„Unser Herz brennt für den Stahl“

Völklingen · Beim Stahl-Aktionstag im April sind im Saarland gut 20 000 Menschen auf die Straße gegangen für die Erhaltung der Stahlindustrie hierzulande – ein Signal an die Europäische Union, Dumping-Importe aus China zu unterbinden und Energieverbrauch nicht ungebührlich zu verteuern. Jetzt setzt der Saarstahl-Betriebsrat das nächste Zeichen, mit einer „Nacht der 1000 Feuer“. Er hofft auch da auf Bürger-Unterstützung.

Am Sonntag, 6. November, geht es Punkt Mitternacht los. Auf dem Platz vor der Erzhalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte beginnen Saarstahler eine Mahnwache. Gleich zum Start wollen sie ein großes Herz entflammen - "um zu zeigen, dass unser Herz brennt für den Stahl ", sagt Betriebsratsvorsitzender Stephan Ahr im SZ-Gespräch. Den ganzen Tag über wachen die Saarstahler am feurigen Herzen. Und eröffnen abends eine "Nacht der 1000 Feuer": Vom Torhaus 2 ziehen sie ab 20.15 Uhr mit Fackeln zum Erzplatz, wo dann eine nächtliche Betriebsversammlung auf dem Programm steht (21 Uhr). Gerahmt wird sie von Rockmusik mit der lokalen Band Compliments for Soul und einer Lasershow.

Entscheidend: Sie ist öffentlich, jeder kann dabei sein. Und der Betriebsrat hofft ausdrücklich, dass möglichst viele Bürger kommen: "Wir möchten die Bevölkerung der Stahl-Standorte mit ins Boot bekommen", sagt Ahr. Es gehe darum, allen klarzumachen, dass die Existenz der Stahlindustrie gefährdet sei, wenn die Europäische Union (EU) nicht gegensteuere - Stichworte: Dumping-Importe aus China, teure CO 2-Zertifikate. Gerade jetzt komme es drauf an, denn es stünden wichtige EU-Entscheidungen an. Im Vorfeld wollen die Saarstahler - nach der feurigen Nacht daheim - den EU-Gremien Dampf machen: Im Morgengrauen des 9. November fahren sie von allen regionalen Stahl-Standorten aus per Bus nach Brüssel, um mit Kollegen aus ganz Europa zusammen zu demonstrieren.

Ungewöhnliche Aktionsformen. Wie kommen Betriebsrat und Gewerkschaft darauf? "Wir knüpfen an die Geschichte an", sagt Ahr: Als im Saarland noch Zehntausende Eisen und Stahl produzierten, seien Betriebsversammlungen für jede Schicht extra angesetzt worden - auch nachts. Das gab's zuletzt wohl in den 1980er Jahren. Und nun, der öffentlichen Wirkung zuliebe, erneut.

Und der Fackelzug? Ist diese Form nicht diskreditiert durch die NS-Geschichte? "Darüber haben wir lange diskutiert", sagt Ahr, zumal sich in diesen Tagen auch die Reichsprogromnacht jährt. Aber: "Feuer gehört zum Stahl dazu" - technisch gesehen, gebe es zu Fackeln keine brauchbare Alternative. Und nur Saarstahler in persönlicher Schutzausrüstung sollen Fackeln in die Hand bekommen. Gegen mögliche Rest-Bauchschmerzen setzt Ahr eine klare Abgrenzung: "Wir distanzieren uns deutlich von rechtsradikalem Gedankengut und jeglichem Rassismus. Das hat in der Stahlindustrie - ganz speziell bei Saarstahl - keinen Platz."

Damit möglichst viele Saarstahl-Mitarbeiter teilnehmen können an der öffentlichen Betriebsversammlung - bei der auch Saarstahl-Vorstände und Politiker sprechen werden -, stehe das Völklinger Walzwerk in dieser Zeit still. Beim Stahlwerk geht das nicht, technisch. Doch dort, berichtet Ahr, seien die Montags-Schichtzeiten so geändert, dass wenigstens eine Schicht-Mannschaft kommen kann. Zwischen 1000 und 2000 Kollegen erwartet Ahr bei den "1000 Feuern". Und Bürger? Da wagt er keine Schätzung. Immerhin, die Einladung ist raus: Kollegen hätten sie in viele Briefkästen in Völklingen und Umgebung gesteckt, und die Flyer-Verteilung gehe weiter.

Zum europäischen Stahl-Aktionstag würden sich am 9. November wohl 10 000 bis 30 000 Stahlwerker in Brüssel einfinden, meint Ahr. Und fügt selbstbewusst hinzu: "Wir setzen da ein historisches Zeichen."

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