Abspecken für die Zukunft

Saarbrücken · Autor, Werber und Verleger Charly Lehnert hat seine Heimat mit der Großstadt Köln verglichen und festgestellt: Unser Land sei „völlig überverwaltet“ und habe zu viele Politiker, die an ihren „Pöstchen kleben“.

 Das Saarland in den Grenzen von 2030: So stellt sich Charly Lehnert das Saarland künftig vor. Foto: Lehnert Verlag

Das Saarland in den Grenzen von 2030: So stellt sich Charly Lehnert das Saarland künftig vor. Foto: Lehnert Verlag

Foto: Lehnert Verlag

Wenn einer weiß, wie die Saarländer ticken, dann Charly Lehnert. Rein rechnerisch steht in jedem Haushalt hierzulande ein Buch aus seinem Verlag. Mit hochkalorischen Vorschlägen zielt der Autor, Verleger und Werber da meist direkt auf den Bauch der Saarländer und auf Umwegen so auch aufs Gemüt. "Hauptsach gudd gess" und "Das Lyonerbuch" heißen seine Bestseller. Kein Wunder, dass sich der 75-Jährige auch um seine Heimat (und Existenzgrundlage) sorgt. Wird doch die Eigenständigkeit des kleinen Bundeslandes gerade wieder eifrig debattiert. Darum hat Lehnert nun in seiner Exilsaarländer-Postille "Nemmeh dehmm", die vier Mal pro Jahr an 2000 gebürtige Saarländer in vieler Herren Länder geht (via SHS-Foundation aber auch an die Saarland-Botschafter), einen "Agenda 2030" überschriebenen Appell lanciert: Das Land müsse dringend was für seine Zukunft tun. Sonst setzte es sein Fortbestehen aufs Spiel. Und das meint der sonst oft humorige Lehnert bitterernst.

Sein Hauptkritikpunkt: Das Saarland sei "völlig überverwaltet". Landesregierung, fünf Landkreise plus Regionalverband, dazu die vielen Rathausherren: Wozu das alles?, fragt Lehnert. Und macht einen kühnen Vergleich mit der Großstadt Köln auf, die auch eine Million Einwohner zählt, aber bloß von einem Oberbürgermeister, neun Bezirksbürgermeistern und sieben Dezernenten regiert werde. "Bis heute kann ich niemandem erklären, was ein Regionalverband ist", polemisiert Lehnert. Und plädiert in seiner "Agenda 2030" für eine massive Verwaltungsschrumpfkur.

Folgte man seinen Vorschlägen, bestünde das Land 2030 bloß noch aus der Großstadt Saarbrücken mit einer halben Million Einwohnern, zwei Landkreisen (Saarland Ost und West), der auf vier Minister (heute 6 ohne MP) abgespeckten Landesregierung und einem 28-Sitze-Parlament (heute: 51). Als Ideenschmiede stellt Lehnert den Politikern ein beratendes "Saarland-Forum" zur Seite - mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Touristik, Gewerkschaften und Kultur.

Das größte Problem sei das Beharrungsvermögen der Politiker, die an ihren "Pöstchen kleben" und daher nicht zu Veränderungen bereit seien, moniert Lehnert. So wurde etwa der Vorstoß der Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) für eine Gebietsreform von beiden Regierungsparteien im Lande, CDU und SPD, rundheraus abgelehnt. "Unmöglich", meint der Werber, der für die SPD mehrfach Wahlkampfkampagnen machte und vor vier Jahren auch - in alter Verbundenheit mit Oskar Lafontaine - für die Linken. Das kostete ihn nach 35 Jahren Mitgliedschaft sein SPD-Parteibuch. "Abgehakt", sagt er heute. Vielleicht aber ist das auch der Grund, warum er seinen Vorstoß nicht mit Politikern besprochen hat.

Dass sein Vergleich mit Köln vielfach hakt, weiß er selbst. Schließlich hat auch die Rhein-Metropole über sich noch die NRW-Landesregierung (deren Kosten und Leistungen hat er nicht einkalkuliert). Und dass sich mit ein paar Millionen Euro Einsparnis, die bestenfalls durch eine Gebietsreform erzielbar wären, wie sie vor zehn Jahren bereits das Hesse-Verwaltungsgutachten anmahnte, nichts an der existenzbedrohenden Schuldenlast des Saarlandes (14 Milliarden Euro) ändert, sei auch klar. "Meine Aufgabe ist es ja nicht, fiskalische Vorschläge zu machen", meint Lehnert. Er wolle "Denkanstöße liefern". Und sei es auch nur, um zu erkennen, was man an der Saar besser kann als am Rhein. Gegen den Kölner U-Bahn-Skandal ist das Bau-Debakel beim Vierten Pavillon jedenfalls nur ein Problemchen.

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