Kreative Aktion Von kuriosen Schätzen und einer Müllkippe

Saarbrücken · Ein Kunst-Parcours führte die Besucher der „Nacht der schönen Künste“ am Freitag durch die Saarbrücker Innenstadt.

 Im Lützelbachtunnel begeisterte das Kollektiv „souste transit“ die Besucher mit Intallationen, Projektionen und Sound.

Im Lützelbachtunnel begeisterte das Kollektiv „souste transit“ die Besucher mit Intallationen, Projektionen und Sound.

Foto: Iris Maria Maurer

Vor der Eingangstür zum Garelly-Haus in der Eisenbahnstraße steht ein junger Mann und stützt sich auf einen Sockel. Während man noch grübelt, ob das jetzt ein Künstler mit seiner Installation ist, hebt der Unbekannte den Sockel hoch, schleppt ihn ins Innere und sagt lächelnd: „Ich helfe nur“. Beim Kunst-Parcours der „Nacht der schönen Künste“, kann man nie sicher sein, wen und was man gerade vor sich hat. Die Aktion, bei der sich Künstler und Kreative mit Arbeiten aller Arten eine Nacht lang in Hinterhof-Ateliers, Privatwohnungen oder ehemaligen Fabrikräumen wie dem Garelly-Haus vorstellen, steckt voller Überraschungen. Ausgestattet mit einem Flyer, der die Adressen, die Namen der Aussteller und rätselhafte Titel wie „Körpercontainer“ oder „Kleine Vorankündigung“ verzeichnet, konnte man bei der elften Ausgabe am Freitag neun Orte in der Saarbrücker City erkunden.

Im Garelly-Haus, der mit 13 Ausstellern größten Location, sind die Künstler von den vielen Besuchern, die sich mit ihnen lebhaft unterhalten, kaum zu unterscheiden. Ausnahme: Rachel Mrosek. Die Kunststudentin fällt im großen Erdgeschoss-Saal sofort ins Auge, weil sie unermüdlich Wollfäden durch den Raum spannt und um die Stützpfeiler wickelt. Sie wolle mit den Fäden in den Raum zeichnen, ihn neue gliedern und gucken, wie sich das auf den Ort und die Menschen auswirke, sagt sie. Daneben sitzt Ekkehard Schmidt auf einem kleinen Perserteppich, umgeben von sorgsam sortierten Schraubgläsern und Kisten. Sie enthalten allerlei kuriose Schätze wie Muscheln, Steine, exotische Zigaretten-Marken oder auch angerostete Sardinendosen mit prächtigen Aufdrucken. Es sind Fundstücke, die der Geograf auf seinen Reisen durch den Orient und Osteuropa sammelte. „Konservierte Erinnerungen“ nennt er sie und kann zu jedem Gegenstand eine spannende Geschichte erzählen. Da muss man sich richtig losreißen, denn es gibt noch mehr zu sehen.

Die ausdrucksstarken Aquarelle von Rebekka Berthold etwa, die nachgemalten Filmplakate von Peggy Hamann oder die orignelle Lampe, die Timea Schmeer aus einem Schaufensterpuppen-Kopf und einem Blumenständer gefertigt hat. Später soll noch ein Chor Arbeiterlieder singen. Doch erstmal weiter auf dem Parcours, ein paar Meter die Eisenbahnstraße hinunter zur japanischen Otaku Lounge. Auf die Frage, wo denn hier die Kunst sei, sagt der Inhaber, man dürfe heute gratis kultige Videospiele ausprobieren. Na dann mal besser aufs Rad und auf zum Lützelbachtunnel. Die zugige, schummrige Bahnunterführung will ein Kollektiv namens „Souste transit“ laut Flyer mit Video und Sound in ein „phanstma-infektiöses Myzel“ verwandeln. Was das wohl ist? An der Tunnelstirnwand sieht man drei überdimensionale nasse Frauengesichter, die eng zusammenrücken, auf irgendwas zu warten scheinen. Unten in der Ecke seifen sich seltsame verformte Arme und Hände auf einem Monitor ständig ein. Ein natürliches Bedürfnis, das jeden ergreift angesichts der ekligen Müllkippe, auf der der Monitor steht. Dazu hört man es abwechseld zischen oder donnern. Den drei Kunststudentinnen und zwei Musikern, die sich hier mit einer Arbeit für ihr Seminar zu Kunst im öffentlichen Raum probieren, ist ein echtes Highlight geglückt. Familien, die den Tunnel eigentlich nur durchqueren wollen, bleiben neugierig stehen. Trotz des Gewitterregens, der jetzt mit aller Macht einsetzt, strömen immer mehr Besucher herbei. Die Zeit läuft, auf mit der Bahn in die Großherzog-Friedrich-Straße.

 Im Garelly-Haus zeigte Ekkehart Schmidt seine „konservierten Erinnerungen“ – Muscheln, Steine, Sardinendosen und exotische Zigarettenmarken.

Im Garelly-Haus zeigte Ekkehart Schmidt seine „konservierten Erinnerungen“ – Muscheln, Steine, Sardinendosen und exotische Zigarettenmarken.

Foto: Iris Maria Maurer

In der „Manufaktur der schönen Dinge“, in einem Hinterhof über Garagen empfängt einen WG- Wohnzimmer-Ambiente mit Perserteppichen und alten Möbeln. An Wänden und auf Schreibtischen: Malerei, Schmuckdesign, Fotografien. Der „Flaneur“- Blogger Sascha Markus muss immer wieder auffüllen. Seine Minipolaroids mit urbanen Motiven verkaufen sich wie warme Semmeln. Ein DJ legt auf, in allen Sesseln fläzen sich Besucher mit Bier. Hier könnte man noch stundenlang verweilen, doch schon ist der Zeiger auf Mitternacht vorgerückt.

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