Nummer eins und die Polizei

Völklingen · Das Auto hat in Völklingen absoluten Vorrang, ist Richard Borka aus Berlin aufgefallen. Bei seinem Stadtspaziergang fiel der Besucher dann selbst auf – und lernte unverhofft Ordnungsamt und Polizei kennen.

An Dinge, auf die man täglich schaut, gewöhnt man sich, nimmt sie oft kaum noch wahr. Wer aber dieselben Dinge nur ab und zu mal sieht, dem fallen ihre Eigenheiten auf. Richard Borka betrachtet Völklingen immer mal wieder mit dem Blick von außen.

Der 50-Jährige, in Berlin zu Haus, kommt jedes Jahr für ein paar Tage zum Verwandtenbesuch in die Stadt. Jüngst war er wieder da. Er hat uns berichtet von seinen Beobachtungen - und von deren überraschendem Ergebnis: Er lernte das Völklinger Ordnungsamt und die Völklinger Polizei kennen.

Gemeinsam mit seiner Frau spazierte er durch die Innenstadt. Dort, schreibt er, sehe man, "wie schwer Völklingen es hat" - Leerstände, tote Ecken, die Kaufhof-Ruine. Daneben auch Hoffnungsschimmer, Anstrengungen von Hauseigentümern und Gewerbetreibenden, "der Stadt ein freundlicheres Gesicht zu geben".

Allerdings nicht so einfach angesichts der Dominanz des Autos in der Stadt, meint Borka: "Blumen, Bänke und Radwege sind selten, Parkplätze für Autos gibt es allüberall." Als Fußgänger oder Radfahrer werde man "gnadenlos weggehupt" - der Gast, aus Berlin einiges gewöhnt, wundert sich über den rauen Verkehrs-Umgangston. Doch dieser Ton, "der in Völklingen das Auto über alles andere setzt", werde von der Spitze vorgegeben: Direkt vor dem Rathaus "keine Parkanlage, kein Brunnen, nicht einmal eine Bank", sondern - Autostellplätze, "nur für Dienstfahrzeuge". Mittendrin ein großer Daimler-Benz mit dem Kennzeichen VK-VK 1, der Dienstwagen des Oberbürgermeisters Klaus Lorig (CDU ).

"Seht her, hier steht die Nummer 1!" - so liest Borka das. Einmal aufmerksam geworden auf den Signal-Charakter von Autokennzeichen, schauten er und seine Frau sich nebenan um, auf dem Hindenburgplatz. Und fanden den "Park der Wunschkennzeichen". Offenbar, folgert Borka, legen viele Leute, die dort ihre Karosse abstellen, "Wert darauf, beim Kennzeichen etwas Besonderes zu sein, am besten die Nummer 1".

Borka hielt's mit der Handy-Kamera fest. Aus Rathaus-Fenstern sah man zu - und wurde tätig: Eine Zwei-Mann-Delegation befragte die Spaziergänger "in obrigkeitlich-robustem Ton" nach dem Sinn ihres Tuns. Die Antwort, es handele sich um "touristisches Interesse an städtischen Zuständen", stimmte die Frager skeptisch: Sie riefen die Polizei . Und die, sagt Borka, habe die Ordnungsamts-Herren aufgeklärt, dass Interesse an der Häufung von Wunschkennzeichen mitnichten verboten sei.

Ein Sprecher der Völklinger Polizei bestätigt auf SZ-Nachfrage den mittäglichen Einsatz. Hörbar amüsiert liest er vor, was die Streifenwagen-Besatzung notiert hat: Die Häufung von Wunschkennzeichen rund ums Rathaus sei dem Spaziergänger-Ehepaar "die Aufnahme eines Lichtbildes mittels Mobiltelefon wert" gewesen.

Richard Borkas ernüchterndes Fazit: Von den frischen Ideen, den aufgekrempelten Ärmeln, die Völklingen brauche, sehe man leider nicht viel. "Wenn es aber um das Auto geht, setzt sich der Amtsschimmel unverzüglich in Bewegung - zur Not mit Polizeiunterstützung. Armes Völklingen !"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort