am Sonntag oder in den letzten Tagen erst endgültig entschieden. Das ist tatsächlich eine große Gruppe, da kann viel in Bewegung kommen, und Annegret Kramp-Karrenbauer hat einfach einen tollen Schlussspurt hingelegt (…).

Herbst: Wie stark sind im Wahlkampf die Themen durchgedrungen? Und, im Vergleich dazu, wie stark ist über Koalitionen und Spitzenpersonal geredet worden?

HÖLL Es gehört zu den Nachteilen unseres Medienberufs, dass wir vieles an Menschen, an Kandidaten festmachen. Da lässt es sich schön beschreiben. Aber mir ist wieder erschreckend bewusst geworden, dass es in Deutschland ein Bundesland gibt, dessen Zukunft finanziell, ökonomisch und sozial nicht zu 100 Prozent gesichert ist. Und dass dieses Land darum kämpfen muss, dass die Leute bleiben und dass das Leben hier auskömmlich und liebenswert ist (…). All das ist mir durch die Ministerpräsidentin, ihre Kampagne und ihre Reden bewusst geworden. Ein Programm hatte die CDU eigentlich überhaupt nicht. Die hatte so ein bisschen was Hausgemachtes mit ein paar Spiegelstrichen. (…)

Klein: Nun gibt es eine sehr starke Koalition und die Opposition spielt fast keine Rolle mehr. Das wird im Landtag sehr schwierig werden. Es reicht nicht mal mehr für einen Untersuchungsausschuss.

JUN Da kann man natürlich, ähnlich wie man es im Bund gemacht hat, die Regeln ändern, indem man die Quoren senkt, die die parlamentarische Opposition aufbringen muss. Die Frage wäre allerdings - und das könnte hier schwieriger werden - wie stark man dann die Quoren senkt. Weil ob sich AfD und Linke auf gemeinsame Anträge verständigen, das muss man abwarten.

Herbst: Wie bewerten Sie eine so starke große Koalition?

HÖLL Ich bin keine Freundin großer Dauerkoalitionen. (…) Ich würde für das Saarland hoffen, dass nach fünf Jahren dann mal Schluss ist mit der großen Koalition, weil sonst verkümmert die Opposition tatsächlich. Dann ist Oskar Lafontaine auch nicht mehr aktiv in der Politik, dann reicht es vielleicht auch mal mit der großen Koalition.

Klein: Das Spitzenpersonal, das Wahlen gewinnen kann und in der eigenen Partei beliebt ist, ist bei der CDU im Bund überschaubar. (…) Da muss man mit Kramp-Karrenbauer rechnen, oder?

JUN Ja, Sie haben Recht. (…) Aber die wichtige Frage wird sein - und das hängt vom Wahlausgang der Bundestagswahl ab -, kann Angela Merkel noch wesentlich mitbestimmen, wer ihre Nachfolgerin wird oder nicht. Wenn sie ein wichtiges Wort mitsprechen kann, dann steigen die Chancen von Annegret Kramp-Karrenbauer aus meiner Sicht. Wenn andere ein wesentliches Wort mitsprechen, muss man sehen, wer das dann sein wird.

Zum Thema:

Susanne Höll ist Saarland-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung. Sie hat die Landtagswahl auch unter bundespolitischen Aspekten beobachtet. Uwe Jun ist Politikwissenschaftler an der Uni Trier und befasst sich dabei auch mit der Parteipolitik im Saarland. Stefan Merz von Infratest Dimap analysiert politische Stimmungen und Trends.

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