Freie Demokraten wollen Inklusion aussetzen

Saarbrücken · Am Thema Inklusion scheiden sich die Geister – so auch auf Ebene der Kommunalpolitik. Die FDP im Stadtrat fordert nun, die Inklusion von Menschen mit Behinderung an Schulen zu stoppen. Grüne und Behindertenvertreter halten dagegen.

Die Freien Demokraten im Saarbrücker Stadtrat fordern eine vorübergehende Aussetzung weiterer Maßnahmen zur Inklusion. "Wir warnen vor einer weiteren Forcierung der Inklusion an Saarbrücker Schulen. Die jetzige Situation belastet Schüler, Lehrer und Eltern über Gebühr", schreibt Tobias Raab, bildungspolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP-Stadtratsfraktion, in einer aktuellen Pressemitteilung. Die Klassen seien zu groß und die Ausstattung nicht vorhanden, "um jedem Kind die bestmögliche Schulbildung zu ermöglichen". Diese Kritik teilt auch der Junge Saarländische Lehrerinnen und Lehrerverband und bekräftigt das mit seiner Aktion "Wir kreiden an".

Dagegen verurteilt der Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Saarland e.V. die Forderung der FDP-Stadtratsfraktion aufs Schärfste. "Wer so etwas fordert, fordert das Aussetzen von Menschenrechten", sagt Dunja Fuhrmann, stellvertretende Landesvorsitzende und städtische Gesamtbehindertenbeauftragte in der Landeshauptstadt.

Schlechte Rahmenbedingungen seien kein Anlass, schulische Inklusion "aufs Eis zu legen und weiterhin ein selektierendes Förder- bzw. Sonderschulsystem zu finanzieren".

Die Grünen im Stadtrat sehen ebenfalls Schwierigkeiten bei den derzeitigen Rahmenbedingungen. Die Aussetzung der Inklusion halten sie jedoch nicht für zielführend. Sie fordern stattdessen alle Akteure auf, die notwendigen organisatorischen und finanziellen Schritte einzuleiten, um eine schnelle Umsetzung zu ermöglichen.

"Die Anzahl der Inklusionslehrer und Integrationshelfer in den Klassen muss erhöht werden, damit das vorhandene Lehrpersonal nicht alleine mit der Aufgabe gelassen wird”, sagt Thomas Brass, behindertenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion .

Die Grünen plädieren dafür, die begrenzten Ressourcen in das inklusive System zu investieren. Hier sehen sie die Landeshauptstadt als kommunaler Schulträger in der Verantwortung, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Schulen zu unterstützen.

"Wer meint, dass in Schulen homogene Lerngruppen entstehen, indem man Kinder mit offiziell anerkanntem Förderbedarf aussondert, irrt gewaltig. Solange die Trennung in ,behindert'und ,nicht-behindert' unterstützt wird, hat unsere Gesellschaft keine Chance sich weiterzuentwickeln. Der weitverbreitete Irrglaube, besonders intelligente Schüler würden nicht zu ihrer Glanzform finden, wenn sie neben schwächeren stehen, ist fatal. Es zeigt ein Menschenbild, das nicht ins 21. Jahrhundert passt.”, so Brass abschließend.

Zu der Debatte gehört auch das Thema Barrierefreiheit. Seit 2003 ist im saarländischen Landesbehindertengleichstellungsgesetz die Schaffung von Barrierefreiheit in Schulgebäuden und Schulsportstätten gesetzlich vorgeschrieben. "Inklusion ist ein Prozess, der nicht von heute auf Morgen umgesetzt werden kann", betont die Behindertenbeauftragte Fuhrmann.

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