Die Weihnachts-Doppelhaushälfte

Völklingen · Da strahlen tausende Watt in den Nachthimmel und die Augen der Schaulustigen: Der 31-jährige Sven Berrar lässt sich die aufwändige Weihnachtsbeleuchtung seines Hauses in Ludweiler viel Geld und Mühe kosten.

 Die eine Haushälfte hell wie Vollmond, die andere dunkel wie die Rückseite des Mondes: das Weihnachtshaus in Ludweiler. Foto: Oliver Dietze

Die eine Haushälfte hell wie Vollmond, die andere dunkel wie die Rückseite des Mondes: das Weihnachtshaus in Ludweiler. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Auf der schmalen Rosseler Straße staut sich der Verkehr. Dicht an dicht stehen die brummenden Wagen hintereinander, weiße Abgaswölkchen steigen stotternd in die kalte Dezemberluft. Obwohl schon die Nacht hereingebrochen ist, sind die Gesichter hinter den Seitenfenstern der Autos hell erleuchtet vom Widerschein. Gesichter mit großen Augen. Eine Dame im Fonds lässt das Fenster einen Spalt weit herunter. Vom Gespräch mit ihren Mitfahrern drängen nur zwei Wortfetzen nach draußen: ". . . der Wahnsinn."

Das Haus, das sie da am Straßenrand bestaunen, ist vermutlich das einzige im Saarland, das man auch vom Mond aus sehen kann. Obwohl, genauer gesagt, ist's eigentlich nur eine Doppelhaushälfte, die mit mehreren tausend Watt in den Nachthimmel strahlt. Die andere Haushälfte ist im Vergleich dazu so dunkel wie die Rückseite des Mondes.

Und nein, in der hell erleuchteten Doppelhaushälfte in Völklingen-Ludweiler wohnt nicht der Weihnachtsmann, wie man vermuten könnte, sondern Sven Berrar. Aber den Weihnachtsmann, den kennt der 31-Jährige gut. Mehr als 1000 davon hat er nämlich an den Fassaden seines Hauses angebracht und im 700 Quadratmeter großen Garten aufgestellt. Und die leuchten alle miteinander sowie mit Engeln, Rentieren, Schafen und allerlei anderem Weihnachtsgetier um die Wette. Rund 62 000 Lichter seien das, sagt der gelernte Gartenmeister.

Otto Normalverbraucher, der mit 20, 30 Weihnachtsbaum-Kerzen stolz sein Wohnzimmer erleuchtet, muss da ehrfurchtsvoll den Hut ziehen. Und selbst gewiefte Hobby-Elektriker können Berrars Zahlen in die Knie zwingen: rund 500 Steckdosen, gut 200 Steckerleisten, über ein Kilometer Stromkabel. Aber auch rund 500 Euro Stromkosten extra.

Angefangen hatte alles 1999. Da stellte der damals 14-jährige Bub Sven sechs Weihnachtsfiguren in den Garten und brachte zwei Lichterketten an. Das strahlte schön. Und dann kaufte er dazu, fürs nächste Jahr. Und so ging es immer weiter. "Weihnachten war für mich immer eine besondere Zeit", sagt Berrar. "Meine Eltern haben das Weihnachtsfest auch immer besonders zelebriert." Inspirieren ließ er sich bei der Weihnachtsbeleuchtung von amerikanischen Weihnachtsfilmen aus den 80er und 90er Jahren. "Natürlich drückt sich in den Filmen ebenso wie in der Hausbeleuchtung ein Stück weit die Sehnsucht nach einer heilen Welt aus", sagt Berrar. Sein Elternhaus leuchtet in diesem Jahr heller als je zuvor. Im Sommer starb seine Mutter, der Vater ging Jahre zuvor. Es ist sein erstes Weihnachtsfest ohne Eltern.

"Dieses Haus, das ist einfach sensationell", sagt Gertrud Berens. Die 56-jährige Völklingerin ist "extra einen Umweg gefahren", um sich das Haus anzugucken. Und nicht zum ersten Mal. "Was das für eine Arbeit gewesen sein muss." Tatsächlich hat Berrar bereits im Oktober mit den Vorbereitungen begonnen, damit das Haus sich pünktlich zum 1. Advent buchstäblich in Licht auflöste und nun bis zum 6. Januar täglich von 17 bis 22 Uhr erstrahlen kann. Besuchern bietet er im Garten kostenlos Glühwein und selbst gebackenen Lebkuchen an. Von den Spenden der Verköstigten finanziert er heute den Großteil seiner Unkosten. Vor zwei Jahren war Berrar bereits Teilnehmer der Vox-Fernsehserie "Das perfekte Weihnachtshaus" und ist seither in Völklingen für viele "berühmt". Selbst im Sommer höre er nun gelegentlich im Supermarkt eine Stimme im Rücken, die flüstert: "He, guck' mal, das ist doch der mit dem Weihnachtshaus . . ."

Gegenüber von "dem mit dem Weihnachtshaus" wohnt eine türkische Familie. Die Eheleute Nimet und Müeyyet Seyhan blicken aus dem Küchenfenster, ihre Gesichter sind wie die der Autofahrer hell erleuchtet vom Widerschein. Was sie von dem "Weihnachtshaus" halten? "Wenn es diese Sitte bei uns im Islam auch gäbe, würde ich mein Haus auch schmücken", sagt Frau Seyhan. "Aber nicht so viel", fügt sie lächelnd hinzu. Außerdem koste das ja auch viel Strom. Und ihr Mann witzelt: "Unsere Religion ist sparsamer."

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