Auch nach 160 Jahren eine runde Sache

Saarbrücken · Auf Anhieb kann kaum einer sagen, wo die nächste Litfaßsäule in Saarbrücken steht, oder? Dabei gibt es allein im Stadtgebiet 232 Exemplare. Lange Zeit war sei wenig beachtet. Doch seit fünf Jahren geht es wieder aufwärts, wie Betreiber Alexander Koch mit Freude feststellt.

 Viele Vereine nutzen die Litfaßsäulen von Betreiber Alexander Koch, um ihre Veranstaltungen bekannt zu geben. Foto: BECKER&BREDEL

Viele Vereine nutzen die Litfaßsäulen von Betreiber Alexander Koch, um ihre Veranstaltungen bekannt zu geben. Foto: BECKER&BREDEL

Foto: BECKER&BREDEL

Alle paar Jahre stößt in Saarbrücken ein Auto gegen eine Litfaßsäule - und endet im Totalschaden. Denn die Plakatsäule besteht aus Beton und ist schier unverwüstlich. Das gilt auch im übertragenen Sinn für ihre Bedeutung als Werbe-Medium. Zwar wird Außenwerbung in den Städten bevorzugt auf Großflächen, auf Bussen und Straßenbahnen, in beleuchteten Schaukästen und auf Leuchttafeln betrieben, aber auch mit der Litfaßsäule.

Die hat der Berliner Drucker Ernst Litfaß vor 160 Jahren erfunden, um wildes Plakatieren einzudämmen. Und damit lässt sich auch heute noch trefflich Reklame machen. Vor allem Anbieter von Kulturveranstaltungen, Festbetreiber sowie (in Wahlkampfzeiten) Parteien nutzen das Angebot, ihre kleinen und großen Plakate auf die Säulen kleben zu lassen. Die Kosten liegen dem Vernehmen nach deutlich niedriger als bei Großflächenwerbung und seien auch für nichtkommerzielle Kunden bezahlbar.

Allein auf Saarbrücker Stadtgebiet stehen 232 Beton-Litfaßsäulen, etwa 120 in der Innenstadt, die restlichen auf die Stadtteile verteilt. Sie gehören der 1937 gegründeten, in Güdingen ansässigen Firma Werbe Fabry (sie hat im ganzen Saarland über 400 Litfaßsäulen aufgestellt). Gegen Pachtzahlungen an die Stadtverwaltung stellt das Unternehmen seine Säulen in Saarbrücken auf.

Inhaber und Geschäftsführer Alexander Koch berichtet, dass die Einnahmen aus den Säulen etwa ein Fünftel seines Umsatzes ausmachten. Nachdem das Geschäft mit der Erfindung des Ernst Litfaß in der Landeshauptstadt längere Zeit vor sich hingedümpelt habe, ziehe es in den vergangenen fünf Jahren wieder deutlich an und sei gewinnbringend. Das hänge mit der erhöhten Aufmerksamkeit zusammen, die man den Säulen zuteil werden lasse.

Es werde nur Aktuelles plakatiert und Abgelaufenes überklebt, sodass der Betrachter davon ausgehen könne, seine Zeit nicht zu vergeuden. Außerdem achte man darauf, Plakate auf ideale Höhe zu hängen oder in Fahrtrichtung des Verkehrs zu platzieren, sodass sie ihre optimale Wirkung entfalten.

Litfaßsäulen sind zwischen drei und 3,80 Meter hoch, haben einen Durchmesser von etwa einem Meter (der durch das Überkleben immer weiter wächst) und bieten eine Gesamtwerbefläche von acht bis neun Quadratmetern. Da die wenigsten Litfaßsäulen frei stehen und einsehbar sind, ist ein Plakatanschlag auf der gesamten Fläche wenig sinnvoll. Womit ein Grundkonflikt zwischen Betreiber und öffentlicher Hand beschrieben wäre. Die Aufsteller möchten die Säulen am liebsten an die meist frequentierten Orte stellen, aus den Kommunalparlamenten (in Saarbrücken beschließen die Bezirksräte über Standorte), aus Stadtplanungsamt, Ordnungsamt und im Einzelfall aus weiteren Behörden gibt es unterschiedlichste Bedenken, meist ästhetische.

Was der Passant im Stadtbild sieht, das ist der Kompromiss, mit dem sich beide Seiten aber zufrieden zeigen. Kürzlich musste übrigens eine Litfaßsäule vom neuen Rabbiner-Rülf-Platz und seinem Denkmal weichen. Die Stadt versichert, sie werde der Werbefirma einen Ersatzstandort anbieten. "Es wird der Litfaßsäule manchmal vorgeworfen, sie sei zu groß und verschandele die Gegend. Sie ist aber nun einmal so, wie sie ist - und es wird sie noch lange geben", ist Alexander Koch sicher.

Er tüftelt bereits an einer modernen Variante, die mit Solar- und sogar Windenergieanlagen ausgestattet ist. Damit käme mehr Licht an die Litfaßsäule, sodass sie auch nachts besser gesehen würde - auch von Autofahrern.

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saarbrueckerzeitung.sb

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