Göttinger Agrarforscher erläutert den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft

Der Streit um den Einsatz des von UN-Medizinern als „wahrscheinlich krebserregend“ klassifizierten Unkrautgifts Glyphosat hat den Saar-Landtag erreicht. Am 22. Januar werden dort Experten angehört. Der Saatbauverein für das Saarland hatte jetzt den Göttinger Glyphosat-Forscher Michael Schulte in Schmelz zu Gast. SZ-Redakteur Dietmar Klostermann sprach mit Schulte über dessen Erkenntnisse.

Herr Schulte, Sie forschen seit Längerem an der Uni Göttingen über den Einsatz von Glyphosat. Können Sie Ihre Ergebnisse kurz zusammenfassen?

Schulte: An der landwirtschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität forschen zwei verschiedene Arbeitsbereiche an der Thematik. Nachdem wir uns intensiv mit den Ergebnissen der bestehenden Forschung auseinandergesetzt haben, haben wir entschieden, eine Umfrage unter deutschen Landwirten durchzuführen. Der hohe Rücklauf von mehr als 2000 Fragebögen ermöglicht uns nun, das Anwendungsmuster der Landwirte sowie den ökonomischen Wert des Wirkstoffes genauer zu bestimmen.

Wenn die deutsche Politik entscheiden würde, dieses Pflanzengift wegen möglicher Krebsrisiken zu verbieten, welche Folgen hätte das für die Landwirte?

Schulte: Landwirte würden zunächst einmal wieder vermehrt auf die mechanische Bodenbearbeitung setzen. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass vermehrt andere Unkrautbekämpfungsmittel eingesetzt werden, sodass es teilweise nur zu Verschiebungen kommen würde. Aus ökologischer Sicht stellt sich die Frage, wie die Bewirtschaftung von erosionsgefährdeten Flächen ablaufen würde, weil eine minimale Bodenbearbeitung in Verbindung mit Glyphosat in diesen Bereichen den besten Erosionsschutz darstellt. Gleichwohl ist klar, dass auch ohne Glyphosat eine Landbewirtschaftung weiter möglich wäre.

Gibt es ein vergleichbares Mittel auf dem Markt, das eine ähnliche Wirkweise besitzt, aber nicht in der Kritik steht, dem Menschen eventuell zu schaden?

Schulte: Nein, die Wirkungsweise von Glyphosat ist einzigartig.

Von Glyphosat-Kritikern wie den Grünen wird behauptet, der Glyphosat-Einsatz sei ohnehin überflüssig, der ökologische Landbau beweise das. Wie beurteilen Sie diese Sichtweise?

Schulte: Da ist natürlich viel politischer Wille im Spiel. Aus pflanzenbaulicher Perspektive treffen hier zwei Welten aufeinander. Im ökologischen Landbau werden nicht annähernd die Erträge wie in der konventionellen Landwirtschaft erzielt, sodass der Vergleich erheblich hinkt.

Bisher wird von verschiedenen medizinischen Institutionen auf EU- und UN-Ebene über das Krebsrisiko gestritten, das das Glyphosat bewirkt. Warum gibt es noch keine eindeutigen Ergebnisse?

Schulte: Im Rahmen eines Zulassungsverfahrens ist es normal, dass es verschiedene wissenschaftliche Einschätzungen zu einem Wirkstoff gibt. Das ist im vorliegenden Fall nicht anders, jedoch wird es medial sehr stark aufgebauscht. Ich denke, der eingeschlagene Weg, die endgültige Entscheidung auf Ende Juni 2016 zu vertagen, ist ein richtiger Weg. Somit kann vor einer Neuzulassung eine tiefergehende Analyse erfolgen.

Wie groß wäre der Schaden für die Agrarchemie-Konzerne, wenn Glyphosat in Deutschland verboten wird?

Schulte: Es werden jährlich etwa 5000 Tonnen Wirkstoff in Deutschland vermarktet. Zu den Verlusten kann ich Ihnen leider keine Angaben machen, da ich weder die Produktionskosten des Wirkstoffes noch die durchschnittlichen Abgabepreise kenne.

Es gibt Untersuchungen in Deutschland, die Glyphosat-Rückstände bereits in der Muttermilch nachgewiesen haben. Wie bewerten Sie diese Feststellungen?

Schulte: Ich empfehle jedem Verbraucher, die Ergebnisse beziehungsweise Pressemitteilungen von wissenschaftlichen Einrichtungen wie etwa dem Bundesamt für Risikobewertung zu lesen. Diese werden nach wissenschaftlichen Grundsätzen durchgeführt und sind somit belastbar. Bei der Muttermilch-Studie ist dieses sehr zweifelhaft.

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