Kasse der Kleiderkammer klingelt

Völklingen · Es brummt in der wieder eröffneten Kleiderkammer des Roten Kreuzes Ortsverband Völklingen-Geislautern. Das hängt mit dem erweiterten Kreis der Bedürftigen, darunter zahlreiche Flüchtlinge, zusammen. Und die winterlichen Temperaturen steigern die Nachfrage nach warmer Kleidung.

 Christa Galinowski in Verhandlung mit einem Kunden. Vorne Flüchtling Lawnd Amin Al Haska. Fotos: Fertsch

Christa Galinowski in Verhandlung mit einem Kunden. Vorne Flüchtling Lawnd Amin Al Haska. Fotos: Fertsch

Zwei Hosen möchte der ältere Herr kaufen - eine grau, eine kariert. Er steht am Mittwochvormittag im hinteren Zimmer der DRK-Kleiderkammer in der Völklinger Poststraße 20 zwischen Regalen und Kleiderständern. Seinen Namen mag er nicht nennen, "habe ich vergessen". Zwei Euro sollen die Hosen kosten. "Ein Euro", versucht der Mann zu handeln. "Er kommt jede Woche und spielt sein Spielchen", sagt Christa Galinowski. Die resolute 77-Jährige arbeitet nicht nur seit einigen Jahren in der Kleiderkammer. Im neu gewählten Vorstand des DRK ist sie Beisitzerin. Für die SPD Fürstenhausen sitzt sie im Völklinger Ortsrat und ist die Vorsitzende der Awo Fürstenhausen. Mit Menschen kennt sie sich aus. Energisch nimmt sie mit einem gelben Messband dem sparsamen Herrn die Taillen-Maße ab. Er hält ihr eine der Hosen an. "Wir haben viel Spaß hier ", findet Galinowski.

Am Ständer mit den Männerjacketts wird ein syrischer Flüchtling fündig. Er heißt Lawnd Amin Al Haska und ist vor einem Jahr mit Frau und vier Kindern nach Völklingen gekommen. Er findet eine graue Jacke für 2,50 Euro und sucht neue Schuhe Größe 42. Die DRK-Frauen nennen ihm eine Adresse, wo er welche bekommen kann. Er blickt auf sein Handy. Durch eine App erfährt er, dass diese Adresse teuer sei. Ob das stimmt, will er wissen. Auch Mohmad Nezam schaut regelmäßig vorbei. Heute sucht er Hose und Pullover . Er ist 36 Jahre alt und vor zehn Monaten mit Frau und drei Kindern aus Aleppo geflohen.

Mittlerweile ist im Nebenraum kaum noch ein Durchkommen. Mehrere Frauen wühlen in Kinderkleidern, Bettwäsche, Pullovern, Hosen , Mänteln. Sumia Hilal ist mit Mann und vier Kindern aus dem syrischen Homs entkommen. Ihr dreijähriger Sohn Ali begleitet sie. Er geht in den Kindergarten und kann auf Deutsch bis zehn zählen, wie er stolz vormacht. Riesig freut er sich über einen roten Luftballon, den das DRK-Team für ihn rauskramt. Zobida Amin, 22, ebenfalls aus Homs, erzählt, dass sie einen Deutschkurs besucht. "Wir sehen die Damen jeden Mittwoch zweimal - einmal in der Pause ihres Kurses und dann nach Kursende", berichtet Renate Mohr, die neben Veronika Blum und Leiterin Franka Lombardo ebenfalls zum DRK-Team gehört.

"Vor allem, seit die Temperaturen unter Null gesunken sind, steigt die Nachfrage nach Wintersachen", berichten die Frauen. "Wattierte Jacken, dicke Stoffe, Flanell-Bettwäsche, alles geht weg." Positiver Effekt: Die Kasse ist so voll wie lange nicht - auch, oder gerade, dank der Flüchtlinge . "Wir haben in den letzten Wochen soviel eingenommen wie sonst in einem Jahr", freut sich Renate Mohr. Die Einnahmen (unter anderem) aus der Kleiderkammer werden investiert in die kostspielige Schutzkleidung und Ausrüstung der Rotkreuzler. Die zwei Wagen des Ortsverbandes müssen finanziert werden, verbrauchtes Verbandsmaterial muss ersetzt werden, berichtet die Vorsitzende Andrea Isberner.

Möglich sei dieser Erfolg aber nur, weil nun endlich der Bau des Ärztehauses abgeschlossen ist. Und damit die Kleiderkammer wieder zugänglich. "Es konnte uns ja niemand erreichen, der Zugang war monatelang versperrt." Eigentlich müssten die Ärzte als Entschuldigung eine kleine Spende tätigen, meint Renate Mohr augenzwinkernd.

Die Völklinger DRK-Kleiderkammer in der Poststraße 20 ist jeden Mittwoch von 10 bis 12 Uhr geöffnet.

Der Ortsverband des Deutschen Roten Kreuzes von Vöklingen-Geislautern mit 640 Mitgliedern hat eine neue Vorsitzende. Andrea Isberner, 47, löste Christine Olbert im Amt ab, die jetzt Beisitzerin ist. Oberbürgermeister Klaus Lorig bleibt 2. Vorsitzender. Monika Hans behält ihr Amt als Schatzmeisterin. Schriftführer ist jetzt Denis Petry, Gerätewart Markus Zenner, Beisitzer sind neben Christine Olbert Simone Zenk, Renate Schmitt, Christa Galinowski und Helga Welsch, den Beratschaftsdienst versieht Andreas Zenk, Bereitschaftsarzt ist Dr. Hans Volker Grimminger. Die gelernte Krankenschwester Andrea Isberner kennt den "Laden" von der Pike auf. Ihre Mutter, so erzählt sie, habe sie immer mitgenommen zu Veranstaltungen. Mit zwölf Jahren trat sie also beim Jugendrotkreuz ein. "Feuerwehr wäre mir lieber gewesen", sagt sie lachend. Die hätten aber damals keine Mädchen genommen.

Kennengelernt hat Andrea Isberner beim DRK auch ihren Mann. Er ist katholischer Diakon und arbeitet in der Völklinger Notfallseelsorge. Das Paar hat drei Kinder, der Jüngste, 19, ist ebenfalls Mitglied.

 Andrea Isberner

Andrea Isberner

 Zobida Amin (rote Jacke) sucht mit Freundin Schnäppchen.

Zobida Amin (rote Jacke) sucht mit Freundin Schnäppchen.

An die Arbeit einer Vorsitzenden muss sich Andrea Isberner noch heran tasten. Ideen hat sie aber schon. So ist sie etwa im Gespräch mit dem Landesverband über eine Initiative für Demenzkranke.

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